Joachim Radkau: "Die Ära der Ökologie"

Eine Weltgeschichte


Schon seit Jahren hat sich Joachim Radkau mit dem Gedanken beschäftigt, eines Tages eine Weltgeschichte der Umweltbewegung vorzulegen. Jahrelang hat zu diesem Zweck Notizen gesammelt und diese nun 2011 endgültig vorgelegt. Eine Motivation dazu mag Radkau auch der Eindruck gewesen sein, dass manche seiner Historikerkollegen zwar mit Verve in der Lage waren, über Episoden des Kaiserreichs oder Weimarer Republik zu berichten, sobald das Wort aber auf die Umweltbewegung fiel, in hohle Phrasen und Plattitüden abglitten. Mit seiner Weltgeschichte der Ökologie will Radkau das nicht nur anders machen, sondern auch einer historischen Aufarbeitung der Geschichte der Umweltbewegung den Weg bereiten.

Schon im Vorwort gesteht Radkau übrigens seine bereits sehr früh aufgekeimten Sympathien für die Umweltbewegung, die er weit mehr als die 68er-Bewegung als "seine" Bewegung ansieht und deren Idealen er sich verpflichtet fühlt. Diese Stellungnahme gereicht dem Werk aber nicht zum Nachteil, zumal globale Historien der Umweltbewegung bisher doch noch eher rar gesät sind und Radkaus Werk einer langjährigen Planung entsprungen ist. Mitunter ein Grund dafür, dass es "noch" so wenige Geschichtswerke über die Umweltbewegung gibt, ist auch, dass das Chamäleon Umweltschutz als politisch-ideologisches Thema schwer zu fassen ist. Schon früh mussten sich auch die "Grünen" mit einer vermeintlichen Geschichtslosigkeit herumschlagen, und auch Radkau fällt es nicht leicht, einen definitiven Anfang der Umweltbewegung, die schließlich aus einer Vielzahl von Quellen geformt wurde, auszumachen. Eine Besonderheit von Radkaus Historie ist übrigens auch der globale Ansatz, wodurch die "Weltgeschichte" zu mehr als einer bloßen Phrase wird.

Einen der Anfänge der Umweltbewegung verortet Radkau schließlich in der Holznot vor der Französischen Revolution, die mit einer sehr frühen Form des Umweltaktivismus einhergeht. Dennoch war vor den 1970er-Jahren lange nichts Wirkungsmächtiges organisiert, das einer grünen Partei ähnlich gewesen wäre. Also sucht Radkau vor allem nach jenen Quellen, aus denen sich die künftige Umweltbewegung speisen sollte, und verfolgt anhand von acht Ursprüngen der Umweltbewegung (Waldschutz, Wasserschutz, Luftreinhaltung, Tierschutz, Naturschutz im Sinne von Landschaftsschutz, Arbeitsschutz bzw. Arbeitsmedizin, Verbraucherschutz und Naturheillehre) deren Entwicklungslinien nach. Dabei tritt er durchaus auch einen Streifzug durch die Weltgeschichte an und berichtet von chinesischen Anti-Staudamm-Aktivisten ebenso wie von der Einrichtung afrikanischer Nationalparks und der europäischen Anti-Atombewegung. Hierbei betont Radkau, dass vor allem der Gesundheitsgedanke der Umweltbewegung zunächst von der Idee des Naturschutzes getrennt entstand und diese beiden Linien erst zueinander finden mussten.

Doch als Biograf Max Webers (der mit seinem Konzept einer charismatischen Führerschaft die moderne Führungstheorie begründet hat) untersucht Joachim Radkau die Weltgeschichte der Ökologie auch auf prägende Charismatiker, wie Julian Huxley (den Bruder des Autors Aldous Huxley), Petra Kelly oder Dai Qing, denen er auch persönlichen Raum zugesteht. Webers Theorien finden im Übrigen auch immer wieder auf die eine oder andere Weise Eingang in Radkaus Argumentation.

Resümee

Nicht zuletzt die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko im Jahr 2010 und die Reaktorkatastrophe von Fukushima anno 2011 haben der zeitweise schon stagnierenden Umweltbewegung wieder Auftrieb verschafft. Dass die Geschichte der Umweltbewegung keineswegs abgeschlossen sein würde, wenn er ihre Weltgeschichte vorlegt, war Joachim Radkau durchaus bewusst, doch sein Versuch galt auch primär dem Anliegen, die Wurzeln der Umweltbewegung zu finden. Etwas irritierend mag nur manchmal Radkaus globaler Geschichtsschreibungsansatz wirken, da dieser es doch bedingt, von Geschichtsort zu Geschichtsort durch Zeit und Welt zu springen. Stilistisch ist es dem Historiker dennoch überraschend gut gelungen, verständlich zu bleiben und eben durch den von ihm gewählten Ansatz über den europäischen oder auch nur deutschen Tellerrand hinweg zu blicken.

(Mario Pfanzagl; 03/2011)


Joachim Radkau: "Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte"
C.H. Beck, 2011. 782 Seiten.
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Joachim Radkau, geboren 1943, habilitierte sich mit einer Studie über Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft. 1981 wurde er Professor für neuere Geschichte an der Universität Bielefeld. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Radkau bekannt, als er im Jahr 2000 eine Weltgeschichte der Umwelt ("Natur und Macht", Verlag C.H. Beck) veröffentlichte. 2005 folgte eine viel beachtete Biografie über Max Weber.

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