Andreas Eschbach: "Herr aller Dinge"


Immer wieder nimmt Andreas Eschbach aktuelle technologische und soziale Themen auf und bearbeitet sie in einmal gelungenen und dann wieder weniger gelungenen Romanen. "Der Herr aller Dinge" ist eine Auseinandersetzung zunächst einmal mit der Frage, warum es reiche und arme Menschen gibt und wie die Arbeit in der Welt zwischen diesen Personengruppen verteilt wird.

Diese Fragen treiben den Halbjapaner Kato Horisho bereits in frühen Jahren um, als er auf der einen Seite sieht, wie seine Mutter unter der harten Arbeit in der französischen Botschaft in Tokyo leidet, und auf der anderen, wie angenehm seine Freundin Charlotte in dieser Botschaft lebt, deren Eltern nicht offensichtlich zu arbeiten scheinen, während ihnen aber zig Bedienstete zur Verfügung stehen. Zur Lösung dieses speziellen Problems kommt dem Jungen beim Schaukeln eine geniale Idee, die er noch am selben Tag in einem "Masters-of-the-Universe"-Notizbuch notiert, das ihn von da an durch sein Leben begleiten soll.

Als er kurze Zeit später endlich seinen us-amerikastämmigen Vater kennenlernt und dieser ihm anbietet, mit in die USA zu kommen, wo es mehr weiterführende Schulen von internationalem Ansehen gibt als in Japan, begleitet der Junge seinen bis dahin unbekannten Vater und lernt zwei neue Länder kennen: die Vereinigten Staaten von Amerika und jenes Japan, das ihm bis dahin kulturell und historisch fremd geblieben ist. Fleißig arbeitend schafft er es geradezu mühelos an das M.I.T., wo er schon bald sein Studium durch ein interessantes Patent zur Vermessungstechnik finanzieren kann. Dort lernt er auch die Liebe kennen und all ihre Fallstricke; besonders, als er auf einer Feier Charlotte wieder begegnet. Doch seine Arbeiten im Bereich der Robotik und dabei besonders der Nanorobotik nehmen einen großen Teil seiner Aufmerksamkeit in Anspruch, und so verschwindet er bald aus Charlottes Blickfeld.

Jahre später wird er auf eine abgelegene Insel im russischen Polarmeer gerufen, wo eine Expedition unter Charlottes Teilnahme etwas gefunden hat, das zur Erfüllung seines persönlichen Lebenstraums einen großen Teil betragen könnte. Aber man sollte immer genau aufpassen, was man sich wünscht und welche Fragen man beantwortet haben möchte.

"Herr aller Dinge" ist ein thematisch sehr großer Entwurf, der gleich drei äußerst umfangreiche Themen der Menschheit in sich vereint und dabei auch noch eine Menge kleinere am Wegesrand zumindest streift. Andreas Eschbach gelingt es hervorragend, die verschiedenen wissenschaftlichen Schwerpunktthemen auch laiengerecht darzustellen und diese Darstellung jeweils weitestgehend in die Handlung einzubauen, so dass beim Lesen von Erläuterungen selten leserische Längen entstehen. Die Hauptfiguren sind überzeugend gestaltet, wenn sie auch nicht unbedingt zu Herzen gehen - dafür sind sie meist zu rational in ihren Vorgehensweisen -, und die Geschichte in sich ist ebenso schlüssig wie spannend erzählt mit einer ordentliche Portion Witz dabei. Auf jeden Fall zu empfehlen.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2011)


Andreas Eschbach: "Herr aller Dinge"
Lübbe, 2011. 687 Seiten.
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Hörbuchausgabe:
Gelesen von Matthias Koeberlin
Lübbe Audio, 2011. 8 CDs, Spieldauer ca. 574 Minuten.
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