Friederike Range: "Wie denken Tiere?"

Faszinierende Beispiele aus dem Tierreich


Warum interessiert uns die Intelligenz von Tieren?

Ob Tiere denken können bzw. was in ihren Köpfen vor sich geht, fragen sich Menschen schon seit Ewigkeiten. Gelöst haben sie das Rätsel bis heute nicht. Obwohl es manchmal scheint, dass der Unterschied zwischen Mensch und Tier kleiner als gedacht ist. So können beispielsweise Tauben einen Picasso von einem Monet unterscheiden, was vielen Menschen wahrscheinlich nicht gelingen würde. Oder Krähen bauen sich Werkzeuge, um an Insekten unter der Baumrinde zu gelangen. Allerdings ist bei den Tauben das gezielte Unterscheiden zwischen Impressionismus und Kubismus "nur" ein gezieltes Trainingsergebnis aus der Forschung. Gewisse "Denk"-Parallelen zum Homo Sapiens gibt es dahingegen noch mehr. Jedoch fehlen Tieren im Gegensatz zum Menschen zwei wichtige Voraussetzungen zum Urteilen und Denken: zum Einen Begrifflichkeit und zum Anderen eine gemeinsame Öffentlichkeit, die durch das Zeigen geschaffen und im Urteil vertieft wird. Auch können sich Tiere keine Ziele setzen.

Das vorliegende Buch der Kognitionsforscherin Dr. Friederike Range will keinen Gegenbeweis antreten. Die Biologin zeigt vielmehr auf, wie Tiere Entscheidungen des täglichen Lebens treffen und damit über lebenswichtige Probleme lösen. "Das Buch gibt ein beredtes Zeugnis darüber ab, was Tiere - mit den richtigen Augen gesehen und vor die geeigneten Aufgaben gestellt - kognitiv zu leisten imstande sind", schreibt Prof. Dr. Ludwig Huber (Leiter der Abteilung für Kognitionsforschung der Universität Wien) im Vorwort. Dabei grenzt es sich ganz klar von den oft banalen Geschichten über tierische Intelligenz in den Medien und den seit der Antike erzählten Fabeln und Spekulationen darüber ab.

"Wie denken Tiere?" zeigt, welche neuen Einsichten die Wissenschaft ermöglichen kann, gibt jedoch keinesfalls eine umfassende Darstellung der gesamten Themenbereiche und Forschungsergebnisse der Kognitionsbiologie. Vielmehr will Dr. Range das Interesse für Kognitionsforschung bei Tieren wecken. Das wirft natürlich die Frage auf, warum Intelligenz von Tieren überhaupt erforscht werden muss? Die Autorin gibt darauf eine ganz klare Antwort: Es ist der Mensch selbst. "Uns interessiert immer wieder, ob, warum und inwiefern der Mensch eigentlich etwas Besonderes ist und sich von den Tieren abhebt", antwortet die Biologin. "Schließlich stammen wir von den Tieren ab, und je mehr wir über ihre geistigen Fähigkeiten wissen, umso besser verstehen wir wahrscheinlich dann auch die Evolution unserer eigenen Fähigkeiten."

Die Autorin hat ihr Buch in sechs Kapiteln gegliedert, die u. a. die Themen "Sind Tiere logisch?", "Soziales Lernen", "Kooperation", "Werkzeuggebrauch" oder die Frage "Was verstehen Tiere von der Gedankenwelt eines anderen Tieres?" behandeln.
Eingeleitet werden die Kapitel jeweils mit einem kurzen Überblick über das Themengebiet mit den jeweiligen Fragestellungen und dem jetzigen Wissensstand. Anhand von speziellen Beispielen aus der Forschung werden dann weiterführende Fragestellungen behandelt. "Diese speziellen Beispiele sind zum Teil so ausgewählt, dass einerseits verschiedenen Tiergruppen und Methoden in der Verhaltensforschung abgedeckt werden und dass andererseits für den Laien eine gewisse Attraktivität besteht", erläutert Friederike Range.
Sie nimmt den Leser mit in das Wolfsprojekt "Wolf Science Center", beobachtet Putzerfische bei der Arbeit oder Erdmännchen beim Wiegen, die sich dabei sogar in Reih und Glied anstellen, und ist nicht zuletzt bei Verhaltensbeobachtungen unserer nächsten Verwandten, den Affen, zugegen.

"Wir teilen diese Welt nicht mit dummen Geschöpfen, sondern mit Tieren, die eine für uns oft überraschende Komplexität in Bezug auf ihr Lernverhalten zeigen!", stellt Dr. Friederike Range in ihrem interessanten Buch dar. Entstanden ist ein faszinierendes Zeugnis der modernen Kognitionsforschung an Tieren, das gleichzeitig darauf hinweist, dass Tiere jederzeit als bewusste, intentionale und leidensfähige Wesen wahrgenommen werden sollten.

(Heike Geilen; 01/2010)


Friederike Range: "Wie denken Tiere? Faszinierende Beispiele aus dem Tierreich"
Ueberreuter, 2009. 205 Seiten.
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Noch ein Buchtipp:

Reinhard Brandt: "Können Tiere denken? Ein Beitrag zur Tierphilosophie"

Tiere haben erstaunliche kognitive Fähigkeiten, ein diesen Fähigkeiten entsprechendes Bewusstsein und Formen des Selbstbewusstseins. Das Denken in diskreten Einheiten von Urteilen scheint ihnen jedoch nicht zugänglich zu sein, damit auch nicht die Unterscheidung von Bejahung und Verneinung und von wahr und falsch. Wie ist das Denken und damit das objektive Erkennen beim Menschen entstanden? Welche Rolle spielt das Gehirn bei Mensch und Tier?
Wir Menschen leben in zwei Welten, die paradoxerweise zugleich eine ist. Das Tageslicht, Gerüche, die Hauswand, an der wir entlanggehen und die wir nicht durchschreiten können - diese unsere Lebenswelt unterscheidet sich zunächst nicht von der des Hundes, der uns begleitet. Tiere nehmen sinnlich wahr wie wir, sie erschrecken wie wir bei einem lauten Geräusch, sie zeigen dieselbe freudige Erregung wie wir. Zugleich gibt es für uns eine andere, wiewohl identische Welt, von der die Tiere offenbar nichts wissen: Wir Menschen machen die Dinge zu Objekten der Erkenntnis; dieselbe Sonne, die uns blendet und die sich im Tageslauf langsam von Osten nach Westen bewegt, steht, so erkennen wir, fest im Zentrum des Planetensystems. Wir spüren die Kälte, aber wir erkennen in ihr zugleich die Ursache der Eisbildung; kein Tier weiß, was eine Ursache ist, kein Tier kann sich wundern, und auch denken kann es nicht. (Suhrkamp)
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