J.M. Coetzee: "Schande"


Gebrannt - Verbrannt - Ausgebrannt

Am 17. September 2009 lief die Verfilmung eines der großen literarisch herausragenden Romane des südafrikanischen Literatur-Nobelpreisträgers J. M. Coetzee, mit John Malkovich in der Hauptrolle, in den deutschen Kinos an. "Schande" brachte dem Autor seinerseits nicht nur Ehrung ein (Coetzee erhielt 1999 den "Booker-Prize", Englands begehrteste Literaturtrophäe), sondern gerade in seinem Heimatland den Vorwurf des Rassismus. Allzu einseitig habe der weiße Autor - so die Meinung seiner Kritiker - die Missstände im neuen Südafrika nach Ende der Apartheid angeprangert..

Das monumentale und erschütternde Werk schildert exemplarisch die südafrikanische Realität nach dem Fall der Apartheid anhand eines brutalen Überfalls auf die zwei Hauptprotagonisten des Romans. Da ist zum Einen der 52-jährige David Lurie, wegen "Verfolgung oder Bedrohung von Studenten durch Mitglieder des Lehrkörpers" - so die Anzeige -, unehrenhaft aus der Universität entlassener Professor für Kommunikationswissenschaften in Kapstadt. Zum Anderen seine Tochter Lucy, die auf einer kleinen Farm in Südafrikas Kap-Provinz nach einigen Eskapaden ihr kleines Glück gefunden zu haben scheint. David zieht sich zu seiner lesbischen, nicht besonders schönen Tochter zurück.
Bis es zu einem brutalen Überfall auf die Farm kommt, bei dem David schwer verletzt, seine Tochter brutal vergewaltigt wird.

Petrus, der schwarze Nachbar Lucys, der seine gerade errungene Unabhängigkeit geschickt zu festigen weiß, scheint einen der Täter sogar zu decken. Lucy wiederum, die den Hass und die Unversöhnlichkeit ihrer schwarzen Nachbarn spürt, unterwirft sich den realen Machtverhältnissen. Sie verzichtet auf eine Anzeige, hält die Vergewaltigung zum einen Teil für eine private Angelegenheit: "Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, könnte das als öffentliche Angelegenheit betrachtet werden. Aber hier und heute nicht. Es ist meine Sache, ganz allein meine", sagt sie. "Und dieser Ort wäre?", fragt Lurie. "Dieser Ort ist Südafrika." Sie ist bereit, das Verbrechen an ihr als Ergebnis der Geschichte ihres Landes zu begreifen, als "Preis, den man zahlen muss, um bleiben zu dürfen". Dieser Haltung kann sich David Lurie nicht anschließen. Er kämpft gegen das Verhalten seiner Tochter an und entfremdet sich darüber immer mehr von ihr. Er, der einstige Liebhaber schöner Frauen, findet, bevor er endgültig nach Kapstadt zurückkehrt, um in seiner mittlerweile ausgeraubten Wohnung zu hausen, eine Aufgabe im Einschläfern und Entsorgen herrenloser Hunde und beginnt ein Verhältnis mit der extrem unattraktiven Leiterin des Tierheimes. Doch vielleicht findet er gerade hierin erstmals so etwas wie eine Antwort.

Coetzees Duktus ist lapidar, lakonisch, geradlinig und schnörkellos. Die kurzen, beinahe nur mitteilenden Sätze im Präsens des auktorialen Erzählers und die überaus präzisen Dialoge offenbaren eine bedeutsame und bedrohlich anwachsende Szenerie in einem Land, wo zwar der Rassismus nicht mehr in der Verfassung, aber immer noch in den Köpfen seiner Bewohner reagiert.

"Schande" ist ein äußerst realistischer, schmerzhaft deutlicher Roman bar jedweder Sentimentalitäten, der gerade durch die Mittel der Reduktion eine ungeheure Wirkung auf den Leser ausübt. Coetzee hat kein tröstliches sondern eher ein beunruhigendes aber großartiges Werk über die südafrikanische Realität nach dem Fall der Apartheid geschrieben - ein Meisterwerk!

(Heike Geilen; 09/2009)


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