Enea Silvio Piccolomini: "Ich war Pius II."

Memoiren eines Renaissancepapstes


"Und ich weiß nicht, ob irgend jemand sonst je das Glück zuteil geworden ist, Sekretär bei zwei Päpsten, einem Kaiser und einem Gegenpapst werden zu können. Denn Enea hat dieses Amt [...] nicht nur dem Namen nach, sondern tatsächlich übernommen." (Seite 25)

Ein eitler Humanist auf dem Stuhl Petri

Der spätere Papst Pius II. (1405-1464) hätte an Visitenkarten große Freude gehabt: Enea Silvio Piccolomini gilt als der Renaissancepapst schlechthin. Schon vor der Priesterweihe, als hochgelehrter Dichter, Humanist, vor allem als gewiefter Diplomat und Politiker, aber auch als Lebemann und Genießer ("Ich habe mir an Venus den Überdruss geholt") bereiste er in erstaunlich kurzer Zeit große Teile Deutschlands und Italiens, kam bis nach Schottland und hielt sich oft in Österreich am Hofe Friedrichs III. auf. Kleriker wurde er dann im reifen Mannesalter von 42 Jahren.

Seine Commentarii, die Memoiren, die in der Auswahl des Übersetzers Günter Stölzl erstmals in deutscher Sprache vorliegen, zeigen einen hochgebildeten Menschen, dessen größtes Interesse es war, zu vermitteln und zu verhandeln. Anlass dafür gab es genug. Zu seinen Lebzeiten, wenn auch vor seinem sechsjährigen Pontifikat, wurden große Teile Mitteleuropas von den Hussiten verwüstet, endete der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England, fiel Konstantinopel an die Türken. In der Walachei herrschte Johann Vlad Dracula, in Deutschland erfand Gutenberg den Buchdruck.

Es wundert also nicht, dass die Memoiren, von denen nur das erste der zwölf Bücher der Zeit vor der Wahl zum Papst gewidmet ist, von den Namen der bedeutendsten Persönlichkeiten des 15. Jahrhunderts geradezu wimmeln – mit fast allen hatte der spätere Papst in der einen oder anderen Weise zu tun; dem Kaiser Friedrich II: organisierte er zum Beispiel die Reise seiner Braut Eleonore von Portugal nach Österreich, an der Wiener Universität hielt er Vorlesungen über antike Dichter und beeinflusste so die Entwicklung des deutschen Humanismus. Auch der Aufbau seiner Memoiren zeugt von der Vielgestalt des Gelehrten. Wo immer er über ein politisches Ereignis berichtet, lässt er historisches, literarisches und naturwissenschaftliches Wissen über die beschriebenen Menschen und Landschaften einfließen. Viele von ihm berichtete Fakten - auch viele Vorurteile - zählen bis heute, nach 550 Jahren, zur Allgemeinbildung.

Ohne einen gewissen Opportunismus hätte er freilich seine Karrieren nicht geschafft. Als Sekretär eines Kardinals während des 18-jährigen Basler Konzils (1431-1449) vertrat er eine Beschneidung der päpstlichen Autorität, als Papst strebte er schließlich nach deutlich größerer Entscheidungsgewalt in allen kirchlichen und weltlichen Belangen. Dazwischen liegt das Kernstück seiner Memoiren, die sehr bewegte Papstwahl mit massiven Einschüchterungen, versuchter Bestechung und gescheitertem Wahlbetrug. Hier zeigte der Papst in seinen Aufzeichnungen auch heftige Emotionen, vor allem größte Abscheu.

Der Übersetzter Günter Stölzl, ein pensionierter Lateinlehrer aus Augsburg, wählte aus den Commentarii nicht nur jene Passagen aus, die deutschsprachige Leser am ehesten interessieren dürften, also Beschreibungen von Orten und Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er arbeitete auch gekonnt die drei selbstgewählten Hauptaufgaben von Papst Pius II. - Sicherung der weltlichen Macht des Kirchenstaates, Reform der römischen Kurie und den Aufruf zu einem Kreuzzug gegen die Türken - heraus. Die zeitgemäße, neutrale Sprache der Übersetzung lässt den Humanisten auf dem päpstlichen Thron plastisch und ohne künstliche Antiquiertheit wiedererstehen.

Nur eine Zeittafel mit den wichtigsten historischen Ereignissen des 15. Jahrhunderts, vielleicht auch eine Landkarte mit den zahlreichen Reisen des Diplomaten, Sekretärs und Papstes und ein kommentiertes Personenregister am Ende des Bandes, hätten die Lektüre etwas erleichtert.

(Wolfgang Moser; 07/2008)


Enea Silvio Piccolomini: "Ich war Pius II. Memoiren eines Renaissancepapstes"
Ausgewählt und übersetzt von Günter Stölzl.
Sankt Ulrich Verlag, 2008. 447 Seiten.
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Noch ein Buchtipp:

Arnold Esch: "Landschaften der Frührenaissance. Auf Ausflug mit Pius II."

Die Reisen, Ausflüge und Fernblicke des Humanistenpapstes Pius II. (1458-1464), in seinen autobiografischen "Commentarii" häufig von ihm selbst beschrieben, sind ein charakteristischer Zug dieses originellen Mannes, auch wenn bisweilen unterstellt worden ist, dass seine Naturschilderungen nicht selbst empfunden, sondern stellenweise aus antiken Schriftstellern abgeschrieben seien. Doch bestätigen die zahlreichen in diesem Band ausführlich verwerteten Briefe seines Gefolges, wie sehr es den Papst in die Landschaft zog: heiteres Speisen im Grünen, Mittagsschlaf an schattiger Quelle, Aktenstudium in den Bergwäldern des Monte Amiata, Aufsuchen antiker Ruinen unter dichter Vegetation, bescheidene Unterkunft - ein unmittelbares Zeugnis für das Lebensgefühl der italienischen Frührenaissance, die auch in ihrer Landschaftsmalerei die Natur neu wahrnahm. Die griechische Inselwelt, heute ein vielbesuchtes Reiseziel, fand in Reiseberichten lange Zeit wenig Beachtung, zumal die Route der Jerusalempilger an der Ägäis vorbeiführte. Erst im 15. Jahrhundert betreten italienische Reisende auch ohne politische oder kommerzielle Absichten diesen Raum und berichten darüber: stehen auf einsamer Insel staunend vor griechischen Statuen, verfolgen antike Stadtmauern durch unwegsames Gelände, entziffern erstmals griechische Inschriften, suchen nach Troja und Homers Grab. Sie sprechen vom Rauschen des Windes in den Büschen auf weiten Ruinenfeldern, schildern Begegnungen mit Bauern und Kaufleuten und die Gefahren der Seefahrt zwischen Klippen und Korsaren. Schafe lagern im Schatten verfallener Tempel, verwilderte Haustiere auf aufgegebenen Inseln, versandete antike Häfen, ländliche Volksfeste, Thymian und Honig auf Kreta. Eine kurze, intensive Begegnung, bis die türkische Eroberung die Inselwelt weitgehend verschloss. (C.H. Beck)
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