Gerald Reischl: "Die Google-Falle"

Die unkontrollierte Weltmacht im Internet


"Die Welt ist eine Kugel, sie sollte keine Google werden."
(Gerald Reischl in "Die Google-Falle")

Eine Abfrage zum Begriff "Google", eingegeben in die gleichnamige Suchmaschine, führt zu etwa 2 Milliarden Treffern. Vor zehn Jahren war diese Wortkreation noch gänzlich unbekannt. Heute besitzt "Google" einen Bekanntheitsgrad und eine weltweite Marktpräsenz wie "Microsoft". Grund genug, sich mit der Entwicklung und Bedeutung des 1998 von Larry Page, Sergey Brin und Eric Schmidt gegründeten Unternehmens zu beschäftigen.

Gerald Reischl beschreibt nicht den grandiosen Aufstieg einer Garagenfirma zum Weltkonzern, sondern setzt sich, wie der Buchtitel erwarten lässt, kritisch mit dem Unternehmen auseinander. Er möchte nach eigenem Verständnis "zur Bewusstseinsbildung beitragen und aufzeigen, in welchem Zwiespalt Internet-Nutzer leben, welche Versäumnisse Europa gemacht hat und worauf wir achten sollten, wenn wir das Internet für unsere Zwecke nutzen wollen." Wird er diesem Anspruch gerecht?

Im ersten Kapitel ist von Kritik noch nicht viel zu spüren. Autor Reischl beschreibt eine paradiesische Unternehmenskultur, wie sie in Europa unbekannt ist. Bei der im kalifornischen Mountain View ansässigen Firmenzentrale handelt es sich um einen farbenfrohen, lustigen und liberalen Tummelplatz der Kreativität, in dem nicht nur die Verpflegung kostenlos ist, sondern der Mitarbeiterschaft darüber hinaus zahlreiche Services angeboten werden. "Google" ist heute ein Elite-Unternehmen, welches wie ein Magnet qualifizierte junge Leute anzieht. Einzig der Hinweis auf "viele Zahnbürsten in den Regalen" macht deutlich, dass in der Firmenzentrale ein hohes Maß an Engagement erwartet wird. Aber ist das bei jungen erfolgreichen Firmen ungewöhnlich?

Die Informationspolitik untersucht Reischl im zweiten Kapitel. Es kommt vor, dass Interviews kurzfristig abgesagt werden, nicht alle Informationen über die Firma publiziert werden und Statistiken und Grafiken vor Veröffentlichung auf Linie gebracht werden. Dies mag im Widerspruch zur Regenbogenwelt der Firmenzentrale stehen, aber sicher nicht im Widerspruch zu Geflogenheiten großer Konzerne. Welche Firma lässt sich schon in die Karten schauen?

Der Marktanteil von "Google" beträgt in Westeuropa etwa 90 Prozent. Wie ist diese Dominanz begründet? Die Unternehmenskultur kann daran nur einen kleinen Anteil haben. Einen größeren Anteil des Erfolges darf Larry Page für sich verbuchen, dessen Methode "PageRank" die Rangordnung der Suchergebnisse steuert. Durch diesen Algorithmus werden unter anderem Datenquerverbindungen ausgewertet zwecks Auflistung der Suchergebnisse in der Reihenfolge ihrer Bedeutung. Natürlich stößt eine solche Methode an ihre Grenzen, jedoch gibt der Erfolg "Google" bislang recht. Hinzu kommen eine einfach strukturierte Suchmaske, ein übersichtliches Erscheinungsbild und eine hohe Anzahl indizierter Webseiten.

"Google" lebt, wie die gesamte Werbebranche, von Kundeninformationen. Sämtliche Suchergebnisse werden gespeichert und werbewirksam verarbeitet. So braucht es niemanden zu wundern, dass bei einer Suche nach "Wien" auf der Ergebnisseite zahlreiche Angebote über Wien aufgelistet werden.

Das "Google"-Glossar im hinteren Teil des Buches veranschaulicht die vielen Dienste, die der Konzern mittlerweile weltweit eingeführt oder aufgekauft hat. Dazu gehören der Werbedienst "Google AdSense", das Kleinanzeigenportal "Google Base", der E-Mail-Dienst "Gmail", das Videoportal "YouTube" und der digitale Globus "Google Earth", um nur ein paar Beispiele zu nennen. Bezogen auf das Internet ist "Google" heute eine Weltmacht. Und hierauf bezieht sich die Kritik von Gerald Reischl.

"Google" agiert international als Werbekonzern auf der Basis von Daten, die 800 Millionen Anwender dem Konzern im Zuge der Nutzung zahlreicher Gratisdienste bereitstellen. Gespeichert und ausgewertet werden nicht nur Suchbegriffe, sondern auch Informationen über die Nutzer selbst, soweit diese ihre Daten zur Verfügung stellen. Wer Internetdienste nutzt, bei denen eine Anmeldung mit Benutzerkennung und Passwort erforderlich ist, sollte sich darüber im Klaren sein, dass diese personenbezogenen Daten ausgewertet und vermarktet werden können. Dies gilt prinzipiell für alle Onlinedienste. Unterschiede zu "Google" bestehen in quantitativer und qualitativer Hinsicht. "Google" verfügt über mehr Informationen als andere Internetfirmen, deckt mit seinen Diensten unterschiedlichste Bereiche ab und ist in der Lage die Daten miteinander zu verknüpfen. Hier lauert die reale Gefahr für den Nutzer, gläsern zu werden - 1984 war gestern. So können zum Beispiel (personenbezogene) Nutzerdaten aus verschiedenen Diensten verknüpft und geografisch verortet werden.

Wie verhält es sich mit dem Datenschutz in "Google"? Ist es vertretbar, dass ein Konzern weltweit Nutzerinformationen sammelt, auswertet und damit den innerstaatlichen Datenschutz ad absurdum führt? Die Daten werden zwar freiwillig abgegeben, jedoch muss bezweifelt werden, dass jedermann sich bewusst ist, was mit seinen Daten passiert bzw. passieren kann. Auch wenn es ursprünglich nicht beabsichtigt war: Ein Zugriff von staatlicher Seite ist nicht ausgeschlossen. Gerichte haben schon oft die Herausgabe von Daten verfügt, um Straftaten nachweisen zu können. Das Internet ist schnelllebig. Man weiß nie, wer in Zukunft im Besitz der Daten ist. Dies sind selbstverständlich Probleme, die nicht nur "Google", sondern alle Onlinedienste betreffen.

Fazit:
Ich halte das Buch nicht für spektakulär, aber für wichtig. Autor Reischl sensibilisiert die Öffentlichkeit für ein in den vergangenen Jahren vernachlässigtes Thema, nämlich den Datenschutz. Der allzu sorglose Umgang mit persönlichen Daten birgt Gefahren, wie schon manch ein Stellenbewerber erfahren musste, der seine Fetenerlebnisse - nichts Böses ahnend - im Internet publiziert hat. Es ist schon erstaunlich, wie sich das Bewusstsein der Bevölkerung hinsichtlich von Fragen des Datenschutzes in den vergangenen 25 Jahren gewandelt hat. In den 1980'er-Jahren wurde noch gegen die Volkszählung demonstriert.

"Google" dient als Paradebeispiel für die neue Macht im Internet. Dabei richtet sich Reischls Kritik punktuell gegen "Google", ohne hinreichend deutlich zu machen, dass im Internet - auch ohne "Google" - zahlreiche Gefahren lauern.

In einem Interview bringt Gerald Reischl zum Ausdruck, dass sein Buch für ganz normale Internet-Nutzer gedacht ist und nicht für IT-Experten. Dem stimme ich zu. Im Hinblick auf die Aufmachung des Buches hätte ich auch nichts Anderes erwartet. IT-Fachleuten empfehle ich das Buch nicht. Sie werden über den einen oder anderen Fehler stolpern und in der Summe nicht viel Neues erfahren. Internet-Nutzer, die sich noch nie viele Gedanken darüber gemacht haben, was bei der Nutzung des Internets im Hintergrund passiert oder passieren kann, werden durch das Buch leicht verständlich informiert.

(Klemens Taplan; 04/2008)


Gerald Reischl: "Die Google-Falle. Die unkontrollierte Weltmacht im Internet"
Ueberreuter, 2008. ca. 208 Seiten.
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Gerald Reischl wurde 1965 geboren. Studium der Publizistik. Lien zur Netzpräsenz Gerald Reischls: http://www.reischl.com.

Lien: http://www.googlefalle.com