Roland Freisitzer im Gespräch mit Michael Dangl über dessen Romanerstling "Rampenflucht"


Roland Freisitzer: Michael, du bist Schauspieler, "Rampenflucht" ist dein erster Roman. Er beschäftigt sich mit dem Theater. Was hat dich dazu veranlasst, einen Roman wie "Rampenflucht" zu schreiben, der damit beginnt, dass der Protagonist sich dem Thema des Romans, also dem Theater, verweigert?

Michael Dangl: Das war ein fast unwillkürlicher Vorgang. Ich saß in der Aufführung bei Einlass auf der Bühne und spielte einen Schauspieler, der schreibt. Ich habe das begonnen zu schreiben, was die Figur in dem Moment schreiben würde, ohne Absicht, ohne Zweck, ohne im Mindesten daran zu denken, dass ein Buch daraus werden würde. Das kam dann in den weiteren Wochen, in denen ich zuhause und an anderen Orten weiterschrieb. Als hätte ich die Wut, die Verzweiflung und die Liebe der Figur zu seinem Beruf in der Hand und würfe sie in den folgenden Wochen aufs Papier. Es war wirklich ein beinahe rauschhafter Vorgang, einzig durch die Droge des Spielens und des Schreibens.

Roland Freisitzer: Warum ein Roman?

Michael Dangl: Es ist gar keiner. Das Buch entzieht sich jeder Kategorisierung. Am ehesten ist es ein Pamphlet mit Geschichte. "Ein Nachspiel" nannte ich es, um den Verdacht einer Autobiografie abzuwehren, um den literarischen Charakter des Buches zu unterstreichen.

Roland Freisitzer: Der Name deines Protagonisten ist einem Theaterstück von Gabriel Barylli entlehnt. Warum hat gerade dieser Protagonist deinen Schreibdrang ausgelöst? Was haben dein Stefan Kowalsky und Gabriel Baryllis Stefan Kowalsky gemeinsam, oder besteht die Verbindung nur im entlehnten Namen?

Michael Dangl: Wie im Märchen man auf einmal den Knopf drückt oder das Wort sagt, das alle Türen öffnet. Kowalskys Mut hat mich angesteckt, könnte man auch sagen. Mein Kowalsky geht von dem des Stückes aus und verselbstständigt sich total. Gemeinsam ist ihnen der Beruf und der Eklat, den sie begangen haben.

Roland Freisitzer: Der Protagonist verweigert sich während einer Aufführung dem hustenden, unruhigen Publikum. Er kündigt seine Wohnung, sein Handy, seine Versicherungen usw., warum so endgültig? Wie sehr ist diese Vorgangsweise mit deinen eigenen Wünschen verbunden?

Michael Dangl: Weil Kowalsky mit Haut und Haar dem Theater verfallen ist, bedeutet seine Loslösung davon automatisch eine Auslöschung seines gesamten bisherigen bürgerlichen Daseins. Ich selbst glaube nicht sehr an ein Zuhause, besonders in diesem Beruf ist es schwer, daran zu glauben. Ich halte es wie Kafka für "eine unschuldige Selbsttäuschung, dass die Menschen in Häusern schlafen". Was wissen wir denn über die momentane Stunde hinaus?

Roland Freisitzer: Die Hassliebe zum Theater erlaubt es dem Protagonisten am Ende, in eine möglicherweise versöhnliche Zukunft zu sehen. Könntest du dir ein Leben ohne Theater vorstellen?

Michael Dangl: Ich habe es noch nicht versucht. Frage einen Fisch, was er vom Spazierengehen hält. Zum Glück gibt es Formen außerhalb des Theaters, den Beruf auszuüben. Ich meine den Film. Das mache ich jetzt vermehrt. Ich will das Theater nicht verlassen, aber vielleicht muss ich mich ein wenig davon entfernen, um es dann wieder besser zu sehen. Wie man von einem Gemälde ein paar Schritte weggeht, an dem man malt, um sich dann wieder in seinen Rachen zu werfen, den geliebten und gebrauchten.

Roland Freisitzer: Schreibst du bereits, oder wirst du weitere Prosa, bzw. Romane, Erzählungen schreiben?

Michael Dangl: Es ist was im Entstehen, zur Hälfte gibt es das bereits, ein ganz anderes Genre, ein anderer Ton, eine andere Musik. Geschrieben habe ich ja immer, aber eine Veröffentlichung in diesem Umfang gab es bis jetzt noch nicht. Es gibt ein Theaterstück, das ich zusammen mit meinen Eltern, Schauspielern und Theaterleitern geschrieben habe, und das der Thomas Sessler Verlag betreut. Ein großes deutsches Theater bemüht sich gerade um eine Produktion davon. Und erst einmal bin ich aufgeregt, dass die "Rampenflucht" in die Welt hinausgeworfen wird. Ich will beim Schreiben völlig frei von Absicht sein, von Zweck, von Spekulation. Schreiben gehört für mich zum Ehrlichsten, was man tun kann, ehrlicher wahrscheinlich als das Sprechen. Ehrlich wie sonst nur lieben und geboren werden und sterben und töten. Eine durch und durch existenzielle Sache ...

Roland Freisitzer: Danke für das Gespräch.


Dieses Gespräch wurde im August 2010 geführt.