"Vielleicht habe ich Glück gehabt"

R: Käthe Kratz
Österreich 2002


"Kein Mensch verlässt leichtfertig seine Heimat" postuliert die österreichische Regisseurin Käthe Kratz in ihrer einfühlsamen Dokumentation über die Schicksale von sieben Flüchtlingen. Das Thema könnte in einer Zeit, in der reiche Staaten panikartig ihre Grenzen verriegeln, passender nicht sein. Lucie, Lore und Anne waren die Kinder jüdischer Eltern aus Österreich, die von diesen 1938/1939 nach England verschickt wurden, um dem sich anbahnenden Desaster im Deutschen Reich zu entkommen. Die drei Mädchen kamen mehr oder weniger gut bei Pflegefamilien unter, und lernten sich in die neue Umgebung zu integrieren. Trotzdem entstanden Wunden, die bis heute nicht verheilt sind.

Ikram gehört einer ethnischen Minderheit in Äthiopien an, die deshalb verfolgt wurde. Vor einigen Jahren kämpfte sie sich nach Wien durch. Moussa entfloh einer trostlosen Zukunft in Marokko. Nach einer harten Kindheit, Vergewaltigungen und schweren Verletzungen in der Hölle des Krieges zwischen Äthiopien und Eritrea verließ Elfinesh ihre Heimat, um irgendwo etwas Glück zu finden. Roman schließlich war in Moldawien seines Lebens nicht mehr sicher, weil er Zeuge einer Gewalttat wurde, in die auch korrupte Polizisten verwickelt waren, die ihn zum Schweigen bringen wollten. Dass die vier Jugendlichen in Österreich bleiben können, ist noch keinesfalls gesichert.

Alle diese vier Flüchtlinge mit traurigen Vorgeschichten haben sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht. Sie vermissen ihre Familien und FreundInnen, fühlen sich isoliert und haben Angst. Käthe Kratz zeigt ihnen Videoaufnahmen von ihren Liebsten, was die vier jungen Menschen tief bewegt und ahnen lässt, wie groß das Heimweh ist. Mit den nunmehr alten Damen Anne, Lucie und Lore kehrt Kratz an jene Stätten zurück, die ihnen in ihrer Kindheit Schutz vor dem NS-Regime boten. Viele Erinnerungen werden wieder wach, bringen jene vergangenen Tage massiv ins Jetzt zurück.

Die Regisseurin versteht es gekonnt, die Schicksale von sieben Menschen, die wohl zu unterschiedlichen Zeiten, jedoch aus ähnlich traurigen Gründen verfolgt wurden, zu verknüpfen. Intoleranz, Hass und Gewalt führten zu diesem entscheidenden Einschnitt in ihrem Leben. In berührenden Einzelinterviews lassen die ProtagonistInnen uns an ihrem Schicksal ein wenig teilhaben und machen es damit hoffentlich zumindest einigen möglich, Vorurteile gegen Menschen auf der Flucht zu revidieren. Empfehlenswert.

(ama; 01/03)