"Big Fish"
R: Tim Burton
D: Albert 
Finney, Ewan McGregor, Jessica Lange, Helena Bonham Carter, Danny DeVito
USA 
2003
Ein märchenhafter Film, 
der die Frage aufwirft: Ist das Leben ein Traum oder der Traum ein Leben? 
Objektivität erscheint dabei als die eigentliche Illusion.
Märchenerzählen 
ist eine kulturelle Ressource, die unser aufgeklärter Verstand immer mehr zum 
Versickern verurteilt. Dabei bergen fantastische Geschichten so viel an 
Schönheit und Tiefgang; nicht nur für Kinderseelen, sondern gerade auch für 
Erwachsene. Das träumerische Element im Alltag muss daher wieder imaginatives 
Grundnahrungsmittel werden; auch im Film. Regisseur Tim Burton hat diese 
"ökologische Nische" erkannt. Er nahm sich das Buch "Big Fish" von Daniel 
Wallace zur Hand und adaptierte den Roman leinwandfüllend. Was dabei herauskam, 
ist gut geeignet, die scheinbar so rationale Realität zu 
hinterfragen.
Es war einmal ... im Staate Alabama die kleine Stadt Ashton. 
Dort lebte ein gar ungewöhnlicher Mann - Edward Bloom (in jungen Jahren von Ewan 
McGregor dargestellt). Alles, was er anfasste, gelang ihm aufs Beste. Edward war 
ein As im Football, im Baseball, im Basketball, der Held der örtlichen Feuerwehr 
und sogar ein begnadeter Erfinder. Als eines Tages der Riese Karl (Matthew 
McGrory) die Idylle des Städtchens bedroht, fasst Mr Bloom allen Mut zusammen 
und stellt sich dem Koloss. Geradezu metaphorisch schließen sie Freundschaft und 
verlassen Ashton gemeinsam. Beide waren zu groß für diese enge, heile Welt, 
beide sind zu große Fische im zu kleinen Teich.
Edwards Wanderschaft 
führt ihn einmal "zu früh", ein andermal "zu spät" in das verzaubert wirkende 
Dorf Spectre, verborgen irgendwo hinter den Sümpfen und Mangroven. Dort stößt er 
auf den verkannten Poeten Norther Winslow (Steve Buscemi), der später Banken 
überfällt und an die Wall Street geht. Er lernt die 8-jährige Jenny kennen, die 
sich kindlich in ihn verliebt, und er beobachtet eine geheimnisvolle Nixe - mit 
einem Wort, Spectre ist so viel lebendiger als das verklemmte Ashton. Aber ist 
Spectre (engl. "Gespenst") ein realer Ort oder nur ein imaginärer Punkt auf 
Edwards Landkarte der Fantasie?
Wie dem auch sei, Edward Bloom verlässt 
das von der Welt abgeschottete Paradies und zieht mit Karl weiter. Sie treffen 
auf einen Wanderzirkus, dem sie sich anschließen. Wenn Edward nicht gerade 
Stöckchen für einen verspielten Werwolf wirft, arbeitet er umsonst für den 
zwergenhaften Zirkusdirektor Amos (Danny DeVito). Einzige Bedingung: Monat für 
Monate muss ihm dieser ein Geheimnis über Sandra (Alison Lohman/Jessica Lange) 
verraten, das schönste Mädchen, das unser Held je sah. Er erfährt von ihrer 
Liebe für gelbe Narzissen, erhält ihren Namen und Wohnort. Schließlich bricht er 
auf, um sie zu freien. Natürlich wird auch mit ihr ein Märchen wahr.
Als 
Edward Bloom (im Alter von Albert Finney dargestellt), krebskrank, im Sterben 
liegt, tischt er seinem Sohn Will (Billy Crudup) und dessen Frau erneut all 
diese Geschichten auf. Der Filius ist wütend, weil er nicht an diese 
vermeintlichen Münchhausiaden 
glaubt. Er will endlich Ehrlichkeit von seinem Dad, er verlangt nach 
Fakten.
Er soll sie erhalten: Will wird aber mit einer Realität 
konfrontiert, die so gar nicht seiner Erwartungshaltung entspricht. Sie ist 
vielschichtiger, träumerischer, bunter als seine Ratio gewähren ließe. 
Beeindruckend: Jene Szene, in der Will seinem Vater den letzten Wunsch erfüllt, 
die finale Geschichte aus dessen Leben selbst erzählt.
"Big Fish" ist 
einer jener Filme, die bis in die kleinste Nebenrolle, hervorragend gecastet 
sind. Der Brite Albert Finney (bekannt als Anwalt in "Erin Brockovich") mimt den 
moribunden Märchenerzähler aus den Südstaaten mit viel Esprit und Sympathie. 
Oscar-Preisträgerin Jessica Lange ("Tootsie") brilliert als zeitlose Schönheit, 
der man jederzeit abnimmt, dass ihr Nixenflossen wachsen könnten. Helena Bonham 
Carter ("Fight Club") zeigt sich wandlungsfähig: Mal zerzauste Hexe mit 
Glasauge, mal smarte "Hausbesetzerin". Schier unglaublich: "Riese Karl" trotzt 
der Schwerkraft auch im Dasein als Matthew McGrory stattliche 2,40 Meter 
Körperhöhe ab. Last but not least, Danny DeVito, der schon als Pinguinmann in 
"Batman II" 
kongenial mit Tim Burton zusammengearbeitet hatte, ist einfach er selbst: witzig 
und durchtrieben.
"Big Fish" ist ein Streifen, der vieles beinhaltet. Es 
geht um das Sterben in Würde, um die Beziehung von Vater und Sohn, um die 
grenzenlose Freiheit der Fantasie; darum, dass die Wirklichkeit so real ist, wie 
der jeweilige Blickwinkel des Betrachters. Objektivität erscheint dabei als die 
eigentliche Illusion. Am Ende sitzt man von angenehmer Nachdenklichkeit erfüllt 
im langsam heller werdenden Kinosaal, lauscht im Abspann "Man of the Hour" von 
Pearl Jam und sinniert über die Titel großer Schreiber. Ist "Das Leben ein 
Traum" (Calderón de la Barca)  oder 
doch "Der Traum ein Leben" (Grillparzer)? Die Antwort bleibt offen 
...
(lostlobo; 04/2004)
Buchtipp:
Daniel 
Wallace: "Big Fish"
So einen Vater wünscht sich manch einer: Einen 
umwerfenden Abenteurer, der mit Tieren spricht und jeden Witz der Welt kennt. 
Eines Tages liegt der Held dann im Sterben, und sein Sohn muss sich die Frage 
stellen: Wer ist mein Vater wirklich? Aber warum sollte er die Wahrheit suchen, 
wenn die Fantasie noch viele Geschichten aus dem Leben des Vaters 
bereithält?
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