Adalbert Stifter


Ein bisweilen unterschätzter "Landschaftsgemäldeschreiber" aus dem Böhmerwald

"Ich bin oft von den Erscheinungen meines Lebens, das einfach war, wie ein Halm wächst, in Verwunderung geraten. Dies ist der Grund und die Entschuldigung, daß ich die folgenden Worte aufschreibe. Sie sind zunächst für mich allein. Finden sie eine weitere Verbreitung, so mögen Gattin, Geschwister, Freunde, Bekannte einen zarten Gruß darin erkennen und Fremde nicht etwas Unwürdiges aus ihnen entnehmen."
(Aus "Mein Leben" von Adalbert Stifter)


Adalbert Stifter wurde am 23. Oktober 1805 in Oberplan (heute Horní-Planá, Tschechische Republik) in eine Leinenweber- und Flachshändlerfamilie mit sechs Kindern geboren. Als Adalbert zwölf Jahre alt war, starb sein Vater bei einem Arbeitsunfall, wonach der Knabe von seinen Großeltern erzogen wurde. Stifter studierte in Wien Jura, versäumte jedoch die Abschlussprüfung - gerüchteweise war Prüfungsangst der Grund. Auch seine naturwissenschaftlichen Studien beendete er nicht.

Stifter verdiente einige Zeit lang mehr schlecht als recht seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer (u.a. unterrichtete er einen Sohn des Fürsten Metternich in Mathematik und Physik), bevor er Schulinspektor in Linz wurde. Zunehmend den Verlockungen von Speis und Trank erliegend (ergo: Leberzirrhose), früh enttäuscht von einer schwierigen Liebesbeziehung (siehe Buchtipp "Adalbert Stifters Liebespost. Von Liebesleid und Gattenglück", weiter unten) und in späteren Jahren an Depressionen leidend, heiratete Stifter anno 1837 die Modistin Amalie Mohaupt (1811-1883); die Ehe blieb kinderlos. Nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst verfasste Adalbert Stifter zahlreiche Erzählungen, welche u.a. die Hingabe des Schriftstellers an die Allgewalt der Natur bzw. deren Verschriftlichung zeigen. Ab etwa 1840 fand Stifter infolge Veröffentlichungen in Zeitschriften und Almanachen Anerkennung als Dichter, wenngleich nicht jedermann Gefallen an seinem Werk fand und findet. Beispielsweise verriss Friedrich Hebbel Stifters Roman "Der Nachsommer", und in Thomas Bernhards Roman "Alte Meister" musste Stifter sozusagen gleichermaßen Haare lassen.
Adalbert Stifter starb nach schwerer Krankheit am 28. Jänner 1868 an den Folgen eines in der Nacht von 25. auf den 26. Jänner selbst zugefügten Kehlschnittes in Oberösterreich. Offizielle Todesursache: "Zehrfieber infolge chronischer Atrophie".

Der 2003 unter der Regie von Kurt Palm entstandene Film "Der Schnitt durch die Kehle oder die Auferstehung des Adalbert Stifter" ist, wie übrigens auch gegenständlich rezensierte Biografie, "kein übliches, ehrfürchtig anbiederndes Dichterporträt":
"Regisseur Kurt Palm nimmt den Zuschauer mit auf eine spannende Reise ins 19. Jahrhundert, an Orte die uns eigentlich vertraut sind und die dem Dichter lieb und wert waren - in den Böhmerwald, wo er 1805 geboren wurde und seine ersten Lebensjahre verbrachte, nach Oberösterreich, wo er ins Gymnasium ging und später als Schulinspektor arbeitete, nach Triest, wo er endlich seinen Traum vom Meer erlebte und natürlich auch nach Wien, die ungeliebte Stadt der frühen Erwachsenenjahre - an all die Stationen die Stifters Leben durchlaufen hat, und Palm tut es auf seine Weise: er filmt, lässt sich filmen, schlüpft blitzschnell in Rollen des Lesers, Rezitators, Lehrers, Skeptikers, des Interviewers, Fotografen und nicht zuletzt - des Bewunderers." (Quelle: http://www.stifter-derfilm.at/)

Kurt Palm hat übrigens anno 1999 mit "Suppe Taube Spargel sehr sehr gut. Essen und Trinken mit Adalbert Stifter. Ein literarisches Kochbuch" ein Buch über Stifters exzessive Ess- und Trinkgewohnheiten publiziert:
"Auf der einen Seite haben wir es bei Stifter mit einem Schriftsteller zu tun, der zu Mittag sechs Forellen aß oder zu Suppe, Rindfleisch und Spargel auch noch ein Haselhuhn verspeiste, auf der anderen Seite predigte er in seinen Büchern Mäßigung und Verzicht. Zwischen der Person Stifter und seinem literarischen Werk klafft ein tiefer Riss. Obwohl die
Sekundärliteratur über Leben und Werk Adalbert Stifters mittlerweile fast ins Unüberschaubare angewachsen ist, fällt auf, dass einem so spannenden Thema wie dem Essen und Trinken bei Stifter bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Vielleicht liegt das auch daran, dass Stifter jahrzehntelang als biedermeierlicher 'Blumen- und Käferpoet' verkannt wurde, zu dem das Bild eines Menschen, der sich systematisch zu Tode fraß und auch dem Alkohol reichlich zusprach, nicht wirklich passen mochte. Kurt Palm geht der Frage nach, was Stifter wann, wo und wie gegessen hat, und widmet sich dabei auch Themen wie der Kulturgeschichte des Haselhuhns, der Bedeutung der Taube zu Stifters Zeiten oder den gesundheitlichen Auswirkungen des maßlosen Essens und Trinkens. Palm hat sämtliche Speisen nachgekocht bzw. nachkochen lassen und die Rezepte für literarisch-kulinarisch Interessierte entsprechend zusammengestellt." (Quelle: Löcker Verlag)


So wie es in der äußeren Natur ist, so ist es auch in der inneren, in der des menschlichen Geschlechtes. Ein ganzes Leben voll Gerechtigkeit, Einfachheit, Bezwingung seiner selbst, Verstandesmäßigkeit, Wirksamkeit in seinem Kreis, Bewunderung des Schönen, verbunden mit einem heiteren gelassenen Sterben, halte ich für groß: mächtige Bewegungen des Gemütes, furchtbar einherrollenden Zorn, die Begier nach Rache, den entzündeten Geist, der nach Tätigkeit strebt, umreißt, ändert, zerstört und in der Erregung oft das eigene Leben hinwirft, halte ich nicht für größer, sondern für kleiner, da diese Dinge so gut nur Hervorbringungen einzelner und einseitiger Kräfte sind, wie Stürme, feuerspeiende Berge, Erdbeben. Wir wollen das sanfte Gesetz zu erblicken suchen, wodurch das menschliche Geschlecht geleitet wird. Es gibt Kräfte, die nach dem Bestehen des Einzelnen zielen. Sie nehmen alles und verwenden es, was zum Bestehen und zum Entwickeln desselben notwendig ist. Sie sichern den Bestand des Einen und dadurch den aller. Wenn aber jemand jedes Ding unbedingt an sich reißt, was sein Wesen braucht, wenn er die Bedingungen des Daseins eines anderen zerstört, so ergrimmt etwas Höheres in uns, wir helfen dem Schwachen und Unterdrückten, wir stellen den Stand wieder her, daß er ein Mensch neben dem andern bestehe und seine menschliche Bahn gehen könne, und wenn wir das getan haben, so fühlen wir uns befriedigt, wir fühlen uns noch viel höher und inniger, als wir uns als Einzelne fühlen, wir fühlen uns als ganze Menschheit.

(Aus der an seine Kritiker, speziell Friedrich Hebbel, gerichteten Vorrede von "Bunte Steine" von Adalbert Stifter)


Das Gedenkjahr 2005: gewiss eine gute Gelegenheit, dem Schriftsteller unter dem beschaulichen "Biedermeier-Etikett" interessante Aspekte abzugewinnen.

(sandammeer)


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