Erich Kästner (1899-1974)

Erich Kästner wurde am 23.2.1899 als einziges Kind der Näherin, späteren Friseuse, Ida (1871-1951) und des Sattlermeisters und Fabrikarbeiters Emil Richard Kästner (1867-1957), soweit die damalige offizielle Sprachregelung, in Dresden geboren. (Kästners leiblicher Vater war nämlich angeblich der Hausarzt Sanitätsrat Dr. Emil Zimmermann, und die Ehe der Eltern soll eher unglücklich verlaufen sein.) Besonders hervorzuheben ist Erich Kästners wahrlich enge Bindung an die Mutter, die ihn außergewöhnlich aufopferungsvoll (vereinnahmend) liebte, was sein Frauenbild alles in allem problematisch geprägt und aus Kästner einen "Frauenhelden" gemacht haben dürfte. (Siehe auch Kästners Kindheitserinnerungen "Als ich ein kleiner Junge war", 1957.)

Ab 1906 besuchte der in ärmlichen Verhältnissen heranwachsende Erich Kästner die Volksschule in Dresden, ab 1913 das Freiherrlich von Fletscher'sche Lehrer-Seminar ebendort, da er zu jener Zeit aufgrund der Erzählungen von Untermietern, die als Lehrer arbeiteten, den trügerischen Wunsch hegte, selbst den Beruf eines Lehrers zu ergreifen.

1917 musste er seine Ausbildung unterbrechen, der Einberufung zum Militär Folge leisten und als Soldat am Ersten Weltkrieg teilnehmen. 1918 wurde er aus dem Heeresdienst entlassen und kehrte mit einem gravierenden Herzleiden heim. Nach Kriegsende schloss er zwar die Ausbildung am Strehlener Lehrer-Seminar ab, beabsichtigte jedoch nicht mehr, seinen Lebensunterhalt in weiterer Folge durch Unterrichten zu verdienen.

Erich Kästner bestand die Kriegsabiturprüfung an einem Dresdner Gymnasium mit Auszeichnung und erhielt das Goldene Stipendium der Stadt Dresden, wodurch er in der Lage war, an der Universität Leipzig (später auch in Rostock und Berlin) Germanistik, Geschichte, Theatergeschichte und Philosophie zu studieren. Im selben Jahr begann eine langjährige, vorwiegend über weite Distanzen geführte Romanze mit  Ilse Julius. Neben dem Studium arbeitete er ab 1922 als Journalist bei der "Neuen Leipziger Zeitung". In dieser Zeit begann er, Geschichten zu schreiben; anfangs für Kinder, später auch für Erwachsene. 1925 promovierte Erich Kästner mit dem Thema: "Die Erwiderungen auf Friedrichs des Großen Schrift 'De la littérature allemande', ein Beitrag zur Charakteristik der deutschen Geistlichkeit um 1780" zum Dr. phil.

1926 unternahm er in Begleitung seiner Mutter seine erste Auslandsreise nach Italien und in die Schweiz.
Im Beethoven-Gedenkjahr 1927 verlor Kästner aufgrund der damals als skandalös empfundenen Publikation des vermeintlich frivol-obszönen Gedichts "Du meine 9. Symphonie"/"Abendlied des Kammervirtuosen" seine Anstellung bei der "Neuen Leipziger Zeitung". Er übersiedelte nach Berlin, wo er als Theaterkritiker und freier Mitarbeiter bei einigen Zeitungen arbeitete.
Ab dem folgenden Jahr erschienen Kästners Gedichtbände: "Herz auf Taille" (1928), "Lärm im Spiegel" (1929), "Ein Mann gibt Auskunft" (1930), "Gesang zwischen den Stühlen" (1932), "Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke" (1936), "Kurz und bündig" (1948), "Die dreizehn Monate" (1955).
Überdies verfasste der emsige Schriftsteller, der sich für Demokratie und Frieden einsetzte, in politisch brisanten Zeiten treffsichere kabarettistische Texte. In gleichermaßen sozialkritischen wie satirischen Versen kommentierte Kästner den Berliner Alltag und scheute auch vor Bemerkungen zur Politik der Weimarer Republik nicht zurück.

1933 wurden einige Werke Kästners von den nationalsozialistischen Machthabern verboten und am 10. Mai 1933 verbrannt, er selbst wurde zweimal von der Gestapo verhaftet (1933 und 1937), verhört und wieder freigelassen - sein Anschreiben gegen spießbürgerliche Moral und Faschismus war der Obrigkeit ein Dorn im Auge und Stachel im Fleisch (z. B. der satirische Roman "Fabian. Die Geschichte eines Moralisten" aus dem Jahr 1931).
1939 starb Kästners Freundin, die Schauspielerin Herta ("Herti") Kirchner (3.9.1913-22.4.1939), bei einem Autounfall.
1942 wurde Erich Kästner von der "Reichsschrifttumskammer" mit totalem Schreibverbot belegt. Vom Schreiben abhalten ließ er sich freilich nicht: Er bediente sich einiger Pseudonyme, arbeitete eng mit anderen Schriftstellern zusammen oder fand alternative Wege (so sollen Kinderbücher seiner jeweils aktuellen Geliebten in Wahrheit seiner Feder entstammen) und blieb in Deutschland, schon der Mutter zuliebe. Seine Romane "Drei Männer im Schnee" (1934) und "Georg und die Zwischenfälle" konnten zu jener Zeit nur im Ausland erscheinen. Bizarres Detail am Rande: Seine Mitarbeit am Ufa-Film "Münchhausen" war anno 1942 erwünscht, und so verfasste Kästner aufgrund einer auf das Schreiben von Drehbüchern beschränkten Sondergenehmigung das Drehbuch - unter dem Pseudonym "Berthold Bürger". Im Jänner 1943 wurde das Schreibverbot abermals verschärft; es galt folglich für jegliche Veröffentlichung Kästners und wurde auch auf das Ausland ausgedehnt.

Im Jahr 1944 wurde Kästners Wohnung bei einem Bombenangriff zerstört, und er zog zu Luiselotte Enderle, die er bereits ein gutes Jahrzehnt zuvor in Leipzig kennen gelernt, und die er in Berlin wiedergetroffen hatte. Mit ihr lebte er nachfolgend "in wilder Ehe" zusammen. Doch war Luiselotte Enderle nicht die Mutter des im Dezember 1957 geborenen Sohnes Erich Kästners, Thomas: Diese Rolle kam Friedhilde ("Friedel") Siebert zu, der Kästner 1949 erstmals begegnete. Friedel Siebert zählte damals gerade 23 Jahre, das Verhältnis währte viele Jahre lang, und Erich Kästner pendelte weiterhin zwischen den Geliebten.
1944 fielen Kästners Freunde Erich Ohser und Erich Knauf einer Verhaftungswelle zum Opfer: Ohser beging in seiner Zelle Selbstmord, Knauf wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Im März 1945 reisten Kästner und Enderle, um sich in Sicherheit zu bringen, unter dem Vorwand der Mitarbeit zusammen mit einem Ufa-Filmteam nach Mayrhofen im Zillertal/Tirol.

Nach Kriegsende übersiedelten Kästner und Enderle nach München, wo unter Kästners Beteiligung das literarische Kabarett "Die Schaubude" gegründet wurde (1945); er selbst arbeitete als Feuilleton-Redakteur der "Neuen Zeitung". Nun war es endlich wieder möglich, in Deutschland zu schreiben und zu publizieren:
Ab 1946 gab Erich Kästner die Zeitschrift "Pinguin. Für junge Leute" heraus, und auch Romane und Kinderromane konnten wieder unter seinem Namen erscheinen.

1951 gründete er das Kabarett "Die kleine Freiheit" in München, seine Mutter starb in Dresden. Kästner wurde Präsident des Westdeutschen PEN-Zentrums (bis 1962).

Erich Kästner wurde für sein Schaffen mit zahlreichen Preisen geehrt, u. a. erhielt er 1950 den Bundesfilmpreis für "Das doppelte Lottchen", 1956 den Literaturpreis der Stadt München, 1957 den Georg-Büchner-Preis, 1959 das Große Bundesverdienstkreuz, 1960 die Hans-Christian-Andersen-Medaille des Internationalen Kuratoriums für das Jugendbuch, 1968 den Literaturpreis Deutscher Freimaurer ("Lessing-Ring"),1970 den kulturellen Ehrenpreis der Stadt München, 1974 die Goldene Ehrenmünze der Landeshauptstadt München. Er engagierte sich gegen atomare Aufrüstung und den Vietnam-Krieg.

1961 erkrankte Erich Kästner an Tbc, wiederholte Sanatoriumsaufenthalte in Agra im Tessin brachten keine anhaltende Besserung, am 29. Juli 1974 starb er an Speiseröhrenkrebs in München.

Luiselotte Enderle starb 1991.

Erich Kästners Kinderromane sind zu Klassikern geworden: "Emil und die Detektive" (dieses Buch machte ihn 1928 berühmt), "Pünktchen und Anton" (1930), "Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee" (1931), "Das fliegende Klassenzimmer" (1933), "Emil und die drei Zwillinge" (1934), "Die Konferenz der Tiere" (1949), "Das doppelte Lottchen" (1949), "Der kleine Mann" (1963), "Der kleine Mann und die Miß" (1967). Er schrieb auch Dramen, darunter "Zu treuen Handen" (1943), "Die Schule" (1956).

Am 9. Juni1975, im Jahr nach Kästners Tod, wurde die Erich Kästner Gesellschaft von Freunden des Autors in München gegründet. Die Gesellschaft verleiht in unregelmäßigen Abständen den "Erich Kästner Preis" für Literatur.
Bisherige Preisträger sind der Schriftsteller Peter Rühmkorf, Vicco von Bülow (Loriot) als satirischer Autor, der Schriftsteller Robert Gernhardt und Tomi Ungerer.


Buchtipps:

"Erich Kästner. Eine Biographie"
von Franz Josef Görtz und Hans Sarkowicz
"Das doppelte Lottchen", "Das fliegende Klassenzimmer", "Pünktchen und Anton" - wer kennt sie nicht, die großen Klassiker der Kinderliteratur? Doch wer war der Schriftsteller Erich Kästner, dessen umfangreiches Werk neben Romanen auch Essays und Gedichte umfasst? Franz Josef Görtz und Hans Sarkowicz zeichnen in ihrer reich bebilderten Biografie ein neues Bild dieses Mannes - in manchem überraschend anders, aber wahrhaftiger und sympathischer, als wir bisher geglaubt haben. (Piper)
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"Erich Kästner" von Isa Schikorsky
Erich Kästner (1899-1974) gehört gewiss zu den bekanntesten deutschsprachigen Autoren des Jahrhunderts, wird aber oft nur mit einem Teil seines Werkes wahrgenommen. In Kinder- und Jugendbüchern, Romanen, Theaterstücken und zahlreichen Gedichten und Epigrammen erwies er sich als scharf analysierender, von trockenem Humor geprägter und zutiefst humaner Beobachter im kleinen Welttheater Deutschland. (dtv)
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