Leseprobe:

(...) Ich will zusehen, wie du dich wäschst", sagte er. Sie war so verblüfft, dass sie nicht antworten konnte. Lange standen sie so einander gegenüber; ohne die Wimpern zu bewegen, hielt Ramose den Blick auf sie fixiert. "Mandulis sagt, dass du mich in die Liebe einführen sollst."
"Das hat er gesagt?" wiederholte sie, den Nacken ungläubig gebeugt. Dann begann sie zu lachen.
"Mandulis sagt, du bist eine Priesterin der Aphrodite. Stimmt das nicht?"
So sah sie der Ägypter also! Ihre nächtlichen Liebesspiele waren also nur ein geheiligter Austausch unter Priestern. Was hatte sie geglaubt? Dass Mandulis sich in sie verliebt hatte? Nein, für ihn war sie eine geweihte Prostituierte, so wie jene auf den Treppen der Artemis- und Aphroditetempel.
"Willst du mich nicht in die Liebe einführen?" fragte Ramose.
"Wie alt bist du?"
"Vierzehn Jahre."
Sie hatte kaum eine Wahl. Bei einer Weigerung bestand die Gefahr, dass Mandulis´ Hilfsbereitschaft darunter litt; ihr Asyl wäre gefährdet.
Bambus, Manguste, Tiger, in der Tat.
"Zieh dich aus", sagte sie schließlich.
"Ich?" fragte er überrascht.
"Um in die Liebe eingeführt zu werden, muss man nackt sein."
Er schien verstimmt. Dann zog er seine kurze Kutte aus, sein einziges Kleidungsstück. Sie betrachtete seinen Körper, der sich bereits von der Magerkeit eines Jünglings zur Muskulatur eines Erwachsenen entwickelte. Noch sah man seine Rippen, zwischen denen ein bläulicher Schimmer lag. Vor kurzem war er beschnitten worden; ein Ring, der ein wenig zu dunkel rosafarben war, die gerade zugeheilte Narbe, lag um seine Eichel. Langsam zog sie ihr Kleid aus. Ramose öffnete den Mund; seine Gesichtszüge spannten sich an, sein Penis richtete sich auf, und sein Atem wurde lauter. Sie trat auf ihn zu und rieb ihm den Penis. Er stieß einen Schrei aus, klammerte sich im Stehen an sie und drückte ihr schmerzhaft fest die Arme. Heftig rieb er sich an ihr und kam ein paar Augenblicke später zum Orgasmus. Delia war verblüfft.
"Wir haben noch nichts gemacht", erklärte sie sanft. Sie zog ihn zum Bett, und er legte sich auf den Rücken. Als sie sich neben ihm ausstreckte, nahm er sie in die Arme und küsste leidenschaftlich ihre Brüste. Sie nahm seine Hand und führte sie an ihr Geschlecht. Er war so überrascht, dass er sich unterbrach, um das Objekt seiner Untersuchung näher zu betrachten. Sie musste lachen. Kaum hatte sie ihm den selbstverständlichen Weg gezeigt, nahm er sie mit noch mehr Feuer in Besitz, als er gezeigt hatte, wie er sich an ihr rieb. Er stieß ein paar spitze, ekstatische Schreie aus, und sie betrachtete neugierig sein verzerrtes Gesicht. Mit einem langen Seufzer erreichte er seinen zweiten Orgasmus, dann ließ er sich keuchend und schweißglänzend auf sie fallen.
"Die Lektion ist noch nicht beendet", sagte sie.
Erstaunt öffnete er die Augen. Beim drittenmal kam nun sie zum Höhepunkt, mit dieser inneren Springflut, die von ihrem Geschlecht auszugehen schien, um darauf ihren Bauch, ihre Schenkel, ihre Brüste, ihre Zehen, ihre Arme, ihren Mund, ihren Kopf zu erfassen und sich schließlich auf die ganze Welt auszudehnen. Er war erschrocken über dieses animalische Beben, das er miterlebte, über diese Spasmen des Bauches, die aufgerichteten Brüste, das Keuchen. Trotz ihres körperlichen Rauschzustandes bemerkte sie es. Niemand hatte ihm also gesagt, dass auch die Frau der Lust unterworfen war; beinahe hätte sie darüber gelacht. Sie bebte noch, als er ihr, vermutlich verängstigt durch den Gedanken, seine Lehrmeisterin und die Gefährtin seines Bruders zu verlieren und schwer bestraft zu werden, die Hände auf die Brüste presste, um sie festzuhalten, während er sie noch besaß. Einige eher sanfte Bewegungen brachten ihn zum Erguss. Er kauerte sich über Delias Bauch, richtete seinen mageren Oberkörper dann wieder auf und stieß erneut ein Stöhnen aus, länger und leiser als das erste. (...)


(Aus dem Roman "Alexandria" von Gerald Messadié. Droemer Knaur. 1997. ISBN 3-426-19395-7.)
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