Oskar Marti: "Herbst in der Küche"

Ein Poet am Herd


Wer kennt nicht die Szene zwischen Kaiser Joseph II. und Mozart nach der Premiere von "Die Entführung aus den Serail", als Ersterer meint, die Oper sei recht hübsch, habe aber zu viele Noten. Mozart meint darauf, es seien gerade so viele Noten, wie es bedürfe. Und so geht es mir mit Oskar Martis "Herbst in der Küche". Auf den ersten Blick scheint es zu jeder Wildbeere oder -frucht zig Rezepte zu geben, und man fühlt sich leicht überfordert. Beschäftigt man sich jedoch näher mit dem Buch, so erkennt man das kochende Genie, welches dahintersteckt. 

Es handelt sich um ein Buch, welches uns zurückführt zur Natur und zum Rhythmus der Jahreszeiten. Viele in der Stadt wohnende Menschen werden einige der Zutaten gar nicht kennen, geschweige denn sie besorgen können. Aber jeder Mensch, der gerne auf das Land fährt und dort Wanderungen und Spaziergänge unternimmt, hat die Möglichkeit die Früchte und Beeren der Natur zu sammeln. Vorausgesetzt er weiß, wo diese Früchte zu finden sind, und er respektiert die Besitzverhältnisse der Bauersleute. 
Marti führt uns auf gleiche Weise durch die drei Herbstmonate September, Oktober und November. Am Anfang steht eine poetische Einstimmung auf den Monat. Darauf folgen die Früchte der Saison und was man alles aus ihnen machen kann. Zur Auflockerung sind Bauernregeln eingestreut: "Im Oktober der Nebel viel/ bringt dem Winter Flockenspiel" oder "Herrscht im Oktober zuviel Sonn',/ hat in der Fastnacht die Kält' ihr' Wonn'!" Also gut aufpassen, dann wissen wir, wie der Winter wird. Diesen Regeln folgt das Horoskop des jeweiligen Tierkreiszeichens und das Rezept für ein hervorragendes, mehrgängiges Geburtstagsdiner. Für die Jungfrau sieht es folgendermaßen aus: Kürbis-Sauerampfer-Terrine mit Hagebuttensauce, Maissuppe mit Pfifferlingen, Flunderfilets an Apfelweinsauce mit süß-sauren Preiselbeeren, Kalbsroulade mit Kräuterfüllung auf Getreiderisotto und als Dessert ein Zwetschgenparfait an Sanddornsauce. Klingt doch exotischer als jede ostasiatische Speisenfolge, oder nicht ... 
Nun folgt eine lange Liste der zu dieser Zeit reifenden Wildbeeren. Eberesche oder Vogelbeere, schwarzer Holunder, Sanddorn, Wacholder, Mehlbeere, Preiselbeere, Moosbeere, Schlehdorn, Mispel und Weißdorn werden zu Saucen, Gelees, Sirup, Schnaps, Sorbets, Kompott, Pies, Cremen, Marmeladen, Öl und Balsam, Wein und Likören verarbeitet. 
Beendet wird der Monat noch einmal mit einem verschwenderischen Herbstmenü, welches das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt: Pilz-Kürbis-Terrine mit Holunderchutney, Hagebuttensuppe mit Ringelblumenblüten, gebackene Brasse in Weinblättern mit Fenchel, Schweinefilet mit Haselnüssen und Salbei und als Dessert Rosmarinbirne mit Bitterschokoladensauce. 

Abschließend gibt Marti noch Tipps zum Sammeln und Aufbewahren von Wildpflanzen, und eine Erntetabelle erleichtert herauszufinden, welche Wildfrüchte, -gemüse und -kräuter zu welcher Zeit in der Natur zur Verfügung stehen. 
Mit seinen 247 Rezepten, gedruckt auf strukturiertem Papier, und den Illustrationen von Flavia Travaglini ist es ein gelungenes Kochbuch, welches sich deutlich von seinen Konkurrenten abhebt, da es einen Weg alternativer Qualität und Präsentation gegangen ist. 

(Ivan Kristianof; 10/2002)


Oskar Marti: "Herbst in der Küche"
AT-Verlag, 2000. 176 Seiten. 
ISBN 3-85502-880-X.
ca. EUR 26,90.
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