(...)
König

Was? Muß ich
So lang' um einen Tropfen Gift Euch bitten?

Domingo
Das Volk denkt an den Monat noch zurücke,
Der Eure königliche Majestät
Dem Tode nahe brachte - dreißig Wochen
Nach diesem liest es von der glücklichen
Entbindung -

(Der König steht auf und zieht die Glocke. Herzog von Alba tritt herein. Domingo betroffen.)
Ich erstaune, Sire!

König (dem Herzog Alba entgegen gehend)
Toledo!
Ihr seid ein Mann. Schützt mich vor diesem Priester.

Domingo (Er und Herzog Alba geben sich verlegne Blicke. Nach einer Pause)
Wenn wir voraus es hätten wissen können,
Daß diese Nachricht an dem Ueberbringer
Geahndet werden sollte -

König
Bastard, sagt Ihr?
Ich war, sagt Ihr, vom Tode kaum erstanden,
Als sie sich Mutter fühlte? - Wie? Das war
Ja damals, wenn ich anders mich nicht irre,
Als Ihr den heiligen Dominicus
In allen Kirchen für das hohe Wunder lobtet,
Das er an mir gewirkt? - Was damals Wunder
Gewesen, ist es jetzt nicht mehr? So habt
Ihr damals oder heute mir gelogen.
An was verlangt Ihr daß ich glauben soll?
O, ich durchschau Euch. Wäre das Komplott
Schon damals reif gewesen - ja, dann war
Der Heilige um seinen Ruhm.

Alba
Komplott!

König
Ihr solltet
Mit dieser beispiellosen Harmonie
Jetzt in derselben Meinung euch begegnen,
Und doch nicht einverstanden sein? Mich wollt
Ihr das bereden? Mich? Ich soll vielleicht
Nicht wahrgenommen haben, wie erpicht
Und gierig ihr auf euren Raub euch stürztet?
Mit welcher Wollust ihr an meinem Schmerz,
An meines Zornes Wallung euch geweidet?
Nicht merken soll ich, wie voll Eifer dort
Der Herzog brennt, der Gunst zuvorzueilen,
Die meinem Sohn beschieden war? Wie gerne
Der fromme Mann hier seinen kleinen Groll
Mit meines Zornes Riesenarm bewehrte?
Ich bin der Bogen, bildet ihr euch ein,
Den man nur spannen dürfe nach Gefallen? -
Noch hab' ich einen Willen auch - und wenn
Ich zweifeln soll, so laßt mich wenigstens
Bei euch den Anfang machen.

Alba
Diese Deutung
Hat unsre Treue nicht erwartet.

König
Treue!
Die Treue warnt vor drohenden Verbrechen,
Die Rachgier spricht von den begangenen.

(.....)


(aus "Don Carlos" von Friedrich Schiller)