Daniela Bunge: "Bist du mein Schatz?"

Wer bin ich? Wo komme ich her und wo gehöre ich hin? Existenzielle Fragen, die sich Kinder früher oder später zu stellen beginnen. Wie diese Fragen in einem hoffentlich geschützten familiären oder auch institutionellen (Kindergarten-) Rahmen und unter der Hilfestellung verständnisvoller und das Kind als Person achtender Erwachsener beantwortet oder weiterentwickelt werden, beeinflusst stark die Selbstbewusstwerdung des Kindes und die Entwicklung eines aufrechten, sich selbst und dann auch Andere wertschätzenden Charakters.

Obwohl Lines Eltern ihre Tochter oft "Schatz" nennen und sie sehr lieb haben, ist sie jedes Mal traurig, wenn sie sieht, wie ihre Eltern miteinander schmusen und einander zärtlich "Schatz" nennen.
Kann sie selbst nicht auch einen Schatz haben? Sie macht sich auf die Suche. Ihr Hund Poldi ist mit ihrem Stofftier beschäftigt, eine Schnecke, der sie im Garten begegnet, bezeichnet ihr Haus als ihren Schatz, und auch viele andere Tiere auf den nächsten Seiten des Bilderbuchs geben Tine ähnliche, sie immer wieder enttäuschende Antworten: Alle haben einen Schatz, nur Line nicht.

Da trifft sie einen alten Raben. Er lädt sie ein, sich mit ihm in die Zweige eines großen Baumes zu setzen. Dort sitzen sie für eine lange Zeit und schweigen mit geschlossenen Augen. Erst nach dieser Orientierung nach innen ist Line reif für den entscheidenden Satz des klugen und weisen Raben: "Du bist der Schatz."

Die Geschichte ist auf bezaubernde Art gezeichnet und erzählt und spricht Kinder direkt an. Sie behandelt ein schweres Thema: die Suche nach sich selbst.

Daniela Bunge ist ein erstaunliches Debüt gelungen. Man muss kein Prophet sein, um noch viele weitere schöne Bücher von ihr vorherzusagen. Dem Verlag ist zu dieser neuen Verpflichtung nur zu gratulieren. Er sollte sie zu weiteren sensiblen, die Entwicklung des Selbst der Kinder unterstützenden Büchern ermutigen.

(Winfried Stanzick; 02/2006)

Daniela Bunge: "Bist du mein Schatz?"
Residenz Verlag, 2006. 32 Seiten. (Ab 2 J.)
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Daniela Bunge, geboren 1973 in Zwiesel/Bayern, entdeckte ihre Liebe zur Illustration spät. Sie absolvierte erst ein Lehramtsstudium mit Hauptfach Kunst in Regensburg, bevor sie an der Fachhochschule Münster Illustration studierte. 2005 schloss sie ihr Studium ab und übersiedelte nach Berlin.