Helge Nyncke: "Säbelzahntiger & Bambusbär"

Ausgestorbene und bedrohte Tiere


"Zu allen Zeiten wurden Tiere von neuen, besser angepassten Arten abgelöst: Da erging es Dinosauriern wie dem Tyrannosaurus nicht anders als dem Säbelzahntiger und dem Urpferdchen oder - in neuerer Zeit - dem Beutelwolf" - ist auf der Buchrückseite u.a. zu lesen.

Helge Nyncke präsentiert in seinem für Kinder ab acht Jahren empfohlenen Buch folgende Tiere und ihren jeweiligen Lebensraum (soweit bekannt) in Wort und Bild auf jeweils einer Doppelseite:
Tiere der Vorzeit: Iguanodon, Tyrannosaurus, Brachiosaurus; Tiere der Urzeit: Riesenfaultier, Archaeopterix, Urpferdchen; Tiere der Steinzeit: Wollmammut, Säbelzahntiger, Höhlenbär; Tiere der Neuzeit: Wandertaube, Beutelwolf, Dodo; Tiere am Ende ihrer Zeit: Blauwal, Sibirischer Tiger, Panda.

Auf einer der ersten Buchseiten scheinen sich ein Mensch und ein Dodo, die knöcheltief im sonnenuntergangsfarbenen Meer stehen, angeregt miteinander zu unterhalten. Worüber? Vermutlich über den Rhythmus des Lebens, denn: "Wir sind nur Mitbewohner, aber nicht die Hausherren dieses Planeten."
Auf Seite 7 wird unter der Überschrift "Tiere der Vorzeit - das große Fressen" der Lebensraum der Dinosaurier beschrieben, die begleitende Abbildung zeigt ein frisch geschlüpftes Iguanodon, das sich von den Resten der Eierschale befreit. Anschließend werden die massigen Pflanzenfresser, die in Herden lebten, vorgestellt. "Vielleicht waren Iguanodons vielfarbig gezeichnet wie etwa Zebras oder Gazellen, (...) niemand weiß, ob Dinosaurier nur nackte Haut oder ein Fell trugen", merkt Helge Nyncke hinsichtlich des von ihm gewählten Aussehens der Tiergruppe (schnittiges Zickzackmuster in Tarnfarben) an, die sich inmitten üppiger Vegetation dem Fressen hingibt.
Die in düsteren Regenfarben gehaltenen Seiten 10 und 11 bedecken ein Tyrannosaurus mit bluttriefendem Maul und ein ausgeweidetes Beutetier, dessen Rippen empor ragen. "Als am Ende der Saurierzeit vermutlich ein Meteorit auf der Erde einschlug ..." - der Rest ist (eine) Geschichte.
Weiter geht es mit dem Brachiosaurus, den Helge Nyncke zur besseren Veranschaulichung der gigantischen Größe in Relation zu Elefanten setzt. Das abgebildete imposante Saurierpaar wird aus der Vogelperspektive gezeigt, wodurch die Riesenhaftigkeit betont wird. Libellen und weiße Flugsaurier im Jagdsturzflug lockern die Szene auf. Und warum starb der Brachiosaurus aus? "Wahrscheinlich gab es einfach nicht mehr genug zu fressen. Vielleicht, weil sich das Klima änderte und die Riesenbäume seltener wurden. Vielleicht entstanden auch neue Pflanzen, (...)"
Anzunehmen ist, dass sich nicht alle Kinder so einfach mit "vermutlich", "wahrscheinlich", "vielleicht" und "möglicherweise" begnügen werden, sondern genauere Informationen verlangen.

Kaum hat man umgeblättert, fällt der Blick auf ein tapsiges Urpferdchen, das, wie andere Säugetiere, nach dem großen Sauriersterben auf der Bildfläche erschien.
Die Seiten 16 und 17 ziert formatfüllend ein zotteliges Riesenfaultier, dessen lange Zunge Blätter von Zweigen streift. Über den Erdboden huschen eichhörnchenartige Kleinnagetiere. Der in Südamerika beheimatete gemächliche Pflanzenfresser verfügte aber nicht nur über eine ausnehmend lange Zunge, er besaß auch mächtige Krallen an den Vorder- und Hinterbeinen. Warum starb das Riesenfaultier aus? Der Buchtext nennt fleischfressende Raubtiere als Ursache.
Der als "Urvogel" bekannte Archaeopteryx, von Helge Nyncke mit schillerndem Gefieder in Gelb-, Blau- und Grüntönen dargestellt, verlockt zu Mutmaßungen über die Gründe der Ausbildung von Federn und das Fliegen an sich.
Auf den Seiten 20 und 21 begegnet man nochmals dem Urpferdchen, das, wie der Buchtext u.a. verrät, so groß wie ein Hund war, diesmal steht es zwischen ausladenden Baumwurzeln und späht um sich.
"Tiere der Steinzeit - große Zähne, dickes Fell" ist das nächste Kapitel. Ein unwirsch wirkendes junges Wollmammut stemmt sich dem Leser entgegen, und auf der folgenden Doppelseite sieht man seine Artgenossen, deren regennasse Behaarung ganz gehörig vom Sturm gezaust wird, über eine karge Ebene ziehen. Wie kam es zum Aussterben der Mammuts? Humorvoll führt der Autor aus: "(...) ständig tropfnass mit schwerem Pelzmantel im Wind: Immer nur Erkältung - das haut den stärksten Mammutbullen um."
Die bereits von der Buchvorderseite bekannte Säbelzahntigermutter mit ihrem Jungen findet sich auf den Seiten 26 und 27 wieder. Diesmal durchqueren die beiden ein Gewässer. Man erfährt, was das Besondere am namensgebenden Gebiss dieser Raubkatzen war und wie Säbelzahntiger lebten.
Auch die anschließende Doppelseite zeigt ein Muttertier mit Nachwuchs: "Der Höhlenbär - ein unheimlicher Nachbar." Die Bärenmama reißt das Maul auf und gestattet einen Blick auf ihre furchterregenden Zähne, während das Junge aus dem Bildhintergrund hervorlugt.
Schnell weiter zu "Tiere der Neuzeit - Jäger und Gejagte", einem besonders tristen Kapitel.
Ein kauernder Beutelwolf eröffnet diesen Abschnitt, der zu Recht nicht mit Kritik am Umgang des Menschen mit der Lebenswelt spart.
Als eines der Opfer menschlicher Maßlosigkeit und Gier wird die rotfüßige Wandertaube angeführt, eine nordamerikanische Vogelart, die binnen weniger Jahre vom Menschen ausgerottet wurde. Helge Nyncke lässt die für immer verschwundenen Taubenscharen noch einmal den Himmel verdecken.
Auch der Beutelwolf trat nicht freiwillig von der Weltbühne ab. Einwanderer brachten u.a. Schafe und Hunde nach Australien, beraubten den einheimischen Räuber seiner Lebensgrundlagen und erschossen die Beutelwölfe.
Ein weiterer Verlierer im Kampf um Lebensraum ist der Dodo, den der Autor als "gemütlichen Fußgänger" bezeichnet. Der abgebildete graue Vogel zerquetscht eine Frucht im Schnabel und starrt dumpf vor sich hin. Helge Nyncke betont die Rolle der Dodos als Verbreiter von Pflanzensamen.

"Tiere am Ende ihrer Zeit - einsame Stars", lautet die Überschrift des letzten Kapitels, und ein kleiner Panda guckt den Leser traurig an.
Der Blauwal könnte in nicht allzu ferner Zukunft ebenso ausgestorben sein wie der Sibirische Tiger und der Panda. In diesen Fällen gäbe es kein bequemes "vielleicht" oder "möglicherweise", denn niemand sonst als der Mensch wäre verantwortlich für das Verschwinden dieser Tiere.
Helge Nynckes Darstellungen zeigen die vom Aussterben (eigentlich vom Menschen) bedrohten Tiere in voller Pracht: einen Blauwal beim Abtauchen, einen durch den Schnee springenden Sibirischen Tiger, der einen Hasen jagt, und einen Panda, der Bambus verspeist.

Auf Seite 46 taucht der kleine Säbelzahntiger noch einmal auf, als Illustration des "Tiere im Wandel - Anpassung oder Abgang" betitelten Texts.
Den Abschluss bildet eine Übersichtstabelle, die zusätzliche Informationen über alle im Buch erwähnten Tiere beinhaltet: Name, Seite, Wissenschaftlicher Name, Größe, Gewicht, Zeitraum, Lebensraum.

Bestimmt kennen die meisten Kinder die in "Säbelzahntiger & Bambusbär" porträtierten Tiere schon aus Filmen und anderen Büchern. Den besonderen Reiz dieses Buches machen die netten Zeichnungen aus, die - mit Einschränkungen, nach Einschätzung der Eltern - auch für Bilderbuch"leser" unter acht Jahren geeignet sind, wohingegen die textliche Ausgestaltung aufgrund der stellenweise betrüblichen Oberflächlichkeit bzw. resignierenden Passivität nicht durchgehend als gelungen bezeichnet werden kann.

(Anja; 03/2005)


Helge Nyncke: "Säbelzahntiger & Bambusbär"
Patmos, 2005. 48 Seiten. (Ab 8 J.)
ISBN 3-491-42040-7.
ca. EUR 16,40.
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Noch ein Buchtipp:

Bärbel Oftring
(Text), Helge Nyncke (Illustrationen): "Von Sauriern und Urpferdchen. Leben in der Urzeit"
Werde Urzeitforscher auf den Spuren längst vergangener Zeiten - vom Urknall bis zum ersten Menschen!
Vulkane und Savannen, tropische Meere und üppige Urwälder hier bei uns? In der Urzeit hat es das gegeben! Weltberühmte Fossilienfunde beweisen: Riesige Fischsaurier durchschwammen bei uns die Meeresfluten, die Sumpfurwälder des Sauerlandes waren von Dinosauriern bevölkert und in Bayern lebte gleich neben Korallenriffen und strahlend blauen Lagunen der Urvogel Archeopteryx.
Wie Detektive suchen Urzeitforscher nach den Spuren dieser längst vergangenen Zeiten und ergründen das Rätsel, warum die Dinosaurier von der Erde verschwanden. Mit Hilfe der Fundortkarte, Museumsadressen und Internetliens können Urzeit-Fans ganz in der Nähe selbst auf Spurensuche gehen! Auf zwei faszinierenden Ausklapptafeln: Fossilienfunde in der Wüste und Aufstieg der Säugetiere; mit Infos zu den Tricks der Paläontologen; Karte der Fundorte, Internetliens und Museumsadressen. (Patmos; ab 6 J.)
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