Maïa Brami, Stéphane Barroux: "Probier doch wenigstens!"


Ein schönes Bilderbuch zu einem Dauerthema zwischen Eltern und Kindern, das an einem Beispiel zeigt, was Geduld und Fantasie in der Kindererziehung bewirken können.

Manche Eltern wissen davon traurige oder auch aufregende und manchmal genervte Lieder zu singen. Die geregelte Nahrungsaufnahme unserer Kleinsten ist oft eine nicht ganz einfache Aufgabe, die viel Geduld, Fantasie aber auch Konsequenz erfordert. Zwar ist der Hinweis, "dass die Kinder sich schon holen, was sie brauchen" mittlerweile Allgemeingut, dennoch kann man es als betroffener Erziehungsberechtigter, denke ich, manchmal nicht mehr hören, weil man ja mit Fug und auch Recht seinen Kleinen eine gesunde, ausgewogene Ernährung bieten und sie dazu auch anhalten will.

Die Szenen dieses schönen Bilderbuchs handeln von den oft verzweifelten, dann aber immer sehr fantasievollen Versuchen Rosas, ihren Sohn Leo zu einem ordentlichen Essen zu bringen. Jedes Mal geht etwas schief. Da kullern die von Leo gewünschten Nudeln aus der Packung auf den Fußboden, dann weigert er sich auf das Heftigste, die von Rosa gekochte Suppe auch nur anzurühren. Und so geht das jeden Abend.

Doch Leo ist nicht nur ein schlechter Esser, sondern auch ein guter und ausdauernder Leser. Und weil er es leider noch nicht selbst kann, muss seine Mutter ihm jedem Abend etwas aus dem dicken Märchenbuch vorlesen, was sie auch gerne tut, das kann man deutlich sehen und spüren.

Und sie nutzt diese Leidenschaft ihres Sohnes. Geschickt wählt sie abends Märchen aus, die irgendetwas mit dem tagsüber verweigerten Essen zu tun haben. Als er mittags eine von Rosa zubereitete leckere Erbsensuppe verschmäht, wählt sie abends das Märchen von der Prinzessin auf der Erbse, das Leo kennt und gerne mag. Fast kann er die Märchen schon auswendig, und als Rosa mit dem Märchen beginnt:
"Ein Prinz suchte seine wahre Liebe. Eines Tages klopfte ein junges Mädchen an seine Tür. Es schwor, eine Prinzessin zu sein. Die Königin glaubte ihm nicht und ging zwanzig Daunendecken und eine kleine Erbse holen ...", da vervollständigt Leo sofort und wie gewohnt: "Sie legte die Erbse ganz unten ins Bett ..."

"Doch sie fand keine einzige Erbse", erzählt Rosa weiter und erntet mit dieser Abweichung vom Text den empörten Protest ihres Sohnes. Am nächsten Abend geht es um die Bohnen, und auch hier verfährt Rosa bei dem Märchen "Hans und die Wunderbohne" genauso.

Die verschiedenen Gemüse aus den unterschiedlichen Märchen sitzen eines Abends auf Leos Bett und weigern sich, unter diesen Umständen zu arbeiten. Leo versucht sich herauszureden, aber die Früchte und das Gemüse sagen: "Doch, du magst uns nicht, ohne uns gekostet zu haben. Probier doch wenigstens!"

Leo bedankt sich bei ihnen und fragt seine Mutter, ob sie es war, die sie alle hergeholt hat:
"Rosa lächelte. 'Ich werde dir eine Geschichte erzählen ... Eines Abends bat ich meinen Vater um Brot, ich wollte nur das Weiche essen - da verschwand das Milchbrot aus Rotkäppchens Korb'".

(Winfried Stanzick; 01/2008)


Maïa Brami, Stéphane Barroux (Illustrationen): "Probier doch wenigstens!"
Aus dem Französischen von Sigrid Laube.
Jungbrunnen, 2007. 32 Seiten. (Ab 4 J.)
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Maïa Brami wurde 1976 geboren. Sie ist Schriftstellerin und Journalistin und arbeitet für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, für das Radio und veranstaltet Schreibwerkstätten in Schulen. Sie hat bereits einige Bücher für Kinder und Jugendliche veröffentlicht, sowie einen Roman für Erwachsene.
Stéphane Barroux wurde in Paris geboren und verbrachte den Großteil seiner Kindheit in Nordafrika. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich studierte er an Kunstschulen und arbeitete als künstlerischer Leiter in verschiedenen Werbeagenturen.
Stéphane Barroux lebte in Kanada und übersiedelte anschließend in die USA, wo seine Karriere als Presse- und Kinderbuchillustrator begann. Er arbeitet dort für verschiedene Magazine und hat zahlreiche Kinderbücher publiziert. Er liebt Farben und Fantasie und arbeitet mit verschiedensten Techniken, u .a. Linolschnitt, Bleistift und Acryl.