Hans-Georg Noack: "Rolltreppe abwärts"

Seine Mutter und ihr neuer Freund haben Jochen ins Heim abgeschoben. Jochen fühlt sich wie im Gefängnis, doch nach Hause kann er nie mehr zurückkehren ...


Jochen - Jürgen Joachim Jäger - kommt in ein Jugendheim, und zwar auf Wunsch seiner alleinerziehenden Mutter, die mit ihm nicht mehr fertig wird. Seit sie von ihrem alkoholkranken Mann geschieden wurde und einen neuen Partner gefunden hat, haben sich Mutter und Sohn immer weniger gesehen. Folglich war der 13-Jährige weitestgehend auf sich allein gestellt. Mit der Zeit wurden seine Schulnoten schlechter, und als es schließlich wiederholt Ärger wegen Eigentumsdelikten gab, überantwortete die Mutter Jochen an die staatliche Fürsorge.

Nun befindet sich Jochen in einer Umgebung, die ihm vollkommen fremd ist, wo der Tag von früh bis spät reguliert wird und er sogar zwei neue Namen erhält, nämlich einmal "Boxer", weil alle Jungen in seiner Gruppe einen Hundenamen bekommen haben, und außerdem "Jojo", weil die Jungen untereinander diese Hundenamen nicht gerne verwenden. Der Erzieher, der ihm zugeteilt ist, heißt Hamel und wird von den Jungen "Hammel" genannt.
Erzieher Hamel möchte von Jochen gleich am ersten Tag wissen, weswegen er seiner Meinung nach im Heim gelandet ist. Allerdings lässt er die Aussage, Jochens Mutter habe ihn einfach loswerden wollen, um mehr Zeit mit ihrem neuen Freund verbringen zu können, nicht gelten. Er beauftragt Jochen, bis zum nächsten Abend einen Aufsatz über die Gründe seines Heimaufenthaltes zu schreiben.

Man erfährt durch Jochens Überlegungen von der Trennung der Eltern, dem ersten glücklichen Jahr ohne den Vater und der Katastrophe des Auftauchens von Mr. Möller, Mamas neuem Freund. Von Nachmittagen, die alleine zu Hause verbracht werden, bis Jochen eines Tages seinen Haustürschlüssel verliert und infolgedessen durch die Gegend stromert und in einem Kaufhaus ein paar Bonbons klaut, um seinen Hunger zu stillen. Dabei wird er vom 15-Jährigen Axel erwischt, der im Tausch gegen ein paar Zuckerln den Mund hält und Jochen dann auch auf sein erstes Bier und ein paar Zigaretten einlädt.
Die beiden treffen sich von da an regelmäßig, wobei Jochen Axels finanzielle Großzügigkeit durch gelegentliche Diebstähle vergilt.
Die Burschen lernen Elvira kennen, und es beginnt ein neuer Lebens- und Liebensabschnitt für Jochen. Als er beim Versuch, ein Transistorradio für Elvira zu stehlen, erwischt wird, ist dies der Anfang seiner kriminellen Karriere. Daraus resultierende Hänseleien seitens seiner Schulkameraden führen dann zur "schweren Körperverletzung". Da die Tatsache des "Diebstahls" durch Elvira verbreitet wurde, will Jochen eine für sie geklaute Kette von ihr zurück haben, und das folgende Handgemenge führt zu einem zerfetzten Pullover und überdies beinahe auch zur Anklage wegen "versuchter Vergewaltigung", die dann allerdings zu "versuchtem Raub" abgemildert wird.
Das Jugendamt empfiehlt daraufhin Jochens Mutter eine "freiwillige Erziehungshilfe", und als diese sich einverstanden erklärt, da bei einer richterlichen Einweisung der Junge nur durch Einigkeit einer weiteren richterlichen Entscheidung mit einer Beurteilung durch die Heimleitung wieder herauskommen kann, landet Jochen im Heim.
Dort lernt er verschiedene mehr oder weniger etablierte Heimpersönlichkeiten kennen und beginnt sich an das neue Umfeld zu gewöhnen, obwohl er doch lieber wieder nach Hause möchte, was er seiner Mutter gegenüber jedoch niemals zugeben würde.

Stellenweise erscheint die erstmals 1970 publizierte Geschichte überzeichnet idealtypisch, was man aber bei Jugendliteratur tolerieren kann. Die Verkettung von Ereignissen, die manche Jugendliche in Heime bringen, werden ganz gut aufgezeigt und auch die Bedingungen, die sie in den etwas besser geführten Anstalten gelegentlich vorfinden.
Auch hier gibt es in der Realität sicherlich bessere - sprich positivere - Beispiele, aber für eine erste Betrachtung des Lebens in einem Heim ist dieses Buch gewiss recht lehrreich und für Jugendliche nachvollziehbar. Meiner Meinung nach ist dieses Buch besonders für die Altersstufe von 13 bis 15 Jahren geeignet.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 09/2004)


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