Wolf Erlbruch: "Die große Frage"

"In Frankreich gibt es eine Stadt, da kriegt jedes Kind zur Geburt dieses Buch geschenkt. Ich finde dies ganz wunderbar."

(Elke Heidenreich)


"Die große Frage" liegt nunmehr endlich in deutscher Sprache vor, und Wolf Erlbruch hat mit wunderbaren Zeichnungen dieses Buch bereichert. Die Frage "Warum bin ich auf der Welt?" kann unzählige verschiedene Antworten heraufbeschwören. Es kommt wohl ganz auf die Perspektive an. Während viele Erwachsene "vergessen" haben, was es bedeutet, auf der Welt zu sein, sind Kinder noch völlig unbelastet, und neugierig. "Die große Frage" ist von der Geburt an von tragender Bedeutung. Es kann aber nicht sein, dass im Laufe des Lebens sozusagen ein "Abstand" zu ihr geschaffen wird und andere Dinge die Qualität dieser "großen Frage" reduzieren bzw. eliminieren. Wenn einem Kind anlässlich seiner Geburt dieses Buch geschenkt wird, so besteht die Möglichkeit, dass es, einige Jahre später des Lesens mächtig, sich mit der Frage individuell auseinander setzt und damit ein Leben lang nicht aufhört.

Das Buch gewährt auch Freiraum für Gedanken, die sich die Leser im Laufe ihres Lebens über "Die große Frage" machen. Somit ist für den Menschen, der es besitzt, immer die Möglichkeit da, Vergleiche anzustellen, was die Entwicklung der "großen Frage" in seinem Kopf, seiner Seele, betrifft. Diese Frage ist tatsächlich "groß", und dafür sei allen an diesem Buch Beteiligten gedankt. Jeder Mensch kann sich dieser Frage stellen und versuchen, sie für sich zu beantworten. Die beschriebenen Antwortmöglichkeiten sind Ansätze, mit denen sich ein "kleiner Erdenbürger" ganz zu Beginn seines Lebens auseinander setzen mag. Irgendwann wird er seine eigene Antwort definieren können, die sich natürlich immer wieder modifizieren kann.

"Sagt der Stein: Du bist da, um da zu sein."
Eine von vielen Antwortmöglichkeiten, die im Buch definiert sind.
Im Film "Der Club der toten Dichter" wird in diesem Sinne eine wunderbare Antwortmöglichkeit von Walt Whitman zitiert, die Mister Keating seinen Schülern ans Herz legt:
"Ich und mein Leben! Die immer wiederkehrenden Fragen, der endlose Zug der Ungläubigen, die Städte voller Narren, wozu bin ich da? Wozu nützt dieses Leben? Die Antwort: Damit du hier bist - damit das Leben nicht zu Ende geht, deine Individualität, damit das Spiel der Mächte weiterbesteht, und du deinen Vers dazu beitragen kannst!"
Eine Antwortmöglichkeit, die in den Freiraum des Buches integriert werden mag, insofern sich der Leser damit identifizieren kann.

"Die große Frage" ist ein wunderbares Buch, das tatsächlich jedem neuen Erdenbürger schon in die Wiege gelegt werden sollte. Da kann ich Elke Heidenreich nur beipflichten.

(Al Truis-Mus; 03/2004)


Wolf Erlbruch: "Die große Frage"
Peter Hammer, 2004. 52 Seiten.
ISBN 3-87294-948-9.
ca. EUR 14,90. Buch bestellen

Wolf Erlbruch, geboren 1948, studierte Grafik-Design und war als Illustrator in der Werbebranche tätig, bevor er Ende der 80er Jahre begann, Kinderbücher zu schreiben und zu illustrieren. Inzwischen gehört er international zu den renommiertesten Illustratoren. 1990 folgte er einer Berufung zum Professor für Illustration an die Fachhochschule Düsseldorf. Seit 1997 ist er Professor an der Bergischen Universität Gesamthochschule Wuppertal. Wolf Erlbruch lebt mit seiner Frau und Sohn Leonard in Wuppertal.

Ergänzende Buchtipps:

Werner Holzwarth, Wolf Erlbruch: "Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat"
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Unter den Erschaffern der Dinge dieser Erde arbeitet Rodolfo, der Enkel des Erfinders des Regenbogens. Er hat einen Traum: Er möchte ein Wesen schaffen, so schön wie eine Blume, so lebendig wie ein Insekt, so leicht wie ein kleiner Vogel. Er sitzt am Wasser und denkt nach - und hat endlich seine große Idee.
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"Am Anfang war das Nichts. Das kannst du dir schwer vorstellen. Du musst alles, was es jetzt gibt, weglassen. Du musst das Licht ausmachen und selbst nicht da sein und dann sogar noch die Dunkelheit vergessen, denn am Anfang war nichts, also auch keine Dunkelheit. Wenn du den Anfang von allem wissen willst, musst du sehr viel weglassen. Auch deine Mutter."
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