Franz Sales Sklenitzka: "Drachen kann man nicht bewachen"


Des Herzogs Töchterlein, Edeltraud, ist mittlerweile 25, noch immer ohne Ritter, und das Mittelalter ist fast um.
Einschub: Ich muss anmerken, dass ich bereits gekichert habe als ich die Mitteilung erhielt, dass das Buch auf der Post abzuholen sei. Ich habe den ganzen Weg zur Post aus Vorfreude gekichert und bin auf dem Rückweg gegen die Stange des Einbahnschildes gelaufen, weil ich da bereits auf Seite 15 war. Und auch diese Rezension schreibe ich unter (Lach-)Tränen.

"Die Zeiten waren unruhig und die Ritter schlecht, viel schlechter als ihr Ruf, die meisten jedenfalls." Ottokar von Zipp war die große Ausnahme! In seinem "Helm, im Harnisch und in seinen Schienbeinschützern" wuchsen "die besten Champignons des 13. Jahrhunderts". Aber er war in ewiger Sorge um seinen Hausdrachen Klemens. Klemens war "wie alle Kammdrachen sehr musikalisch." - "Zipp hätte seinen Drachen gern in eine Musikschule geschickt, aber Musikschulen waren damals noch sehr selten." - Drachen wurden im Mittelalter von Rittern wie Sigmund Silberzahn-Floretto (siehe bereits erster Band) erbarmungslos gejagt. Tja und Klemens' Zackenkamm leuchtet seit neuestem in allen Farben, und er verschwindet immer wieder alleine von der Burg ... 

Nicht nur Klemens, sondern auch das eingangs erwähnte Edelfräulein Edeltraud hat so ihre Geheimnisse und ist nicht sehr erfreut, dass ihr Ehemann per Turnier gesucht werden soll. Vor dem Schlimmsten ist sie ja durch die 10. Turniersregel gefeit, die da lautet "Betrunkene Ritter und/oder betrunkene Pferde werden vom Turnier ausgeschlossen", aber Edeltraud hätte da noch ihre eigenen Vorstellungen.

Und so führen geheimste Geheimnisse, misslungene Absprachen und genial irrwitzige Wendungen zum Höhepunkt an "Action" - dem Ritterturnier!

Sklenitzkas Fortsetzung um Klemens den Kammdrachen, den Ritter Zipp und alle anderen bekannten Figuren aus dem ersten Band ist eine gelungene Weiterführung und Vorantreibung der Geschichte. Die Entwicklung jeder Figur ist ausschlaggebend für den Verlauf der Handlung. Wie schon im ersten Buch ist der Ausgang der Geschichte keine Überraschung, und dennoch fesselt das Buch bis zum letzten Punkt des Nachwortes. Denn das Buch sprüht nur so von Witz und originellen, die Jahrhunderte verbindenden Ideen.

Frühgotische Eierbecher, das Kreuz mit den Kreuzzügen, "Bio"-Nahrungsmittel, mittelalterliche Hitparaden, im Helm integrierte Zahnspangen - hier findet der Leser ab (!!) 8 Jahren alles, was das Herz begehrt. Drachen sind übrigens Säugetiere - falls Sie das nicht ohnedies schon wussten - aber ganz egal; ich habe ein Herz für Drachen! 

Folgenden Auszug aus dem Buch kann ich mir nicht verkneifen. So sieht ein ritterlicher Stau im Mittelalter aus:
"... aber schon nahte neues Unheil. Um die Kurve ritt Bohumil Bärlepsch-Bonito, der Ritter mit dem Hufeisen auf dem Helm. Er ahnte nichts von der Unfallstelle, auf die er zusprengte. Im letzten Moment gelang es ihm, sein Pferd herumzureißen und zum Stehen zu bringen. Bohumil wollte die beiden Verunglückten trennen und erste Hilfe leisten. Aber da erblickte Ellegast Brausewitz das Hufeisen auf Bärlepsch' Helm. Er riss sich von seinem Unfallgegner los und stürzte sich wutentbrannt auf Bärlepsch-Bonito, um ihm das Hufeisen vom Helm zu zerren. Das wollte der Bärlepsch-Bonito nicht dulden. Wer lässt sich schon gern einen Glücksbringer nehmen? Im Nu war die wildeste Rauferei im Gange. Bis keiner mehr wusste, welcher Körperteil zu welchem Ritter gehörte. Der Knäuel wurde indessen immer größer, denn immer mehr Ritter stießen dazu. Manche, wie Luca Tempo-Bolzano, wegen überhöhter Geschwindigkeit, manche, wie Engelschalk Hönigl-Carossa, wegen zu geringem Abstand zum Vordermann, und einer, Freiherr von Tippelskirchen, wegen Trunkenheit, jawohl, Trunkenheit am Zügel."

(Die Prinzessin; 12/2003)


Franz Sales Sklenitzka: "Drachen kann man nicht bewachen"
G & G Jugendbuch, 2003. 136 Seiten. (Ab 8 J.)
ISBN 3-7074-0169-3.
ca. EUR 9,90. Buch bestellen

Franz Sales Sklenitzka wurde 1947 in Lilienfeld geboren. Er unterrichtete viele Jahre an einer Volksschule in St. Pölten, heute arbeitet er freiberuflich als Schriftsteller, Illustrator, Hörspiel- und Schulbuchautor. Für seine Bücher, die bisher in zwölf Sprachen übersetzt wurden, erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen.

Ergänzender Buchtipp: 

"Drachen machen starke Sachen"
Der Finsterling und passionierte Drachenjäger Silberzahn-Floretto ist begeistert - das Kammdrachenpaar Klemens und Stella hat Nachwuchs erhalten. Rasch schmiedet er einen bösen Plan und kidnappt die Babydrachen. Ottokar von Zipp startet sofort eine Rettungsaktion, aber Silberzahn-Floretto ist kein einfacher Gegner ... zur Rezension
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