KINDERGEDICHTE

Diethelm Kaminski

Harmoniebedürfnis

Das Dromedar
hat wunderbar
sich vor dem bunten Zelt plaziert,
damit sein ockerbraunes Haar
zu seinem Vorteil
besser harmoniert
mit Gelb und Rot und Blau
bei der Kinderzirkusschau.

Seitenwechsel

Ein Krokodil im Haus
macht vieles einfach leichter.
Der erzieherische Arm der Eltern,
was erreicht der
schon bei Töchtern und bei Söhnen?
Ein Krokodil gleicht solche Defizite
spielend aus.
Es droht nur kurz
mit seinen messerscharfen Zähnen,
und vorbildliche Haltung zeigt er
oder sie.
Widerworte gegen Eltern
gibt es auf diese Weise nie.
Gelingt´s euch Kindern aber durch Dressur,
das Krokodil auf eure Seite doch zu bringen.
Da könntet ihr dann sehen,
wie die Eltern springen,
euch alle Wünsche von den Augen abzulesen.
Für euch ist das trotz aller bösen
Folgen dann die reinste Kur
in eurer harten Erziehung gewesen.

Versetzungsgesuch

Der Ameisenbär
genießt es sehr,
Kontrolleur
zu sein über ein Heer
von Waldameisen.
“Da ist man doch wer!”
Auf seinen Inspektionen
und Prüfungsreisen
pflegt er sie allesamt zu verspeisen.
Er schreibt dann wie üblich
in seinem Dienstreisebericht:
“Ameisen gab es
in den mir zugewiesenen Regionen
leider nicht.
Jedenfalls kriegte ich persönlich
kein einziges Tier zu Gesicht.
Ich bitte darum, dass mich
die oberste Ameisenbärenbehörde
endlich auf Dienstreise schickt
in einen ameisenreichen Distrikt.
Dieses ist mein höflicher Wunsch,
aber keine Beschwerde.”

Liebe vermag alles

Den großen Höhenunterschied zu überwinden,
ließ ein in eine Maus verliebter Elefant
den Unterschied einfach verschwinden.
Nun ist er klein und grau wie eine Maus,
nur langsam noch und sehr behäbig.
"Doch dafür heb ich dich, geliebte Maus,
mit meinem Rüssel dreimal täglich
anstrengungslos in unser beider Haus.
Und außerdem:
aus einem mäuseschnellen Lauf
mach ich mir gar nichts draus."

Vorbelastet

Drei Ziegen wollten shoppen gehen,
um in der City sich mal umzusehen
nach neuen Frühjahrshüten.
Sie kehrten bald zurück
mit leeren Einkaufstüten,
denn die Verkäuferinnen
hatten rasch genug
von ihrem Ziegenstallgeruch.
Es muss an ihrer Herkunft liegen,
dass Ziegen in der City
keine Hüte zu kaufen kriegen.

Mein Mondpferd

Ein Mondpferd
ist mir zugelaufen.
Man erkennt es an der Mondsichel
in seinem Haar,
an den mondlichtgelben Zähnen
und an seinem kinderfreundlichen Schnaufen.
Als Kopfschmuck trägt es eine Sternenschnuppe.
Biologisch zählt es, soweit ich weiß,
zur extraterrestrischen Paarhufergruppe.
Welchen Namen wir ihm geben?
Mondpferde können ganz gut
auch ohne einen Namen leben.
Um das Mondlicht besser aufzunehmen,
haben sie zwar unzählige Poren,
aber leider keine Mondpferdohren,
weshalb sie sich auch ein wenig schämen.


Tigerschinder

Die Tiger sind
aufs äußerste gereizt,
weil der Dompteur zwar mit dem Fleisch,
nicht aber mit der Peitsche geizt.
Was für ein Glück,
dass alle nur als Bilder
an den Wänden kleben.
Sonst könnte dieser Tigerschinder,
liebe Kinder,
was von uns erleben!

Kopfgrößen

Du fragst,
”Warum ist denn
ein Pferdekopf so lang?”
“Wird dir deswegen bang?”
“Und warum ist meiner
nur so klein?
Muss das sein?”
“Sei nicht enttäuscht,
du unzufriedene Madame.
Nur auf den Inhalt

kommt´s bei Köpfen an!”

Lesemuffel

Die Leseraupe
hat ein Raupenkind erspäht,
das, statt ein gutes Buch zu lesen,
lieber auf den Spielplatz geht.
“Steck deinen hohlen Kopf
doch auch mal in ein Buch,
sonst bleibst du dumm wie Stroh
und wirst nie klug!”
“Und auch so fett
vom vielen Sitzen, so wie du?
Ich spiele weiter jetzt
und sperre meine Ohren zu.
Weil ich nun einmal klüger bin,
möchte ich niemals werden so wie du.”