Nichts, so möchte ich glauben, vermag in derselben Gestaltung lange zu dauern: 
Sah ich doch selbst einen Sund sich breiten, wo vordem solide Erde gewesen, 
und Länder erblickt' ich, dem Meere entstiegen. 
Fern von der Hochsee lagen dem Meer entstammende Muscheln, 
und es fand sich zuhöchst in den Bergen ein Anker der Vorzeit. 
Ovid, Metamorphosen, Buch XV


Der Hai war gigantisch, doch den Fischern gelang es, ihn an Land zu ziehen. Er lebte noch und wehrte sich, daher banden sie ihn an einem Baum fest. Dann töteten sie ihn. Haie hatte man vor der toskanischen Küste schon öfter gesehen, aber keinen großen weißen wie diesen, der über eine Tonne wog. Einige der Fischer griffen in das furchterregende Maul des Ungetüms und meißelten mit ihren Messern Zähne als Andenken und Talismane heraus.

Die Kunde von dem Wunder erreichte auch den Palast der Medici in Florenz. Großherzog Ferdinando II., ein Freund der Naturgeschichte, gab Anweisung, den Hai umgehend an seinen Hof zu bringen, damit seine Gelehrten ihn untersuchen konnten. Doch der Fisch war viel zu groß und sein Fleisch bereits am Verwesen. Die Fischer hackten den Kopf ab und warfen den Rumpf des Kadavers ins Meer. Der Kopf wurde auf einen Karren geladen und durch das Tal des Arno nach Florenz geschafft.

Man schrieb das Jahr 1666. Florenz, ja ganz Europa befand sich in einer Übergangsphase. Die Renaissance neigte sich ihrem Ende zu. Die Erschütterungen der protestantischen Reformation hatten sich gelegt. Das Zeitalter der Aufklärung hingegen brach erst an. Jene Zeit war ein seltsames Zwischenstadium - "wiedergeboren" und erneuert, aber noch nicht aufgeklärt.
Eine Generation zuvor hatte der Papst den Gelehrten Galileo Galilei gezwungen, sein Bekenntnis zur kopernikanischen Theorie des Sonnensystems zu widerrufen. Galilei hatte seine Ansichten nicht auf die Bibel und die kirchlich sanktionierten Texte von Aristoteles, sondern auf eigene Beobachtungen des Himmels gestützt. Er fügte sich zwar in seine Verurteilung und Bestrafung, hielt jedoch an seinen wissenschaftlichen Überzeugungen fest. Wahre wissenschaftliche Erkenntnis, glaubte er, gründe sich auf Experimente und direkte Naturbeobachtung und nicht auf Bücher, auch nicht auf die heiligen Schriften. Seine letzten Jahre verbrachte er unter dem Schutz des Großherzogs in Florenz. Ferdinandos Hof unterhielt inzwischen eine wissenschaftliche Akademie, die von einigen ehemaligen Schülern Galileis gegründet worden war, um dessen Geist zu bewahren.

Das jüngste Mitglied dieses Gelehrtenkreises war ein kleiner, bescheidener Anatom aus Dänemark namens Nicolaus Steno. Er zählte zwar erst achtundzwanzig Jahre, war aber bereits berühmt für seine scharfe Beobachtungsgabe und seinen außergewöhnlich geschickten Umgang mit dem Skalpell. Seine Entdeckungen hatten in Leiden und Paris, den beiden führenden Zentren der europäischen Gelehrsamkeit, für Aufsehen gesorgt. Mit seiner kühnen Kritik an den konventionellen Theorien über Herz und Gehirn hatte er sich zwangsläufig Feinde gemacht, aber auch viele Bewunderer gewonnen. Die florentinischen Gelehrten hießen ihn als einen der Ihren willkommen. Als der monströse Haifischkopf in Florenz eintraf und in das Anatomische Theater geschafft wurde, fiel es natürlich Steno zu, das Objekt zu sezieren.

Der zufällige Fang eines Haifischs und dessen Zerlegung durch einen jungen Wissenschaftler, der sich an einem renommierten italienischen Hof beweisen wollte, markierten den Beginn einer geistigen Revolution, die auf ihre Weise ebenso tiefgreifend war wie die Umwälzung, die Galilei und Kopernikus bewirkten. Deren Revolution hatte die Position des Menschen innerhalb des Raums verändert; sie hatte uns aus dem Zentrum des Kosmos verdrängt und unsere Welt in Bewegung gesetzt. Stenos Revolution veränderte unsere Position innerhalb der Zeit. Sie verdrängte uns aus dem Zentrum der klassischen biblischen Schöpfungsgeschichte und verlieh unserer Welt eine ganz neue Geschichte. Die Zeitspanne dieser neuen Geschichte erweiterte sich von bloßen sechstausend biblischen Jahren auf annähernd fünf Milliarden Jahre. Die Welt erwies sich als viel, viel älter als die menschliche Spezies und ließ sich nicht länger ausschließlich für uns in Anspruch nehmen.

Steno entdeckte, dass die Kruste der Erde gleichsam ein Archiv ihrer eigenen Urgeschichte barg. Bislang hatten sich die Gelehrten lediglich auf das geschriebene Wort, auf die Bibel und die Texte der Alten, gestützt, wenn es darum ging, die Vergangenheit zu ergründen. Die Philosophen der aufkommenden wissenschaftlichen Revolution interessierten sich indes weniger für die historische Entwicklung der Erde als für die zeitlosen Gesetze der Natur. Die Chronik, die in den geologischen Schichten der Erde festgeschrieben war, blieb gleichsam ungelesen; keiner begriff die ungeheuren Veränderungen, welche die Erde in ihrer langen Vergangenheit durchgemacht hatte. Doch ohne solch eine Perspektive ließen sich die Kräfte, die unsere physikalische Welt prägten - Kräfte wie Erdbeben, Vulkanismus, Erosion und Klima -, niemals wissenschaftlich verstehen und erklären. Das statische, mechanistische Bild der Welt musste erst durch ein dynamisches, evolutionäres Konzept abgelöst werden.

Diese von Steno ausgelöste revolutionäre Veränderung in unserem Verständnis der Welt stand noch am Anfang; erst Ende des achtzehnten Jahrhunderts entfaltete und Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts vollendete sie sich. Wissenschaftler kämpften ebenso hartnäckig dagegen an wie die Theologen. Von Dichtern der Romantik wurde sie viel bereitwilliger aufgenommen als von Philosophen der Aufklärung. Paradoxerweise hat der Urheber dieser Revolution die sechstausend Jahre umfassende biblische Zeitskala, die durch seine Forschungsarbeit schließlich außer Kraft gesetzt wurde, nie öffentlich angefochten. Andererseits hat er sich selbst in seinen letzten Lebensjahren, die er ausschließlich der Kirche und seinem Glauben widmete, nie von seiner wissenschaftlichen Lehre losgesagt.
Die Geschichte Stenos ist reich an solchen Paradoxien - und auch an Pathos. Die Genialität seiner Ideen wurde zu seinen Lebzeiten nie vollständig erkannt und gewürdigt. Er starb recht früh, mit achtundvierzig Jahren. Nach einem Leben als Gelehrter und Günstling an einem der fürstlichsten Höfe Europas verbrachte er seine letzten Jahre als asketischer Priester. Durch seine Armut und sein Fasten, so berichtete ein Freund, magerte er zu einem "lebenden Leichnam" ab.
Doch an jenem Tag in Florenz befand er sich auf der Höhe seiner wissenschaftlichen Fähigkeiten. Er hatte ein medizinisches Studium absolviert, das nach dem Stil jener Zeit ein breites Spektrum von Anatomie bis Astrologie umfasste. Er genoss die Unterstützung eines wohlhabenden Monarchen. Und vor allem verfügte er über einen Geist, der zu unerwarteten Gedankensprüngen neigte. Von dem Hai schlug er einen Bogen zu der scheinbar nicht damit zusammenhängenden Frage, die zwar schon recht alt war, aber noch immer die Gemüter erhitzte. Nicht nur seine Antwort auf diese Frage, sondern auch die Art, wie er diese zu beweisen suchte, gaben den Anstoß für die wissenschaftliche Erforschung der fernen Erdvergangenheit.

Die Frage war die: Warum fand man Muscheln oft weit entfernt vom Meer, bisweilen auf den Gipfeln von Bergen, in festes Gestein eingebettet? Schon die alten Griechen hatten solche Muscheln gekannt und beschrieben. Mittelalterliche Theologen hatten sie in den Bausteinen ihrer Kathedralen bemerkt. Bergarbeiter und Steinbrecher stießen auf sie, ebenso Bauern, Schäfer und Reisende. Selbst der Papst in Rom musste darüber gestolpert sein und sich gewundert haben, denn die Hänge des vatikanischen Hügels waren übersät davon.
Heute gehen wir wie selbstverständlich davon aus, dass die Muscheln von einem Meer zurückgelassen wurden, das einst das Land bedeckte. Diese Erklärung wurde übrigens auch von den Griechen der Antike vorgebracht. Die allerersten griechischen Philosophen, die so genannten Vorsokratiker, gründeten im sechsten Jahrhundert vor Christus sogar ihre diversen Welttheorien darauf. Aristoteles führte diese Tradition fort und schrieb, das Kommen und Gehen der Meere gehöre zu den grundlegenden Prozessen der Erde. Das Land habe im Laufe der Zeit zahlreiche natürliche Überschwemmungen erfahren.
Die meisten gebildeten Menschen zu Stenos Zeit lehnten diese Vorstellung jedoch ab. Sie glaubten vielmehr, die Muscheln wüchsen in der Erde, und in den versteinerten Muschelschalen hätten gar keine Weichtiere gelebt; außerdem seien die Berge niemals von Meeren bedeckt gewesen.

So absonderlich uns diese Ansicht heute erscheinen mag, so plausibel war sie im Kontext der damaligen Zeit. Einige der mystischeren Strömungen im Denken der Renaissance waren nach wie vor verbreitet, selbst unter jenen, die sich etwas auf ihre Rationalität einbildeten. Neuplatoniker und Hermetiker hatten gelehrt, alle Dinge auf und in der Erde seien durch "plastische Kräfte" und unsichtbare Strahlungen der Sterne gebildet worden. Niemand konnte sagen, wie diese geheimnisvollen Kräfte und Strahlungen Steine in Form von Muscheln geformt haben sollten, doch die Welt war überhaupt voller Rätsel: Niemand wusste, warum ein Magnet eine Eisenstange anzog oder warum er sich nach Norden ausrichtete. Niemand wusste, wie die "Strahlungen" der Sonne dazu führten, dass Pflanzen wuchsen. Diese Dinge spielten sich vor aller Augen ab, waren aber gleichwohl unerklärlich. Wer konnte also sagen, was in den Tiefen der Erde möglich war oder nicht?

Die Theorie, wonach fossile Muscheln direkt im Gestein wuchsen, hatte zudem den Vorzug, dass sie einige heikle Probleme anderer Erklärungsansätze umging. Christliche Autoren hatten beispielsweise seit langem die Auffassung tradiert, versteinerte Muscheln seien Relikte der Sintflut, greifbare Beweise der Heiligen Schrift und ein sichtbares Mahnzeichen für die Sündhaftigkeit des Menschen und die Macht Gottes. Missionare fanden sie ganz nützlich, um den Heiden in aller Welt zu veranschaulichen, dass die biblische Sintflut nicht allein die Hebräer bestraft hatte, sondern die ganze Welt.
Doch ein gründlicheres Studium sowohl der Heiligen Schrift als auch der fossilen Muscheln selbst warf peinliche Fragen auf. Es ergaben sich Widersprüche, von denen einige leichter aufzuklären waren als andere. Die Muscheln ähnelten Arten, die in Salzwasser lebten, doch nach vierzig Tagen Regen musste die Erde unter einem Meer von Süßwasser untergegangen sein. Und wie konnten durch eine Überschwemmung, die der Bibel zufolge nicht länger als ein Jahr anhielt, so viele Schaltiere so weit verbreitet worden sein? Mittelalterliche Mönche hatten sich bei ihrer Auslegung des Bibeltextes gewisse Freiheiten erlaubt. Vielleicht war die Ursache der Sintflut nicht der Regen, wie geschrieben stand, sondern ein Überfließen der Meere. Vielleicht hatte die Sintflut länger angehalten, als es im Text hieß. Diese Lässigkeit in der Interpretation entsprach einer anerkannten Praxis. Augustinus und andere frühe Kirchenväter hatten nicht gezögert, die Bibel nötigenfalls metaphorisch auszulegen.

Ein anderes, heikleres Problem ließ sich jedoch selbst durch Metaphern nicht so leicht lösen. In der Bibel stand geschrieben, Gott habe die Erde in der ersten Woche erschaffen und ihr ihre Form gegeben. Die Sintflut trat dagegen viel später auf. Wie aber gelangten dann die Seemuscheln in das Gestein, das angeblich bereits erschaffen war, als die Sintflut kam? Aufgrund der Sintflut konnten Muscheln auf Bergen gelandet sein, nicht aber in diesen.
Natürlich konnte man das Ganze als Wunder bezeichnen und auf sich beruhen lassen, doch die aufstrebenden wissenschaftlichen Geister des siebzehnten Jahrhunderts wollten sich damit nicht zufrieden geben. Sie wollten die Welt, so weit dies möglich war, durch Naturgesetze erklären. Und seit der Reformation waren metaphorische Auslegungen der Heiligen Schrift immer kritischer betrachtet worden. Luther und Calvin hatten die Bibel in den Mittelpunkt ihres Glaubens gestellt; mit der klaren Bedeutung der biblischen Worte durfte nicht leichtfertig umgegangen werden.

Selbst die von Aristoteles erwähnten "grundlegenden Prozesse" boten keinen Ausweg aus dem Dilemma. Sie mochten eine absolut plausible Erklärung für Muschelablagerungen in größeren Tiefen in Küstennähe geliefert haben, doch hinsichtlich der Muscheln in den Bergen konnte dieser Begriff zu gefährlichen Ideen führen. Aristoteles hatte die Langsamkeit der von ihm beschriebenen geografischen Veränderungen betont. In der Zeit, die verstreichen würde, bis ein Ozean austrocknet oder ein Berg im Meer versinkt, würden ganze Völker entstehen und untergehen. Er stellte sich - wie viele andere Denker der vorchristlichen Zeit - eine ewige Welt ohne zeitliche Grenzen vor und behauptete, solche Fluten seien im Laufe der Zeitalter immer wieder aufgetreten. Der christliche Mensch des siebzehnten Jahrhunderts mochte diese Vorstellung jedoch nicht nachvollziehen, denn die gegebene Zeitspanne war viel zu kurz. In all den Jahrhunderten beurkundeter Geschichte hatte man nichts dergleichen erlebt. Der Berg Sinai ragte immer noch so hoch auf wie zu der Zeit, als Moses die Zehn Gebote herabbrachte. Das Wasser des Mittelmeers war auch nicht merklich zurückgegangen. Wie sollte sich also die Geografie mehrfach verändert haben, wenn die Erde selbst bekanntlich weniger als sechstausend Jahre alt war?
Als Beleg für diese zeitliche Begrenzung diente die Bibel selbst, die angeblich eine vollständige Geschichte der Welt enthielt. Zählte man sämtliche Generationen und Regierungszeiten von Königen, die in den Kapiteln der Heiligen Schrift verzeichnet waren, so ließ sich abschätzen, wie viel Zeit seit der Erschaffung der Erde insgesamt verstrichen war. Die Ergebnisse variierten, je nachdem welche Fassung der Bibel man zugrunde legte, doch keine der Berechnungen ging über ein paar tausend Jahre hinaus. Als genaueste und maßgeblichste galt die Zeitberechnung von James Ussher, einem anglikanischen Erzbischof im irischen Armagh.
Ussher war einer der bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit; es hieß, seine Privatbibliothek sei die größte in ganz Westeuropa gewesen. Sein ganzes Leben hatte er der Aufstellung seiner Chronologie gewidmet. Als Tag der Erschaffung der Welt nannte er den 23. Oktober 4004 v. Chr. Als Ussher 1656, ein Jahr nach Erscheinen seines Buches, starb, hätte die Welt nach seiner Berechnung also 5660 Jahre alt gewesen sein müssen. Und wie so viele andere glaubte er, dass die Erde wohl auch nicht viel älter werden würde. Sechstausend Jahre galten als Limit für die gesamte Lebensdauer der Erde.

Dies ging ebenfalls aus der Bibel hervor, die nicht nur als verbürgte Geschichtsschreibung, sondern auch als Prophezeiung betrachtet wurde. Die sechs Tage der Schöpfung nach dem Buch Genesis deuteten darauf hin, dass die Welt über sechs Zeitalter bestehen würde. Doch wie lang war solch ein "Zeitalter"? Auch dies wurde angeblich in der Bibel offenbart. "Ein Tag ist für den Herrn wie tausend Jahre", sagte Petrus, "und tausend Jahre sind wie ein Tag." Die Existenz der Erde sollte also auf sechstausend Jahre beschränkt sein.
Für einen Christen konnte die Welt nicht ewig währen, weil nur Gott ewig war. Die Annahme, die Welt sei ewig, stellte in Abrede, dass sie einen Anfang hatte, dass sie von Gott erschaffen, ja, dass sie überhaupt erschaffen worden war. Nach der vorchristlichen zyklischen Zeitvorstellung waren auch die Menschen ewig. Dies beschwor nach christlichem Denken alle möglichen Probleme herauf. Wenn ein Mensch in einem Zyklus Geld ausleihen und im nächsten zurückzahlen konnte, was für manche Heiden eine vollkommen annehmbare Praxis war, dann sah vielleicht auch der Sünder keine Dringlichkeit, seine Schuld vor Gott zu Lebzeiten zu sühnen. Der ganze Erlösungsgedanke wurde in Zweifel gezogen, wenn die Geburt, Kreuzigung und Auferstehung Jesu nicht einmalige Ereignisse darstellten, sondern sich endlos wiederholten. "Gott behüte uns davor, das zu glauben", schrieb der Heilige Augustinus. "Denn Christus starb einmal für unsere Sünden, und indem er wiederauferstanden ist, stirbt er nicht mehr."

Der Bibel zufolge war die Welt ganz klar erschaffen worden, nicht aber ewig. Das Buch Genesis schilderte diesen Vorgang. Einige Theologen, darunter auch Augustinus, erwogen die Möglichkeit, die sechs Tage der Schöpfung metaphorisch zu verstehen - wobei Augustinus meinte, sechs Tage seien viel zu lang für einen allmächtigen Gott, der ein Universum in einem einzigen Augenblick erschaffen könnte, wenn er wollte. Doch selbst wenn man dem Schöpfer eine gewisse Saumseligkeit zubilligte, musste die Geschichte der Erde auf jeden Fall begrenzt sein. Die Zeit verlief in einer einzigen Richtung und machte keine Schleifen; sie hatte einen Anfang und ein Ende.


(Aus "Die Muschel auf dem Berg" von Alan Cutler.
Aus dem Amerikanischen von Harald Stadler.)

Über Nicolaus Steno und die Anfänge der Geologie 
Anatom, Geologe, Mönch - der Lebensweg des Nicolaus Stenonis, genannt Steno (1638-1686) liest sich wie ein Roman. Mitte des 17. Jahrhunderts machte der am Hof der Medici lebende Wissenschaftler mit seinen anatomischen Entdeckungen in ganz Europa von sich reden. Seine unstillbare wissenschaftliche Neugier führte ihn aber nicht nur in die Tiefen des menschlichen Körpers. Durch Zufall stieß er auf die verblüffende Ähnlichkeit zwischen den Zähnen eines von ihm sezierten Hais und den sogenannten Zungensteinen, für deren Herkunft es genauso wenig eine einleuchtende Erklärung gab wie für Muschelfunde im Gebirge. Für Steno war schnell klar, dass es sich bei den Steinfunden um versteinerte Haizähne handelte, dass also an den Fundorten Meer gewesen sein und die Erdoberfläche sich verändert haben musste. Das widersprach jedoch der biblischen Schöpfungsgeschichte. Auf einer abenteuerlichen Entdeckungsreise erkannte Steno, dass die Erde eine Geschichte hat und dass ihre Vergangenheit in der Erdoberfläche wie in einem wohlgeordneten Archiv aufbewahrt ist. Er verstand, in diesem Archiv zu lesen und formulierte als erster bis heute gültige Gesetzmäßigkeiten der Geologie.
Alan Cutler lässt Steno lebendig werden als einen Mann, der in einer Zeit, da wissenschaftliche Erkenntnis das Leben kosten konnte, unbeirrt nur seinen Augen und seinem Verstand vertraute und mit seinen wenigen Schriften das Bild der Menschheit von ihrem Planeten revolutionierte.
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