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Hier fließt das Wasser ruhig dahin und nimmt im Sonnenschein eine smaragdgrüne Farbe an. Ich hätte diesen Ort noch lange bewundert, wäre meine Aufmerksamkeit nicht abgelenkt worden. Denn unweit von uns tauchte auf der ruhigen Wasserfläche plötzlich irgendein schimmernder Gegenstand auf. Wir erkannten den Kopf eines Fischotters. Am liebsten hält sich dieses Tier in fischreichen Flüssen auf, besonders an solchen Stellen, die im Winter nicht einfrieren und wo sich am Ufer Hohlräume unter dem Eis bilden. Man hat herausgefunden, dass der Otter zur Verrichtung seiner Bedürfnisse stets an der gleichen Stelle an Land geht, auch wenn er dazu eine erhebliche Strecke schwimmen muss. Hier stellen die Jäger dann im Ufersand ihre Fallen auf. Hat der Otter in einem Gebiet die Fische ausgerottet, zieht er flussauf- oder -abwärts weiter. Das furchtsame, schlaue und vorsichtige Tier zieht es vor, seine Jagdzüge in Mondnächten zu unternehmen, und lässt sich am Tage selten blicken. Manchmal aber wechseln die Fischotter von einem Fluss in einen anderen über. Die Einheimischen haben gelegentlich Otter in Gebieten weitab eines Flusses erlegt.

Dieser Otter hier hielt einen Fisch im Maul und schwamm ans andere Ufer. Eine Minute später kletterte er auf einen nassen Stein, sein Fell glänzte in der Sonne. Da sah er mich, ließ den Fisch vor Schreck fallen und tauchte flink wieder im Wasser unter. Ich bat meine Reisegefährten, sich im Gebüsch zu verstecken, in der Hoffnung, dass das Tier wieder auftauchen werde, aber der Otter ließ sich nicht mehr blicken. Ich wollte schon wieder weiter, als in der Luft ein Schatten auftauchte und gleich darauf sich ein weißschwänziger Seeadler schwerfällig auf dem Felsen niederließ. Er packte den Fisch und stieg sofort wieder auf. In diesem Augenblick kam auch der Fischotter, freilich schon weit flussabwärts, wieder zum Vorschein. Er war offensichtlich nur aufgetaucht, um nach Luft zu schnappen, denn gleich darauf verschwand er endgültig.
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(Aus "Der Taigajäger Dersu Usala" von Wladimir Arsenjew; 1872-1930)