(...)
Herr Peregrinus Tyß! Ihr seid verliebt.« -
»O sprecht«, fiel Peregrinus dem Meister ins Wort, »o sprecht doch nur nicht so! - Nennt Liebe nicht eine augenblickliche törichte Aufwallung, die schon jetzt vorüber ist!« -
Herr Peregrinus fühlte, daß Glutröte ihm ins Antlitz stieg und ihn Lügen strafte. Er kroch unters Deckbette. »Es ist«, fuhr Meister Floh
fort,»es ist gar nicht zu verwundern, daß auch Ihr dem wunderbaren Liebreiz der Prinzessin Gamaheh nicht widerstehen konntet, zumal sie manche gefährliche Kunst anwandte, Euch zu fangen. Der Sturm ist noch nicht vorüber. Manches Zaubermittel, wie es auch wohl andern anmutigen Weibern, die nicht gerade die Prinzessin Gamaheh sind, zu Gebote steht, wird die kleine Boshafte noch aufbieten, um Euch in ihr Liebesnetz zu verstricken. Sie wird sich Eurer so ganz zu bemächtigen suchen, daß Ihr nur für sie, für ihre Wünsche leben sollt, und dann - weh mir! - Es wird darauf ankommen, ob Euer Edelmut stark genug ist, Eure Leidenschaft zu besiegen, ob Ihr es vorziehen werdet, Gamahehs Wünschen nachzugeben und nicht allein Euern Schützling, sondern auch das arme Völklein, welches Ihr niedriger Knechtschaft entrissen, aufs neue ins Elend zu stürzen, oder der bösen falschen Verlockung eines verführerischen Wesens zu widerstehen und so mein und meines Volkes Glück zu begründen. - O daß Ihr mir das letztere versprechen wolltet - könntet!«
»Meister«, antwortete Herr Peregrinus, indem er die Bettdecke vom Gesichte wegzog, »lieber Meister, Ihr habt recht, nichts ist gefährlicher als die Verlockung der Weiber; sie sind alle falsch, boshaft, sie spielen mit uns wie die Katze mit der Maus, und für unsere zärtlichsten Bemühungen ernten wir nichts ein als Spott und Hohn. Deshalb stand mir auch sonst der kalte Todesschweiß auf der Stirne, sowie sich nur ein weibliches Wesen nahte, und ich glaube selbst, daß mit der schönen Aline oder, wie Ihr wollt, mit der Prinzessin Gamaheh es eine besondere Bewandtnis haben muß, unerachtet ich alles, was Ihr mir erzählt habt, mit meinem schlichten gesunden Menschenverstande gar nicht begreifen kann und es mir vielmehr zumute ist, als läge ich in wirren Träumen oder läse in Tausendundeiner Nacht. - Doch, mag dem sein wie ihm wolle, Ihr habt Euch einmal in meinen Schutz begeben, lieber Meister, und nichts soll mich vermögen,
Euch Euern Feinden auszuliefern, die verführerische Dirne will ich gar nicht wiedersehen. Ich verspreche das feierlich und würde Euch die Hand darauf reichen, hättet Ihr eine dergleichen, die meine zu erfassen und meinen ehrlichen Druck zu erwidern.« -
Damit streckte Herr Peregrinus seinen Arm weit aus über die Bettdecke.
»Nun«, sprach der kleine Unsichtbare, »nun bin ich ganz getröstet, ganz beruhigt. Habe ich auch keine Hand Euch darzureichen, so erlaubt wenigstens, daß ich Euch in den rechten Daumen steche, teils um Euch meine innige Freude zu bezeugen, teils um unser Freundschaftsbündnis noch fester zu besiegeln.«
Herr Peregrinus fühlte auch in dem Augenblick an dem Daumen der rechten Hand einen Stich, der so empfindlich schmerzte, daß er nur von dem ersten Meister aller Flöhe herrühren konnte.
»Ihr stecht«, rief Peregrinus, »ihr stecht ja wie ein kleiner Teufel.« »Nehmt das«, erwiderte Meister Floh, »für ein lebhaftes Zeichen meiner biedern guten Gesinnung. Doch billig ist es, daß ich als Pfand meiner Dankbarkeit Euch eine Gabe zukommen lasse, die zu dem Außerordentlichsten gehört, was die Kunst jemals hervorgebracht hat. Es ist nichts anders als ein Mikroskop, welches ein sehr geschickter, kunstvoller Optiker aus meinem Volk verfertigte, als er noch in Leuwenhoeks Dienste war. Euch wird das Instrument etwas subtil vorkommen, denn in der Tat ist es wohl an einhundertzwanzigmal kleiner als ein Sandkorn, aber der Gebrauch läßt keine sonderliche Größe zu. Ich setze das Glas nämlich in die Pupille Eures linken Auges, und dieses Auge wird dann mikroskopisch. - Die Wirkung soll Euch überraschen, ich will daher für jetzt darüber schweigen und Euch nur bitten, daß Ihr mir erlaubt, die Operation vorzunehmen dann, wenn ich überzeugt bin, daß Euch das mikroskopische Auge große Dienste leisten muß. Und nun schlaft wohl, Herr Peregrinus, Euch ist noch einige Ruhe vonnöten.«
(...)


(aus dem "Meister Floh" von E.T.A. Hoffmann)