Stell dir vor: Du kommst aus
der Wüste,
hast tagelang in einer braunen Wolke gelebt, sengende Tage, kein Dach
über dem Kopf, du willst wieder zu Atem kommen und nimmst die Schaluppe
zur Insel. Du willst keine Menschen sehen, aber es geht doch nicht ohne
sie. Allzulange allein, du hast deine eigene Stimme tagelang nicht
gehört, und dann gerätst du, gegen deinen Willen, mitten in ein Fest.
Ein Unbekannter bietet dir einen Becher Palmwein an, du schmeckst
nichts, deine Kehle ist zu rau für einen feinen Geschmack, aber du bist
ausgedörrt und trinkst und trinkst ... und vor dir tanzt ein Junge, der
brennt wie eine Fackel. Du traust deinen Augen nicht, aber seine Hitze
brennt auf deiner Haut.
Ja, ich habe gespürt, was ich sah, damals, in der ersten Nacht auf der
Insel ...
Es war auf dem großen Platz, auf der Sandfläche, wo der Baobab, der
Affenbrotbaum, steht und viele Flüchtlinge wohnen. Es war dunkel, eine
mondlose Nacht, nirgendwo ein Licht, ich wusste natürlich nicht, dass
der Strom wieder einmal ausgefallen war. Nur eine Fackel erleuchtete den
Platz, und in ihrem Schein tanzte ein Junge. Der weiße Sand reflektierte
die Flammen, die Häuser bewegten sich im flackernden Schatten mit, und
auch die Gesichter der Palmweintrinker glühten auf. Auf einem Stuhl saß
ich mitten unter ihnen. Ehrengast des verbotenen Bacchanals.
Der Junge verschlang brennendes Schilf. Seine Lippen waren schwarz, und
wenn er lachte, funkelten seine Zähne.
Neben ihm stand ein rotes Fass mit einem eisernen Ausguss. Er sprenkelte
die Flüssigkeit über seinen Körper und begann dabei, sich wild im Kreis
zu drehen. Das brennende Schilf tanzte mit ... verschwunden war sein
Gesicht, sein schöner Brustkorb. Ein Feuerball rollte über den Sand. Ich
sprang auf, wollte ihn löschen, aber fremde Hände drückten mich auf den
Stuhl zurück. Der Junge warf sich zu Boden und leckte die Flammen auf.
Er küsste das Feuer.
Die Vorbeigehenden beachteten ihn nicht, sahen weg, zu Boden, vielleicht
hatten sie Angst, im Dunkeln zu stolpern. Keiner warf dem Feuertänzer
eine Münze zu. War das für sie alltäglich? Wenn ein Kind mit
aufgerissenem Mund stehenblieb, um zuzuschauen, zogen die Eltern es
eilends weiter, als wäre es ihnen peinlich. Aber die Trinker auf dem
Gehsteig vor dem besetzten Haus trieben den Jungen an, sie trommelten
auf einem halbvollen Kanister. Als die Flammen in sich zusammensanken,
lief einer von ihnen nach vorn und füllte das rote Fass nach. Brennen
musste er, und tanzen.
Ein Gewürzhändler, er stellte sich als Sow vor, hatte mich zu dem Platz
gebracht. Ich müsse einmal Palmwein probieren. Die Fischer hätten sich
ein paar Liter beschaffen können. Das sei die Gelegenheit, sagte er
geheimnisvoll. Die Bäume standen noch gut im Saft. Wer nie Palmwein
gekostet hat, der weiß nichts von Afrika.
Aber man musste Glück haben, er war immer schwerer zu bekommen,
eigentlich war es verboten.
(Aus "Palmwein oder Die
Liebe zu Afrika" von Adriaan van Dis.
Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas.)
Susan Courtland, eine weiße Amerikanerin, ist auf einer
Insel vor der westafrikanischen Küste hängen geblieben. Sie ist hin und
her gerissen zwischen der Liebe zu einem Eingeborenen und einem weißen
Reeder. Und sie mischt sich in die politischen Querelen der
Inselbewohner ein. Eine leidenschaftliche und anschauliche Erzählung,
eingebettet in das großartige Panorama des afrikanischen
Kontinents.
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