Am Anfang stand eher Ungeschicklichkeit
als Gewandtheit. Um es anders zu sagen: der Entdeckung waren zwei Schnitzer
vorausgegangen.
Es war der Neujahrstag 1755, etwa in der Mitte von Lord Montforts Dinner, als
ich zum ersten Mal stolperte. Die Platte, die ich servierte, kippte leicht zur
Seite, und die als Pyramide
angerichteten Orangen kullerten über den Smyrnateppich. Rot vor Scham kauerte
ich mich hin, um sie einzusammeln, durch einen Wald von seidenbestrumpften Menschen-
und mahagonibraunen Stuhlbeinen. Aber ich hätte mich nicht sorgen müssen; niemand
hatte es bemerkt. Sie waren aufgewühlt und alarmiert durch die Ursache meines
Missgeschicks - den ohrenbetäubenden Knall eines Schusses, der unvermittelt
ihr kleines Fest unterbrochen hatte.
Die acht Leute im Raum mussten erkannt
haben, dass die Quelle dieses Geräuschs sehr nah war, höchstwahrscheinlich im
selben Haus, vielleicht sogar im Zimmer nebenan. Der Widerhall war im ganzen
Haus zu hören, ein wirklich ohrenbetäubender Knall, noch ohrenbetäubender
vielleicht durch seine Plötzlichkeit; laut genug, um die Tür erzittern und das
Glas in den Fensterrahmen klirren zu lassen; laut genug, um mir noch ein paar
Minuten lang in den Ohren zu dröhnen.
Worauf deutete das hin? Von wo war die
Explosion gekommen? Aus Gründen, die ich nicht verstand, waren diese Fragen in
jedem Gesicht zu lesen, wurden aber nicht ausgesprochen. Man schrie auf, presste
die Hände an die Ohren, wie um den durchdringenden Lärm fernzuhalten, aber
keiner kam auf den Kernpunkt. Keiner stellte die naheliegendste Frage: Was war
mit ihrem Gastgeber, Lord Montfort? Die Herren schritten steifbeinig den Raum ab
oder saßen kerzengerade in ihren Stühlen. Einer von ihnen (ich weiß nicht, wer,
denn ich kroch zu diesem Zeitpunkt immer noch auf dem Boden herum) stieß die
einzige Frage hervor, deren Antwort klar auf der Hand lag. "Was in Gottes Namen
war das?"
"Ein Schuss."
"Ein Schuss, sagen Sie?"
"Jawohl, ein
Schuss."
Da ihr Gatte fehlte, hätte die Herrin des Hauses, Lady Montfort,
vielleicht die Sache in die Hand nehmen müssen. Während aber die anderen Damen
raschelnd und kreischend aufgesprungen waren, wie erschreckte Fasane, die ein
Treiber aufgescheucht hat, schien sie ihre Pflichten vergessen zu haben. Sie
drehte mit ihrem Zeigefinger an einem Ring, saß verängstigt und schweigend da,
und ihre Schultern zuckten vor unterdrückter Erregung.
Um die Wahrheit zu
sagen: Obwohl ich hier praktisch ein Fremder war, hielt ich ihr Verhalten nicht
für ungewöhnlich. Von Anfang an war mir an Horseheath Hall nicht nur die
Atmosphäre der Abgeschottetheit aufgefallen - ich bin ans Stadtleben gewöhnt und
fand die Entlegenheit des Anwesens beunruhigend -, sondern auch seine
eigentümliche Grundstimmung. Dies war mein sechster Tag hier im Haus; je länger
ich da war, desto mehr verstärkte sich mein Eindruck, dass dem Herrenhaus bei
allem bemühten Luxus eine wesentliche Eigenschaft fehlte. Horseheath Hall
mangelte es an der grundsätzlichen Wärme, die bloßen Stein und Ziegel und Böden
und Fenster zu jener Einheit macht, die den Namen Zuhause verdient. Die
eleganten Räume waren in Schatten getaucht. Das verzierte Mobiliar, die
Damastvorhänge und allerlei Ornamente füllten nicht die Leere; ebenso wenig
wurde sie jemals von Sonnenlicht oder einem Feuer erwärmt.
Diese bedrückende
Kälte schien auch die Bewohner ergriffen zu haben, und ganz besonders die
unglückliche Herrin des Hauses. Elizabeth Montfort war noch eine junge Frau,
vielleicht zweiundzwanzig Jahre alt, und doch war nichts von jugendlicher
Ausgelassenheit an ihr, keine Lebendigkeit, keine Unbekümmertheit in ihrem
Gesichtsausdruck wie in ihrem Gemüt. Soweit ich es mitbekam, war ihr Auftreten
durch Ängstlichkeit und ungewöhnliche Unruhe bestimmt. Ihre Gesichtsfarbe war
fahl, das Gesicht selber flach, die Augen blassblau und ziemlich hervorstehend,
was ihren gehetzten Ausdruck noch verstärkte. Wann immer ich ihr in den
vergangenen Tagen begegnete, ob beim Schreiben eines Briefes, bei Stickarbeiten
oder einfach nur bei teilnahmslosen Gängen durch das Haus, schien sie zu
erstarren, als ob meine Erscheinung ihr irgendwie Furcht einflößte.
An
diesem Abend steigerte sich ihre Nervosität, als die Stimmung ihres Gatten immer
launischer wurde. Sein cholerischer Ausbruch raubte ihr schließlich jeden Rest
von Fassung. Danach saß sie da und krallte sich mit den Händen ins Tischtuch,
als sei sie bis in die Tiefe ihrer Seele erschrocken und fürchte nichts mehr,
als dass er jeden Moment zurückkommen und sie erneut schelten möge.
Es war
dann Lord Foley, der älteste der anwesenden Gäste, der zügig das Kommando
übernahm. Er veranlasste, dass alle Bediensteten sich auf die Suche nach dem
Ursprung des Knalls machten. Als ich blieb (da ich mich nicht als Diener
betrachtete, fühlte ich mich nicht verpflichtet, seiner Anweisung zu folgen),
bemerkte er meine Saumseligkeit rasch; daraufhin schnippte er mit den Fingern,
runzelte seine raupenähnliche Stirn und schickte mich weg, so schroff, wie
jemand einem Hund befiehlt, einer Fährte zu folgen.
Da ich mich einem solchen
Befehl nicht widersetzen konnte, verbeugte ich mich in angemessener Ehrerbietung
und verschwand so schnell, dass ich ihn vermutlich in Erstaunen versetzte. Aber
warum trödeln, wenn für mich völlig klar war, wohin ich zu gehen hatte?
Natürlich wusste Lord Foley damals nicht, wen er herumkommandierte, wusste
nicht, dass ich in gewissem Sinne ein Hochstapler war, wusste nicht, dass es im
ganzen Haus nur einen Raum gab, der mich interessierte. Mein Ziel war Lord
Montforts neue Bibliothek.
Von der Schwelle aus spähte ich hinein. Der Raum
war schwärzer als der Mantel eines Trauergastes. Keine Kerze brannte, nur ein
Hauch von Januarkälte wehte herüber, dazu das Geräusch von klappernden
Fensterscheiben und flatterndem Stoff und dort, wo ein Feuer hätte brennen
sollen, das gähnende Maul eines Kamins. Gedankenlos, ohne den leisesten Anflug
von Angst - denn ich war kräftig und einundzwanzig Jahre alt und wusste so wenig
von der Welt, dass ich über die Schrecken nur lachen konnte, die sie vielleicht
bereithielt -, ging ich hinaus, nahm einen Kerzenleuchter und tauchte wieder ein
in das höllische Dunkel.
Das schwache Licht zeigte mir, dass nicht die
Anwesenheit eines Geistes, sondern ein offenes Fenster auf der anderen Seite des
Raums die Luft eisig machte und die Vorhänge bauschte. Ich begann, mich quer
durch den Raum vorwärts zu bewegen, um das Fenster zu schließen, bevor ich
weitere Wagnisse einging. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich die in Samt
gekleidete Gestalt von Lord Foley, der wie ein fremdartig schillernder Käfer nun
seinen Weg in einiger Entfernung hinter mir suchte. Ich machte den großen
Bücherschrank den Fenstern gegenüber ausfindig und begann, mich Zentimeter für
Zentimeter an ihm entlang zu tasten, Lord Foley immer ein paar Meter hinter mir.
Unsere Lichter warfen spärliche gelbe Flecken über klobige Möbelstücke. Wir
bewegten uns langsam vorwärts, mit auf den Dielen knarrenden Schritten, und
hielten die Kerzen über unseren Köpfen so elegant, wie es die Tänzer bei den
Sommerfesten in Vauxhall Gardens tun.
Ich hatte gerade mal ein halbes Dutzend Schritte
gemacht, als mein Fuß gegen ein unsichtbares Objekt stieß. Ich verlor den
Kontakt mit dem Bücherschrank und rutschte weg, gebremst nur durch ein weiteres
Hindernis, das im Dunkel lag. Zum zweiten Mal an jenem Abend stolperte ich und
verlor, was ich in der Hand hielt. Zuerst fiel die Kerze zu Boden und erlosch,
und im nächsten Augenblick landete ich neben ihr.
Wie ich schon gesagt
habe, war Furcht bis dahin für mich ein Fremdwort gewesen. Bis zu jenem Moment.
Als ich mich aber in der Finsternis wiederfand, blind umhertastete und auf Lord
Foley wartete, erkannte ich, dass sie plötzlich in mir aufstieg wie ein Klumpen
in der Kehle, dass sie meine Achselhöhlen schweißnass werden ließ und unter
meiner Perücke stach. Wenn ich zurückdenke, glaube ich, dass ich eine Vorahnung
der Gefahr gehabt hatte. In meinen Knochen spürte ich, dass mich etwas
Schreckliches dort im Dunkel erwartete, noch bevor ich es sah.
"Was ist
passiert, Mann?", fragte Lord Foley, als er näher kam.
"Ich kann es nicht
sehen, Eure Lordschaft", antwortete ich, als ich mich aufrichtete und mir den
Kopf rieb. "Mein Fuß ist gegen etwas gestoßen, und ich bin gefallen. Wenn Sie so
freundlich sein möchten, mir Ihre Kerze zu bringen, werde ich sehen, was es
ist."
Er senkte sein Licht; ich blinzelte durch die gelb flackernde Flamme,
um das Hindernis auszumachen, das mich gefällt hatte.
Es war der Leichnam
eines Mannes. Er lehnte mit ausgestreckten Armen und Beinen an einem Gemälde, Der Tod des Ikarus (ein
Werk von bescheidener Qualität, wie mir Lord Foley später erklärte), das gegen
den Bücherschrank gelehnt worden war, um später aufgehängt zu werden.
Ich
sage "Leichnam", weil die betrübliche Lage des Mannes deutlich machte, dass er
tot war. Sein vornüber gefallener Kopf ruhte nun auf den kreisförmig sich
ausbreitenden Falten des Kinns. Geronnenes Blut, wie Maden, die sich an einer
Pflaume gütlich tun, trat aus einer runden Wunde an seiner Schläfe aus. Dieses
Gemisch aus Hirn, Blut und Knochen hatte seine Perücke verfilzt und eine
schmierige Spur hinterlassen, die sich mit einigen Tropfen Speichel vereinte,
der von seinen Lippen troff. Von diesem Anblick betäubt und angeekelt, war ich
auf dem Boden festgewachsen wie ein Schwachsinniger. Sogar in seiner entstellten
Gestalt erkannte ich das groteske Gesicht mit seiner zerfressenen Knollennase
und den dicken, fleischigen Lippen, erkannte den massigen Leib, gekleidet in
Seide, Spitze und Samt. Es war mein Auftraggeber in den vergangenen Tagen, der
Besitzer des Anwesens, Lord Montfort. Zu Lebzeiten hatten Lord Montforts
cholerisches Temperament und sein Hang zur Ausschweifung seine Wangen gerötet.
Im Tod war jegliche Farbe gewichen. Von dem Blut abgesehen, das aus seiner Wunde
sickerte, war das vormals rot blühende Fleisch jetzt farblos und fleckig. Wie
lebhaft ich mich an die unnatürlichen Farbtöne erinnere, die Foleys Kerze
beleuchtete: das Weiß aus Knochen, gepuderter Perücke und gestärktem Halstuch im
Kontrast zum lila verfärbten Fleisch und dem karmesinroten geronnenen Blut.
Jeder Anflug jugendlicher Kühnheit war in mir erstorben. Schweißperlen bedeckten
meine Stirn. Ich konnte mein eigenes Herz schlagen hören. Wie lange ich so
reglos verharrte, weiß ich nicht, nur, dass ich irgendwann der dürren Gestalt
Lord Foleys neben mir gewahr wurde. Er beugte sich über Montfort, schüttelte
ungläubig den Kopf und murmelte immer wieder in sich hinein: "Was ist das? Was
ist das? Das kann ich ... Das kann ich nicht gewesen sein."
Die heftige
Bewegung in seiner Stimme löste mich aus meiner Starre. Ich hob den Kopf in
seine Richtung. Seine Kerze stand nun auf dem Boden, und ihr Licht warf die
riesige verzerrte Silhouette seines Profils an die Decke - eine vorspringende
Stirn, eine große Hakennase, ein vorstehendes Kinn - und zeigte mir eine
monströs hässliche Person.
"Ich bin ganz sicher, dass Eure Lordschaft das
nicht gewesen ist", sagte ich, obwohl ich keine Ahnung hatte, wovon er
eigentlich sprach.
"Wie bitte? Wissen Sie, mit wem Sie sprechen? Wie können
Sie begreifen, was hier vorgefallen ist? Von all dem haben Sie keine Ahnung. Das
ist nicht Ihre Angelegenheit."
Sein bissiger Ton hätte mich nicht erstaunen
sollen - ich gehörte einer niedrigeren Schicht an (auch wenn ich nicht exakt der
Diener war, für den er mich hielt), und ich hatte es gewagt, mit ihm ohne den
Respekt zu sprechen, den er erwartete. Mein Gesicht glühte angesichts der
Schroffheit seiner Zurechtweisung, aber ich verstand seinen Ton. Er war in
diesem Haus ein geladener Gast, ein Adliger; es hätte mir angestanden, eine
etwas unterwürfigere Haltung anzunehmen.
Ich murmelte eine Entschuldigung, zündete meine Kerze
wieder an, schob Montforts Kopf zurück und suchte seinen Hals nach Anzeichen
von Leben ab. Seine Haut war schon klamm von der Kälte, die die Knochen auskühlte;
es gab nicht den geringsten Pulsschlag. Meine Augen hatten sich jetzt mehr an
das düstere Licht gewöhnt, und ich meinte, zwischen seine fleischigen Wangen
geklemmt eine schwarz glänzende Raute wahrzunehmen, etwa so lang wie mein Daumen.
Ich riss meine Augen auf, schob seinen Kopf wieder zurück, diesmal nur leicht,
und beugte mich nach vorn, um seinen Hals zu untersuchen. Man kann sich meine
Überraschung vorstellen, als ich entdeckte, dass das schwarze Etwas nicht einzeln
vorkam, sondern eins von mehreren war. Vorsichtig berührte ich eines davon.
Es fiel in meine Hand, pulsierend und schleimig, und hinterließ ein Bläschen
granatroten Bluts auf Montforts Hals.
"Mein Gott!", rief ich aus und schlenkerte heftig mit der
Hand, um das Zeug loszuwerden.
"Was ist los?", fragte Lord Foley
ungehalten.
"Er ist voller Blutegel."
Kaum hatte ich diese Worte
ausgesprochen, als eine Welle von Übelkeit in meinem Magen aufstieg. Mir wurde
glühend heiß in meiner Kleidung, mein Kopf brannte unter meiner Perücke, nur das
Gesicht und die Hände waren kalt und klamm wie der Tod selbst. Die Hitze in mir
und die Kälte meiner Haut versetzten meinen Körper in ein unkontrollierbares
Zittern. Das machte mein Elend noch schlimmer. Es demütigte mich, mich in einem
solch bemitleidenswerten Zustand vor Lord Foley zu präsentieren, und doch war
ich völlig außerstande, ihn irgendwie zu unterdrücken. Und im selben Moment kam
mir noch ein anderer unangenehmer Gedanke. Das Schauspiel, das ich bot,
unterschied sich in nichts von dem, das ich kaum fünf Minuten vorher ohne jedes
Verständnis beobachtet hatte. Ich reagierte genauso wie Elizabeth Montfort, die
Gattin des unglücklichen Opfers, als sie den Gewehrknall gehört
hatte.
Foley zündete eine neue Kerze an und näherte sich ungerührt
Montforts Hals. Er sah die Viecher, die ich beschrieben hatte, und seine Lippen
kräuselten sich vor Zorn. "Also kommen Sie, Mann", sagte er und blähte die
Nüstern seiner Hakennase, "seien Sie nicht so zimperlich. Zur Ader gelassen zu
werden passiert schließlich ständig - ein Allheilmittel für alle möglichen
Krankheiten."
Ich schnappte nach Luft und atmete tief ein, um die Übelkeit
zurückzuhalten, die jede Minute stärker wurde. "Ich weiß sehr wohl um die
Wohltaten eines Aderlasses, Sir ... Aber die Blutegel haben mich erschreckt. Ich
hatte sie nicht erwartet ... unter diesen ... diesen ... Umständen."
"Ich
gebe zu, sie sind nicht gerade ein schöner Anblick", meinte Foley und bückte
sich tief, um Montforts Hals zu begutachten, auf dem sich rund ein Dutzend oder
mehr Blutegel tummelten, "aber sie sind bei weitem nicht so ekelhaft, wie Sie
sie machen." Er warf mir erneut einen Blick zu und erkannte vermutlich, wie übel
mir war. "Wenn Sie sich übergeben wollen, Mann, dann gehen Sie schnell und
machen das am Fenster."
Unverständliche Worte der Entschuldigung
murmelnd, schwankte ich durch den Raum, die Hand auf den Mund gepresst, zum
offenen Fenster. Ich streckte meinen Kopf hastig hinaus, sodass sich der
dampfende Inhalt meines Magens nach draußen ergießen konnte. Zum Glück kehrte
ich Foley den Rücken zu, und das schlimmste Stadium meiner Erniedrigung blieb
ihm verborgen, obwohl ich wusste, dass er mein Spucken und Würgen kaum überhören
konnte. Dieses Wissen steigerte nur meine Qual. Während der ganzen Zeit, in der
mein Magen von Spasmen gepeinigt wurde, befand sich mein Geist in einem
vergleichbaren Aufruhr. Dies war die erste Leiche, die ich gesehen hatte, und,
wie ich schon erwähnt habe, hielt ich mich bis zu dem Moment, als ich sie
erblickte, für völlig unempfänglich Furcht oder Ekel gegenüber. Nun musste ich
einsehen, dass ich nicht mehr Mut als ein Hase hatte.
Foley zeigte nicht
ein Jota Anteilnahme an meinem Elend. Er setzte seinen Monolog fort, während ich
mich aus dem Fenster erbrach, obwohl ich nicht in der Lage war, ihm zu folgen.
Selbst als ich aufmerksamer zuhörte, waren die meisten seiner Worte für mich
undeutliches Gebrabbel. Der einzige Satz, den ich deutlich verstand, war dieser:
"Was über meinen Verstand geht, ist, warum er sich ausgerechnet dieses
Abendessen ausgesucht haben sollte, um sich zur Ader zu lassen."
Das
Geräusch, als ich das Fenster schloss, lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf
mich. Ich schwankte zu ihm zurück und spürte, wie eine Welle von Missbilligung
mir entgegenschlug. Plötzlich sprach er mich direkt an. "Jedenfalls, wie ich
Ihnen schon gesagt habe, das hier ist nicht Ihre Angelegenheit. In der Tat würde
ich sagen, wenn hier jemand fehl am Platze ist, dann ist es eine Kreatur wie
Sie. Wer zum Teufel sind Sie? Ich schwöre, ich habe Sie niemals zuvor hier
gesehen!"
"Eure Lordschaft hat Recht", gestand ich ein und schluckte, um den
üblen Nachgeschmack in meinem Mund loszuwerden. "Vor heute Abend sind wir uns
noch nie begegnet. Mein Name ist Nathaniel Hopson, und ich gehöre überhaupt
nicht hierher."
(Aus dem historischen Roman "Der
zerbrochene Ring" von Janet Gleeson.
Aus dem Englischen von Jochen Schimmang.)
Vor dem Hintergrund wahrer
Begebenheiten um den berühmten Londoner Kunsttischler Thomas Chippendale erzählt
Erfolgsautorin Janet Gleeson von den Sitten und Gebräuchen der feinen
Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Und löst ganz nebenbei einen spannenden
Kriminalfall. Eine vergnügliche Bildungsreise in eine vergangene Zeit.
Ein
Schuss schreckt die Damen und Herren auf, die am Neujahrstag des Jahres 1755 auf
dem Landsitz Horseheath zu Tisch sitzen. Wenig später wird der Hausherr Lord
Montfort tot in seiner neuen Bibliothek gefunden. Nathaniel Hopson, der die
kostbaren Möbel der Bibliothek im Auftrag des berühmten Londoner Schreiners
Thomas Chippendale aufgebaut hat, macht einen weiteren schrecklichen Fund: Im
See des Anwesens liegt die Leiche seines unter mysteriösen Umständen
verschwundenen Freundes John Partridge, einem sehr begabten Mitarbeiter von
Thomas Chippendale. Hängt der Tod Partridges mit dem scheinbaren Selbstmord von
Lord Montfort zusammen? Welche Rolle spielt dessen Nachbar Lord Foley, dem
Montfort kurz vor seinem Tod zur Begleichung von Spielschulden einen Großteil
seines Besitzes überschrieben hat? Foley beauftragt Nathaniel zu ermitteln. Und
stellt ihn damit vor schier unlösbare Widersprüche.
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