Stöhnte und presste ins Kissen den Mund: "Ich sterbe ohn` Rache,
will aber sterben: So! so gehe ich gern zu den Schatten.
Weide der grausame Dardaner nur vom Meere an diesem
Brande den Blick, stets schwebe um ihn das Bild meines Todes."
Und noch während der Worte sehn ihre Frauen sie jäh zu
Boden gesunken vom Stoß des Eisens, sehen vom Blute
schäumen das Schwert und die Hände bespritzt; zum hohen Palast dringt
Klage, Fama rast durch die tieferschütterte Stadt hin.
Laut von Jammern und Stöhnen und Weheschreien der Weiber
gellen die Häuser, es hallt von gewaltiger Klage der Äther,
so, als rase der Feind in der Stadt, als stürze zusammen
ganz Karthago jetzt oder Tyrus, das alte, und Flammen
wälzten sich wild durch die Häuser empor der Menschen und Götter.
Atemlos hört es die Schwester und hetzenden Laufs voll Entsetzen,
mit ihren Nägeln das Antlitz misshandelnd, die Brust mit den Fäusten,
drängt durch die Menge sie, ruft die Sterbende jammernd mit Namen:
"Das also war es, o Schwester, so suchtest du mich zu betrügen,
das also sollte der Holzstoß mir, der Brand, die Altäre?
Was nur beklag ich Verlassne zuerst? Das Geleit deiner Schwester
hast du sterbend verschmäht? Vergonntest du gleiches Geschick mir,
nahm uns beide zugleich ein Schwert, ein Schmerz, eine Stunde.
Hier mit den Händen noch baute ich dies, rief laut zu der Heimat
Göttern, um grausam ferne zu sein, als so du gebettet.
Schwester, du tötetest dich und mich, dein Volk und die Väter
Sidons und hier deine Stadt! Kommt, reinigen lasst mich mit klarem
Wasser die Wunden, und irrt noch ein letzter Hauch um die Lippen,
trinke mein Kuss ihn!" So sprach sie und hatte den Holzstoß bestiegen,
hegte die Schwester, die Halbentseelte, wärmend im Schoße,
stöhnte und suchte das schwarze Blut mit dem Kleide zu trocknen.
Jene, bemüht, zu erheben die schweren Augen, versinkt in
Ohmacht wieder, es zischt in der Brust die klaffende Wunde.
Dreimal hob sie, gestemmt auf den Ellenbogen, empor sich,
dreimal sank sie zurück und suchte flackernden Auges
hoch am Himmel das Licht und seufzte, da sie`s gefunden.


Juno indes, die allmächtige, sah voll Erbarmen dies lange
Leiden, den qualvollen Tod und sandte herab vom Olymp jetzt
Iris, zu lösen das Ringen der Seele, die Fesseln der Glieder.
Denn da weder durch Schicksal sie starb noch verschuldeten Todes,
sondern aus Gram vor der Zeit und gepackt vom plötzlichen Wahnsinn,
schnitt Proserpina ihr noch nicht vom Scheitel das blonde
Haar und weihte ihr Haupt noch nicht dem stygischen Orkus.
Iris, schimmernd von Tau, auf Safranfittichen schwebend,
tausend Farben bunt gegenüber der Sonne versprühend,
fliegt durch den Himmel hernieder und tritt ihr zu Häupten: "Dem Pluto
weih ich gehorsam dies Haar und löse dich hier von dem Leibe."
Also spricht sie und schneidet das Haar mit der Rechten; sogleich schwand
alle Wärme dahin, das Leben entwich in die Lüfte.


(aus der "Aeneis" des Vergil; 71-19 v. Chr.)
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