(...) Einsmals zu End des Mai, als ich abermal durch mein gewöhnlich, obzwar verbotenes Mittel meine Nahrung holen wollte und zu dem Ende zu einem Baurnhof gestrichen war, kam ich in die Küchen, merkte aber bald, daß noch Leut auf waren (Nota, wo sich Hund befanden, da kam ich wohl nicht hin), derowegen sperrete ich die eine Küchentür, die in Hof ging, angelweit auf, damit wenn es etwa Gefahr setzte, ich stracks ausreißen könnte; blieb also mausstill sitzen, bis ich erwarten mochte, daß sich die Leut niedergelegt hätten: Unterdessen nahm ich eines Spalts gewahr, den das Küchenschälterlein hatte, welches in die Stuben ging; ich schlich hinzu, zu sehen, ob die Leut nicht bald schlafen gehen wollten? aber meine Hoffnung war nichts, denn sie hatten sich erst angezogen und anstatt des Lichts eine schweflichte blaue Flamm auf der Bank stehen, bei welcher sie Stecken, Besen, Gabeln, Stühl und Bänk schmierten und nacheinander damit zum Fenster hinaus flogen. Ich verwundert mich schrecklich und empfand ein großes Grausen; weil ich aber größerer Erschrecklichkeiten gewohnt war, zumal mein Lebtag von den Unholden weder gelesen noch gehört hatte, achtet ichs nicht sonderlich, vornehmlich weil alles so still herging, sondern verfügte mich, nachdem alles davongefahren war, auch in die Stub, bedachte was ich mitnehmen und wo ich solches suchen wollte, und setzte mich in solchen Gedanken auf eine Bank schrittlings nieder; ich war aber kaum aufgesessen, da fuhr ich samt der Bank gleichsam augenblicklich zum Fenster hinaus, und ließ mein Ranzen und Feurrohr, so ich von mir gelegt hatte, für den Schmierberlohn und so künstliche Salbe dahinten. Das Aufsitzen, Davonfahren und Absteigen geschah gleichsam in einem Nu! denn ich kam, wie mich bedünkte, augenblicklich zu einer großen Schar Volks, es sei denn, daß ich aus Schrecken nicht geacht hab, wie lang ich auf dieser weiten Reis zugebracht; diese tanzten einen wunderlichen Tanz, dergleichen ich mein Lebtag nie gesehen, denn sie hatten sich bei den Händen gefaßt und viel Ring ineinander gemacht, mit zusammengekehrten Rücken, wie man die drei Grazien abmalet, also daß sie die Angesichter herauswärts kehrten; der inner Ring bestund etwa in sieben oder acht Personen, der ander hatte wohl noch so viel, der dritte mehr als diese beiden und so fortan, also daß sich in dem äußern Ring über zweihundert Personen befanden; und weil ein Ring oder Kreis um den andern links und die anderen rechts herum tanzten, konnte ich nicht sehen, wieviel sie solcher Ring gemacht, noch was sie in der Mitten, darum sie tanzten, stehen hatten. Es sah eben greulich seltsam aus, weil die Köpf so possierlich durcheinander haspelten. Und gleichwie der Tanz seltsam war, also war auch ihre Musik, auch sang, wie ich vermeinte, ein jeder am Tanz selber drein, welches ein wunderliche Harmoniam abgab; meine Bank die mich hintrug, ließ sich bei den Spielleuten nieder, die außerhalb der Ringe um den Tanz herum stunden, deren etliche hatten anstatt der Flöten, Zwerchpfeifen und Schalmeien nichts anders als Nattern, Vipern und Blindschleichen, darauf sie lustig daherpfiffen: etliche hatten Katzen, denen sie in Hintern bliesen und auf dem Schwanz fingerten, das lautet' den Sackpfeifen gleich: andere geigeten auf Roßköpfen wie auf dem besten Diskant, und aber andere schlugen die Harfe auf einem Kuhgerippe, wie solche auf dem Wasen liegen; so war auch einer vorhanden, der hatte eine Hündin unterm Arm, der leiert' er am Schwanz und fingert' ihr an den Dütten, darunter trompeteten die Teufel durch die Nase, daß es im ganzen Wald erschallete, und wie dieser Tanz bald aus war, fing die ganze höllische Gesellschaft an zu rasen, zu rufen, zu rauschen, zu brausen, zu heulen, zu wüten und zu toben, als ob sie alle toll und töricht gewesen wären. Da kann jeder gedenken, in was Schrecken und Furcht ich gesteckt.
In diesem Lärmen kam ein Kerl auf mich dar, der hatte ein ungeheure Krott unterm Arm, gern so groß als eine Heerpauke, der waren die Därm aus dem Hintern gezogen und wieder zum Maul hineingeschoppt, welches so garstig aussah, daß mich darob kotzerte: »Sieh hin Simplici«, sagte er, »ich weiß, daß du ein guter Lautenist bist, laß uns doch ein fein Stückchen hören.« Ich erschrak, daß ich schier umfiel, weil mich der Kerl mit Namen nennete, und in solchem Schrecken verstummte ich gar und bildete mir ein, ich läge in einem so schweren Traum, bat derowegen innerlich im Herzen, daß ich doch erwachen möchte, der mit der Krott aber, den ich steif ansah, zog seine Nasen aus und ein wie ein kalekutscher Hahn, und stieß mich endlich auf die Brust, daß ich bald davon erstickte; derowegen fing ich an überlaut zu Gott zu rufen, da verschwand das ganze Heer. In einem Hui wurde es stockfinster und mir so fürchterlich ums Herz, daß ich zu Boden fiel und wohl hundert Kreuz vor mich machte.

Das 18. Kapitel

Warum man Simplicio nicht zutrauen soll, daß er sich des großen Messers bediene

Demnach es etliche und zwar auch vornehme gelehrte Leut darunter gibt, die nicht glauben, daß Hexen oder Unholde seien, geschweige daß sie in der Luft hin und wider fahren sollten; also zweifele ich nicht, es werden sich etliche finden, die sagen werden, Simplicius schneide hier mit dem großen Messer auf: Mit denselben begehre ich nun nicht zu fechten, denn weil Aufschneiden keine Kunst, sondern jetziger Zeit fast das gemeineste Handwerk ist, also kann ich nicht leugnen, daß ichs nicht auch könnte, denn ich müßte ja sonst wohl ein schlechter Tropf sein. Welche aber der Hexen Ausfahren verneinen, die stellen sich nur Simonem den Zauberer vor, welcher vom bösen Geist in die Luft erhaben wurde und auf S. Petri Gebet wieder herunter gefallen. Nicolaus Remigius, welcher ein tapferer, gelehrter und verständiger Mann gewesen und im Herzogtum Lothringen nicht nur ein halb Dutzend Hexen verbrennen lassen, erzählet von Johanne von Hembach, daß ihn seine Mutter, die eine Hex war, im sechzehnten Jahr seines Alters mit sich auf ihre Versammlung genommen, daß er ihnen, weil er hatte lernen pfeifen, beim Tanz aufspielen sollte; zu solchem End stieg er auf einen Baum, pfiff daher und siehet dem Tanz mit Fleiß zu (vielleicht weil ihm alles so wunderlich vorkam). Endlich spricht er: »Behüt lieber Gott, woher kommt so viel närrisch und unsinniges Gesind?« Er hatte aber kaum diese Wort ausgesagt, so fiel er vom Baum herab, verrenkt' eine Schulter und ruft' ihnen um Hilf zu, aber da war niemand als er; wie er dieses nachmals ruchbar machte, hieltens die meisten für ein Fabel, bis man kurz hernach Catharinam Praevotiam Zauberei halber fing, welche auch bei selbigem Tanz gewesen, die bekannte alles wie es hergangen, wiewohl sie von dem gemeinen Geschrei nichts wußte, das Hembach ausgesprengt hatte. Majolus setzet zwei Exempel, von einem Knecht, so sich an sein Frau gehängt, und von einem Ehebrecher, so der Ehebrecherin Büchsen genommen, sich mit deren Salben geschmiert und also beide zu der Zauberer Zusammenkunft kommen sind. So sagt man auch von einem Knecht, der frühe aufgestanden und den Wagen geschmiert, weil er aber die unrechte Büchs in der Finstere ertappt, hat sich der Wagen in die Luft erhoben, also daß man ihn wieder herabziehen müssen. Olaus Magnus erzählet in lib. 3 Hist. de gentibus Septentrional. I. cap. 19, daß Hadingus König in Dänemark wieder in sein Königreich, woraus er durch etliche Aufrührer vertrieben worden, fern über das Meer auf des Othini Geist durch die Luft gefahren, welcher sich in ein Pferd verstellt hätte. So ist auch mehr als genugsam bekannt, wasgestalt teils Weiber und ledige Dirnen in Böhmen ihre Beischläfer des Nachts einen weiten Weg auf Böcken zu sich holen lassen. Was Torquemadius in seinem Hexamerone von seinem Schulgesellen erzählt, mag bei ihm gelesen werden. Ghirlandus schreibet auch von einem vornehmen Mann, welcher als er gemerkt, daß sich sein Weib salbe, und darauf aus dem Haus fahre, habe er sie einsmals gezwungen, ihn mit sich auf der Zauberer Zusammenkunft zu nehmen; als sie daselbst aßen und kein Salz vorhanden war, habe er dessen begehrt, mit großer Mühe auch erhalten, und darauf gesagt: ›Gott sei gelobt, jetzt kommt das Salz!‹ Darauf die Lichter erloschen und alles verschwunden. Als es nun Tag worden, hat er von den Hirten verstanden, daß er nahend der Stadt Benevento, im Königreich Neapolis, und also wohl hundert Meil von seiner Heimat sei; derowegen ob er wohl reich gewesen, habe er doch nach Haus bettlen müssen, und als er heimkam, gab er alsbald sein Weib für eine Zauberin bei der Obrigkeit an, welche auch verbrennt worden. Wie Doktor Faust neben noch andern mehr, die gleichwohl keine Zauberer waren, durch die Luft von einem Ort zum andern gefahren, ist aus seiner Histori genugsam bekannt. So hab ich selbst auch eine Frau und eine Magd gekannt, sind aber, als ich dieses schreibe, beide tot, wiewohl der Magd Vater noch im Leben; diese Magd schmierte einsmals auf dem Herd beim Feuer ihrer Frauen die Schuh, und als sie mit einem fertig war und solchen beiseit setzte, den andern auch zu schmieren, fuhr der geschmierte ohnversehens zum Kamin hinaus; diese Geschicht ist aber vertuscht geblieben. Solches alles melde ich nur darum, damit man eigentlich dafürhalte, daß die Zauberinnen und Hexenmeister zu Zeiten leibhaftig auf ihre Versammlungen fahren, und nicht deswegen, daß man mir eben glauben müsse, ich sei wie ich gemeldt hab, auch so dahin gefahren, denn es gilt mir gleich, es mags einer glauben oder nicht, und wers nicht glauben will, der mag einen andern Weg ersinnen, auf welchem ich aus dem Stift Hirschfeld oder Fulda (denn ich weiß selbst nicht, wo ich in den Wäldern herumgeschweift hatte) in so kurzer Zeit ins Erzstift Magdeburg marschiert sei.


(aus dem "Simplicissimus" von Grimmelshausen)