Henning Mankell: "Die Hunde von Riga"

Ein Kommissar gerät auf Abwege und in die Mühlen der Zeitgeschichte

Ermittlungen am Rande des Zusammenbruchs


"Kriminalkommissar Kurt Wallander saß in seinem Zimmer im Polizeipräsidium von Ystad und gähnte. In diesem Moment kam Martinson ins Zimmer. 'Vor ein paar Minuten haben wir einen merkwürdigen Anruf erhalten', begann er, 'er kam aus einer Telefonzelle. Ein Mann behauptete, dass bald irgendwo hier an der Küste ein Rettungsboot mit zwei toten Männern an Land treiben würde & Dann legte er auf.' "

Also muss sich Kurt Wallander, der introvertierte Ermittler aus schwedischen Landen, der Lösung des Rätsels widmen, warum und woher die Leichen zweier gefolterter und ermordeter Männer in einem Schlauchboot an einem kalten Februartag des Jahres 1991 an die südschwedische Küste gelangt sind.

"Die Hunde von Riga", 1992 entstanden, öffnet ein Fenster in jene Zeit, als Lettland sich aus dem sowjetischen Einflussbereich zu lösen begann und entwirft im Milieu politischer wie krimineller Machtspiele und Korruption in Riga verwickelte Handlungsstränge, die sowohl für Krimi-Genießer als auch für Gesellschaftstheoretiker und Verschwörungstüftler Unterhaltsames bieten, zumal sich Wallander kurze Zeit später - der Fall gilt offiziell als aufgeklärt und abgeschlossen; ein Täter wurde "aus dem Hut gezaubert" - erneut in Lettland aufhält. Diesmal allerdings inkognito und inoffiziell: Er begibt sich über Ersuchen der Witwe des zuvor mit ihm ermittelnden Kollegen, der nach seiner Rückkehr nach Riga ermordet worden ist, auf die Suche nach den ursächlichen Zusammenhängen. Die Spuren führen ihn zurück nach Riga, wo er Baiba Liepa, die Frau des ermordeten Polizisten, der zuviel über die Verbrechen in seinem Land wusste, kennen gelernt hat. Wallander verliebt sich in Baiba, die ihm bei seinen in Eigenregie vorangetriebenen waghalsigen Ermittlungen auf fremdem Terrain hilft. Im Zuge seiner Recherche auf eigene Faust gerät er in das Räderwerk eines perfiden Komplotts.

Die Schwierigkeit des Romans lässt sich recht leicht erklären: Mankell lässt Wallander in Lettland ermitteln, und somit fällt das Lokal-Kolorit weitgehend weg, in dem sich der Kommissar ansonsten aufhält. Dies führt zu Irrungen und Wirrungen, die den geübten Leser verunsichern mögen. Anders als bei allen anderen Wallander-Krimis ist der Plot nur wenig reizvoll. Es passiert nichts, das irgendwie von besonderer Bedeutung wäre. Mankell mag versucht gewesen sein, Unterschiede politischer und sozialer Ausprägung zwischen Lettland und Schweden aufzuzeigen. Mit einem klassischen Kriminalroman hat "Die Hunde von Riga" leider kaum etwas zu tun. Die "Liebesgeschichte" ist eine zarte Andeutung, welche sich aufgrund der eklatanten Gegensätze von Baiba und Kurt nur schwerlich entwickeln kann, obzwar ja aus einigen Folgeromanen bekannt ist, dass es doch immer wieder zwischen den beiden "brodelt".

Geübte Leser von Wallander-Romanen werden es sich freilich nicht nehmen lassen, diesen "Fall" zu lesen, oder haben dies höchstwahrscheinlich schon längst getan. Für Einsteiger könnten "Die Hunde von Riga" eine Blockade im Kopf auslösen, die das Lesen weiterer Wallander-Krimis nicht nahe legt. Da kann nur geschrieben sein: Nicht irritieren lassen! Dieses Büchlein ist nur eine Andeutung dessen, warum aus dem schwermütigen Kommissar eine Kultfigur wurde. Eine kriminalistische Schatztruhe wartet darauf, gehoben zu werden. Und bedenken Sie: Selbst geniale Autoren haben schon mal kleine Aussetzer ...

 (Kalle Blomquist; 01/2003)


Henning Mankell: "Die Hunde von Riga"
Gebundene Ausgabe:
Zsolnay, 2000. 333 Seiten.
ISBN 3-5520-4992-4.
ca. EUR 19,90.
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Taschenbuch:
dtv, 2000. 350 Seiten.
ISBN 3423202947.
ca. EUR 9,50.
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Hörbuch:
Dhv, 2002.

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