Michael Kleeberg: "Das Tier, das weint"

Libanesisches Reisetagebuch


"La réalité est un terrain mouvant"
(Die Realität ist Treibsand)

Michael Kleeberg gelingt es mit seinem libanesischen Tagebuch, den Leser in einen Teil der arabischen Welt eintauchen zu lassen, ihn zu fesseln und Sehnsüchte zu wecken. Nach dieser Lektüre hat der Leser eine Ahnung davon, warum alle, die einmal in der arabischen Welt gelebt haben, mit einer Sehnsucht davon sprechen, als hätten sie die Äpfel des Paradieses gekostet.

Abbas Beydoun, einer der wichtigsten libanesischen Schriftsteller, begleitet den Autor auf seiner Reise und ermöglicht dadurch Einblicke in das alltägliche, kulturelle und politische Leben Beiruts. Die ständigen militärischen Kontrollen irritieren Kleeberg vorerst, doch sein Begleiter erklärt ihm, dass das Land ein Pulverfass sei und diese Kontrollen keinesfalls dazu dienen, das eigene Volk zu demütigen, sondern vielmehr dazu, ihm ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.

Die landschaftlichen Schönheiten bezaubern, die überall herumstehenden halbfertigen Betongerippe stören allerdings das europäische Auge bis zu jenem Zeitpunkt, als einer der Begleiter seine Poetik der angefangenen Häuser darstellt und erklärt, dass Erdgeschoß plus Dach plus vier Säulen zum Weiter- und Höherbauen die Hoffnung auf Kinder und Enkel repräsentieren und somit eine Art "work in progress" darstellen. Ein wunderschöner Gedanke und so gänzlich konträr zu den europäischen Einfamilienhäuschen, deren Giebeldächer Abschluss und Ende symbolisieren.

Immer wieder ergeben sich interessante Diskussionsthemen über den Islam, die Einstellung zu Israel, Filme, Literatur und über europäische Identitätskrisen und die arabische Identität, die sich vorwiegend aus Mythen speist. Die Kinderarmut der europäischen Gesellschaft wird thematisiert und die Frage, ob das schrankenlose Ausleben der Individualität nicht direkt zur Selbstabschaffung dieser Gesellschaft führen wird.

Selten hat ein Reisetagebuch so tiefe Eindrücke und Sehnsüchte in mir hinterlassen. Das Grandiose daran ist, dass der Leser nicht nur das Gefühl hat, den Libanon und Beirut kennen zu lernen, sondern auch Michael Kleeberg, der immer wieder persönliche Geschichten, Ängste und Gedanken einfließen lässt. Über die Geschichte des Fluges nach Beirut und die damit verbundenen Ängste habe ich Tränen gelacht, zumal es meinen eigenen Befürchtungen ziemlich nahe kommt.

Michael Kleeberg gelingt es, den Blick und das Herz für einen dem europäischen so konträren Lebensrhythmus zu öffnen und Neugier auf die arabische Welt zu entfachen. Ein brillantes Plädoyer für mehr Weltoffenheit und Neugier, begleitet von einer grenzenlosen Verwunderung darüber, sich unter diesen Menschen, im Ausland, im "Elend" keine Minute lang fremd gefühlt zu haben.

(Margarete Wais; 08/2004)


Michael Kleeberg: "Das Tier, das weint"
DVA, 2004. 176 Seiten.
ISBN 3-421-05820-2.
ca. EUR 18,40.
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Michael Kleeberg, am 24. August 1959 in Stuttgart geboren, wuchs in Böblingen und Hamburg auf, ging nach längeren Aufenthalten in Rom und Amsterdam 1986 nach Paris, leitete dort bis 1994 eine Werbeagentur und zog dann in das Burgund. Heute lebt er als Schriftsteller und Übersetzer aus dem Französischen und Englischen in Berlin. 1996 erhielt er den Anna-Seghers-Preis und 2000 den Lion-Feuchtwanger-Preis.

Ergänzende Buchempfehlungen:

Gilbert Achcar; Michael Warschawski: "Der 33-Tage-Krieg"
Israels Krieg gegen die Hisbollah im Libanon und seine Folgen.
Das Buch schließt eine Lücke im spärlich vorhandenen Wissen über den Libanon und die Hisbollah. Die innerlibanesischen Zusammenhänge werden erklärt und der Politik der USA und Israels gegenübergestellt. Eine fundierte Bewertung des aktuellen Israel-Libanon-Konfliktes durch den libanesischen Politologen Gilbert Achcar und den israelischen Autor Michael Warschawski.
Im Laufe der Jahre ist der Libanon zu einem Vietnam Israels geworden: Der letzte Krieg führte zu den schwersten politischen Erschütterungen in Israel seit dem Yom-Kippur-Krieg im Jahre 1973. Dieses Buch erläutert die Ursachen und Folgen des letzten Krieges im Nahen Osten. Die Autoren beschreiben die breite Basis der Hisbollah unter den Schiiten im Libanon, aber auch die Beziehungen der Organisation zu anderen religiösen Verbindungen und einflussreichen politischen Institutionen. Sie analysieren die Rolle Syriens, des Irans und der Hamas in der Region sowie die Politik der USA und Europas.
Die Autoren legen den strategischen und politischen Hintergrund offen, vor dem Israel in jüngster Zeit agiert; sie zeigen die Bedeutung des Einmarschs in den Libanon und dessen Folgen für die libanesische Bevölkerung auf und beschreiben die Konsequenzen des Kriegs für die Politik und Gesellschaft Israels.
Gilbert Achcar, geb. 1951,  lebte bis 1983 im Libanon, bevor er nach Frankreich zog. Lehrt an der Universität Paris VIII Internationale Politik. Autor in Le Monde Diplomatique und mehrerer Bücher zur zeitgenössischen Politik, u.a. The Clash of Barbarisms (2006). Mit Noam Chomsky ist er Autor von Perilous Power: The Middle East and U.S. Foreign Policy (2007)
Michael Warschawski, 1949 in Straßburg geboren, ging 1965 nach Jerusalem. 1967-71 studierte er Philosophie an der Jerusalemer Hebräischen Universität. 1984 Gründer des Alternative Information Center (AIC). Seit 1992 Mitglied des Friedensblocks Gush Shalom. Seit 2001 vertritt er das AIC im International Council of the World Social Forum. (Edition Nautilus)
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Hannah C. Wettig: "Aufbruch in Libanon"
Auf dem Weg zur Zedern-Revolution: Reportagen aus Beirut.
Als im Frühjahr 2005 die Massen in Beirut auf die Straßen gingen, wollten sie nicht nur die Besetzung ihres Landes durch Syrien beenden, sondern sie erhofften sich auch mehr Demokratie. Viele Kommentatoren reihen deshalb die libanesische Oppositionsbewegung in die neuen Demokratiebestrebungen in Osteuroopa und der arabischen Welt ein. Doch unterscheidet sich Libanon gravierend von seinen Nachbarn. Es ist das einzige arabische Land, in dem fast ebensoviel Christen wie Muslime leben. Mit seinen 19 verschiedenen Religionsgruppen könnte Libanon ein Musterbeispiel für Toleranz sein. Doch der Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 hat gezeigt, wie fragil dieses Gesellschaftsgebilde war und nach wie vor ist.
Hannah C. Wettig hat drei Jahre als Lokalreporterin einer englischsprachigen Beiruter Tageszeitung Daily Star gelebt. Sie beschreibt in Reportagen, Portraits und persönlichen Berichten die politische, gesellschaftliche und kulturelle Situation Libanons. (vorwärts buch)
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Jürgen Cain Külbel: "Mordakte Hariri"

Unterdrückte Spuren im Libanon.
Das Attentat auf den ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri am 14. Februar 2005 sorgte weltweit für Schlagzeilen. Seither stellt die internationale Politik die Regierenden in Damaskus als Drahtzieher des Verbrechens an den Pranger.
Doch viele Spuren in dem Mordfall führen in ein absonderliches Konglomerat, das Zugang zu den Zentren der Macht in Washington und Jerusalem hat, aus militanten, rechtsradikalen, neokonservativen und oder dem Mammon verpflichteten US-amerikanischen und israelischen Gruppierungen besteht und eng liiert ist mit „einem Konsortium antisyrischer Exillibanesen mit engen Verbindungen zur libanesischen Opposition“ - so Nagy N. Najjar, Geheimdienststratege und Direktor der
Government of Free Lebanon in Exile im März 2005.
„Der beste Weg, Frieden für die Libanesen zu erreichen, funktioniert nur über amerikanische Politik. Der Krieg im Libanon wird nicht im Mittleren Osten ausgetragen. Auch nicht im Libanon. Auch nicht auf libanesischem Boden. Das wird in Washington gespielt.“ – so Ziad K. Abdelnour, Vorsitzender des
United States Committee for a Free Lebanon im Juli 2002, eine andere Exilantenorganisation, die eng mit der US-Regierung und der libanesischen „Résistance“ im Exil zusammenarbeitet. (Homilius)
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Michael Kleeberg: "Proteus der Pilger"
"Ich glaubte mein Leben lang, ein Gott zu sein, oder doch wenigstens in bevorzugter Verbindung zu den Göttern zu stehen. Es dauerte lange, bis ich überhaupt wahrnahm, dass es außerhalb unserer vier Wände andere Menschen gab, die alle ein Existenzrecht reklamierten und nichts von meiner Göttlichkeit wussten."
Heranwachsend in der modernsten Stadt der Welt, geprägt von einem Vater, der die Familiengeschichte auf Lohengrin zurückführt, und einem Onkel, den sein Silikonpenis die Segnungen des Fortschritts preisen lässt, sieht Hagen Seelhorst nur eine Möglichkeit, ein sinnvolles Leben zu führen: Er muss ein Held und ein Heiliger werden. Unglücklicherweise traut er sich nicht einmal, im Freibad vom Zehner zu springen. Auch später, als er Deutschland und die Welt retten will und statt dessen nur eine Diskothek in Rom erbaut, klaffen tragikomische Abgründe zwischen den großen Plänen des jungen Mannes und den Niederungen des Alltags.
Proteus war der Gott der Wandlungsfähigkeit, und als wahrer Proteus zeigt sich auch Hagen Seelhorst auf seiner Pilgerfahrt durch die Verrücktheiten Nachkriegsdeutschlands.
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Michael Kleeberg: "Ein Garten im Norden"
Albert Klein ist Anfang der 1980er Jahre wegen einer unerfüllten Liebe aus Deutschland geflohen. Als er zwölf Jahre später wieder zurückkehrt, erscheint ihm das Land noch fremder und bedrückender als zuvor. Eilig reist er weiter nach Prag, und dort überfällt ihn ein Wunder: Ein Antiquar schenkt ihm ein Buch mit leeren Seiten und gibt ihm dazu ein Versprechen: "Was immer Sie hineinschreiben, wird Wirklichkeit geworden sein, wenn Sie das Buch beendet haben."
Klein kann der Versuchung nicht widerstehen, er erfindet eine neue Geschichte für sich und für Deutschland: "Einst gab es, mitten in der Reichshauptstadt, einen seltsamen Park. Er war von hohen Mauern umgeben, über die im Frühjahr der Duft von Geißblatt, Flieder und Harz wehte ..." Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht der Bankier Albert Klein, der einen Park der Künstler und Philosophen, Wissenschaftler und Politiker schafft, um Toleranz und Demokratie zu befördern und dem chauvinistisch verbiesterten Deutschland eine zweite, bessere Chance in der Weltgeschichte zu geben. Ein heiteres Spiel, das um so ernsthafter wird, je näher die entscheidende Stunde rückt: der 30. Jänner 1933.
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Michael Kleeberg: "Der König von Korsika"
Begabt für das Leichte sein, an der Oberfläche der Dinge leben, dem Glück folgen: das war und tat Baron Theodor Neuhoff - bis er sich zum König von Korsika krönen ließ und daran scheiterte. Das Leichte ist so trügerisch wie vergänglich, Michael Kleebergs Roman ein sprachliches Meisterwerk.
Geheimagent, Liebhaber, hochstapelnder Alchimist und kaiserlicher Gesandter - Theodor Neuhoff lässt sich von den Wellen des Geschicks durch ganz Europa tragen, weiß zu parlieren, zu brillieren und zu blenden. Und wird am Ende Opfer der eigenen Selbstüberschätzung. Als er sich - überzeugt, die Politik sei ein Spiel - im April 1736 von korsischen Aufständischen zum König ausrufen lässt, ist sein Untergang besiegelt.
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