Martina Sylvia Khamphasith: "Warum Krokodile keine Affenherzen fressen"

Fabeln und andere Tiergeschichten aus Laos


Bei der vorliegenden Sammlung von 34 laotischen Tiergeschichten, Fabeln und Märchen - aus verschiedenen Quellen und Jahrhunderten stammend und für den heutigen Leser sprachlich modernisiert - handelt es sich um Stoffe, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden und inhaltlich und sprachlich verändert in viele Länder der Welt getragen wurden. Kein Wunder also, wenn dem deutschsprachigen Leser vieles bekannt vorkommen mag.

Schon im Altertum wurden Fabeln und Märchen als Medium genutzt, um Kritik an Menschen und ihrem Verhalten zu üben. Tiere dürfen unbekümmert aussprechen, was den Untertanen bis heute in vielen Ländern verwehrt ist, und ihren Herrschern einen moralischen Spiegel vorhalten. Hier handeln Tiere wie Menschen. Das fleißige Schwein, das sich nie über zu harte Arbeit beschwert hat, wird bestraft, während der faule, aber listige Hund für seine Lügen belohnt wird. Der Hase gilt als klug und verschlagen, der Tiger als kraftvoll, tapfer, aber dumm, da er unflexibel ist. Jeder Leser erkennt in den stereotypen Charakteren sofort die Parallelen zur Menschenwelt, wahrscheinlich findet er sogar mühelos Beispiele in seiner nächsten Umgebung. Diese Übertragungsfunktion erklärt die durch die Jahrtausende ungebrochene Beliebtheit von Fabeln.

Zwar trifft der Leser auch auf typisch laotische Märchengestalten und Fabelwesen, aber meistens hat er doch das Gefühl, alten Freunden in neuem Gewand zu begegnen, so groß sind die Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten zwischen den deutschsprachigen und den laotischen Fabeln.
Der Leser braucht also keineswegs zu befürchten, die Geschichten aus einem fernöstlichen Land würden sich ihm nicht erschließen.
Zwar streichen statt Fuchs und Wolf Tiger und Affen, Elefanten und Kobras durchs Unterholz, aber letztlich verkörpern sie die weltweit gleichen menschlichen Eigenschaften.
Die Geschichten der Sammlung, angereichert mit laotischen Spruchweisheiten und mit Vignetten der deutsch-mexikanischen Künstlerin Kiki Suarez, vermitteln einen kleinen Eindruck von dem Geist und der Lebenserfahrung der Laoten, die zwischen Resignation - "So ist es eben, so war es immer, wir können es nicht ändern" - und offener Empörung über ungerechte, undankbare und bösartige menschliche Verhaltensweisen schwanken.
Martina Sylvia Khamphasiths Sammlung laotischer Fabeln und Tiergeschichten "bietet einen wunderbaren Einblick in eine Erzähltradition, die bis auf den heutigen Tage in breiten Schichten des Volkes lebendig geblieben ist", urteilt Prof. Dr. Volker Grabowsky vom Institut für Ethnologie an der Universität Münster.
Für den "normalen" Leser ist es vor allem ein ideales und in der Weihnachtszeit willkommenes Vorlesebüchlein für Kinder im Grundschulalter. Für Lehrer ist es eine schöne interkulturelle Ergänzung für die Behandlung von Fabeln im Deutschunterricht.

(Diethelm Kaminski; 10/2007)


Martina Khamphasith: "Warum Krokodile keine Affenherzen fressen"
Hamburger Haiku Verlag, 2007. 92 Seiten.
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