Eva Gesine Baur (Hrsg.): "Essen und Trinken mit George Sand auf Mallorca"

Dem Gefälligen misstrauen

Eine kulinarisch-touristische Fährtensuche


George Sand war der Künstlername von Amantine Lucile Aurore Dupin, Baronesse von Dudevant, (sie heiratete mit 18 Jahren, gebar zwei Kinder, wobei keineswegs feststeht, dass der Gemahl der biologische Vater war, und verließ ihren angetrauten Ehemann nach einigen Jahren), einer extravaganten Person, die Zigarren und Pfeife rauchte, Männerkleidung trug und sich von angesehenen Künstlern lieben ließ. Sie wurde am 1. Juli 1804 in Paris geboren und wuchs bei ihrer Großmutter auf.
Nicht ganz unbeteiligt am Zustandekommen des Künstlernamens war übrigens ein Geliebter George Sands namens Jules Sandeau.

Aufgrund des großen kommerziellen Erfolgs ihrer Schriftstellerei, (sie verfasste zahlreiche idealistische Romane sowie Dorfgeschichten), war es George Sand früh möglich, ihren Lebensunterhalt selbst zu finanzieren und somit auf der Grundlage von Mut und Geld einem für Frauen jener Tage unkonventionellen Lebensstil, zu dem Reisen genauso wie Affären gehörten, zu frönen. Sie engagierte sich für soziale Gerechtigkeit, insbesondere für die Rechte der Frauen und manche meinen, dass sie gar eine frühe Emanzipationswelle ins Rollen brachte.

Mit dem Komponisten und Klaviervirtuosen Frédéric Chopin (geboren 1810 als Fryderyk Franciszek Chopin in Polen; Vater Franzose, Mutter Polin; gestorben 1849 an Tuberkulose) unterhielt George Sand eine langjährige Beziehung.
Ein Abschnitt aus dem Miteinander des illustren Liebespaares gab den Anstoß für das vorliegende Buch, dessen von Michael Mathias Prechtl gezeichnetes Titelbild "George Sand enface" die Schriftstellerin, hinter deren verschränkten Armen ein kleiner, bleichgesichtiger Mann (ahnen Sie, wer das wohl sein mag?) hervorlugt, mit bekränztem Haupt und Pfeife zeigt.

In ihrem Vorwort, dem "Entrée mit etwas Biss", liefert Eva Gesine Baur eine zu Recht kritische Bestandsaufnahme, was das touristische Unwesen, vor allem in kulinarischer Hinsicht, auf Mallorca anbelangt: "Zwischen bleiernem Traditionalismus, belangloser Allerweltsküche und kreativem Narzissmus hat sich auf Mallorca stellenweise eine Küche durchsetzen können, die eine Wiedergutmachung an den frühen prominenten Gästen George Sand und Frédéric Chopin bedeutet, die es im Winter 1838/39 hierher verschlagen hatte. Und die nachweislich in diesen drei Monaten um ein Vermögen gebracht wurden, um sich zu Wucherpreisen miserabel zu ernähren."

George Sand verewigte das ihr überwiegend ungastlich erschienene Gebiet, die Mallorquiner, Unterkünfte und Nahrung in "Ein Winter auf Mallorca" ("Un hiver à Majorque"), einem mittlerweile zum Klassiker gewordenen literarischen Reisebericht, der als touristischer Dauerbrenner sein Scherflein zu den Umsätzen der Buchhandlungen auf Mallorca beiträgt, von George Sands Freude an Landschaft sowie Klima zeugt und gleichwohl Einblicke in die Entstehungsgeschichte der 24 Préludes von Chopin gibt.

Im Winter 1838 beschloss George Sand ihrem kranken Sohn zuliebe, Paris für einige Zeit den Rücken zu kehren und in eine klimatisch angenehmere Region zu reisen. Der ebenfalls kränkelnde Geliebte, Chopin, der sich bemuttern und verwöhnen lassen wollte, begleitete George Sand und ihre beiden Kinder, Maurice und Solange.

Doch weiter im Buch: In den folgenden, gefällig bebilderten Abschnitten, darunter "Touristisch schwierig", "Ästhetisch ansprechend", "Menschlich bedenklich", "Botanisch erfreulich", Klimatisch lieblich", "Kulinarisch fragwürdig", "Die Arbeit der Bauern: primitiv und freudlos", "Die Festtage: melancholisch und poetisch", "Die Feste heute: einfach grandios & grandios einfach", " 'Die schönsten Tiere der Welt': das Schwein als Kultfigur" (auf Mallorca finden sich schwarze Schweine), " 'Export von Borstenvieh': das Schwein als Retter", " '2000 Gerichte mit Schweinernem': das Schwein als Verwandlungskünstler", "Der Wein: beliebtestes Relikt der Mauren", "Das Schmalz: Butter vom Schwein", "Hilfreich für Chopin: Kur mit Ziegenmilch", ... beleuchtet Eva Gesine Baur prägnant die charakteristischen Besonderheiten von Land und Leuten einst und jetzt - sozusagen die Mallorquinische Gegenwart im Spiegel der Aufzeichnungen George Sands, wobei zumeist jeweils kurze Auszüge aus "Ein Winter auf Mallorca" als Aufhänger und Stichwortgeber fungieren und auch die lokale Lebensmittelkunde nicht zu kurz kommt.

Überwiegend gegenwartsbezogen und touristisch-kulinarisch wird es ab Seite 44, wenn ein Streifzug durch die gehobene Gastronomie Mallorcas ansteht: Küchenchefs und Eigentümer einer Handvoll Restaurants stellen ihre Lieblingsrezepte (z. B. Timbal von Stockfisch und Kartoffeln mit Trempó-Vinaigrette) vor und plaudern ein wenig aus dem Nähkästchen. Aufgelockert bzw. thematisch zusammengehalten wird das Ganze durch kurze Passagen, die sich der Orange, Olive, aromatischen Gewürzen, der Kaktusfeige (die George Sand für "die abscheulichste Frucht, die ich kenne" hielt), widmen. Auch Myrte und Knoblauch finden Erwähnung. Aber bitte erwarten Sie kein Kochbuch, denn "Essen und Trinken mit George Sand auf Mallorca" beinhaltet lediglich fünf Rezepte von ortsansässigen Meisterköchen.
Weiters steht das Bergdorf Valldemossa im Blickpunkt, oder besser gesagt das nahe gelegene ehemalige Kartäuserkloster, das am zweithäufigsten besuchte Bauwerk der Insel, dessen Geschichte Eva Gesine Baur knapp umreißt. Ebendort logierten in kargen Räumlichkeiten George Sand, ihre beiden Kinder und Chopin.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Eva Gesine Baur in diesem Buch nichts Naheliegendes unversucht lässt, dem von Fernweh erfüllten Europäer deutscher Zunge Lust darauf zu machen, es George Sand und Frédéric Chopin gleichzutun - zumindest, was das Überwintern auf Mallorca als solches betrifft ...
George Sand starb nach einem abwechslungsreichen Leben am 8. Juni 1876 auf ihrem geliebten Schloss in Nohant.

(Anja; 10/2003)


Eva Gesine Baur (Hrsg.): "Essen und Trinken mit George Sand auf Mallorca"
Mit Fotos von Rainer Fichel und vielen Abbildungen.
dtv, 2003. 127 Seiten.
ISBN 3-423-24375-9.
ca. EUR 15,-. Buch bestellen

Lien:
Kartäuserkloster Valldemossa

Ergänzende Buchtipps:

Inge Sittel: "Mallorca einst & jetzt!"
Das vorliegende Buch ist ein bescheidener Beitrag, einiges über das einstige Mallorca zu erfahren, über die Schwierigkeiten, dort ein Leben aufzubauen. Es ist nicht nur eine Liebeserklärung an die immer noch wunderschöne Insel.
Oft werden groteske Situationen geschildert, die heute kaum nachvollziehbar sind.
Der Leser spürt, dass sie alle erlebt sind und kann sicher auch manche Kritik an den heutigen, ach so modernen Zeiten auf Mallorca verstehen. Ich verdanke diesem Land meine glücklichsten Momente und manche Niederlage. (Iris Kater Verlag)
Buch bestellen

George Sand: "Ein Winter auf Mallorca"
George Sand und Frédéric Chopin auf Mallorca - eines der bekanntesten Reisebücher der Weltliteratur.
Die gefeierte Schriftstellerin George Sand brach im Oktober des Jahres 1838 zu einer Reise nach Mallorca auf, begleitet von ihrem Freund Frédéric Chopin und ihren beiden Kindern, um dem Treiben und Klatsch der Pariser Gesellschaft zu entfliehen. Damals war dies ein Abenteuer ganz eigener Art, und Mallorca ein Ort, an den sich nur selten Fremde verirrten. Tatsächlich begegneten den Reisenden aus dem Norden mannigfache Widrigkeiten, von denen George Sand amüsant zu berichten weiß. Doch allen Hindernissen zum Trotz wird die Schilderung der Schönheiten dieses Landes von einem Enthusiasmus getragen, der sich noch dem heutigen Leser mitteilt.

Buch bestellen

George Sand: "Nimm deinen Mut in beide Hände"
Mutter zweier Kinder, Geliebte von Alfred de Musset und Frédéric Chopin und vielen anderen, Freundin und Ratgeberin fast aller bedeutenden Zeitgenossen aus Kultur und Politik, weit über die Grenzen ihres Landes hinaus. George Sand, das war ein kleines Mädchen, das bei seiner Großmutter im Schloss Nohant aufwuchs, freizügig wie ein Junge, zur Bändigung ins Internat kam, sich als züchtige Ehefrau abmühte, ohne Erfolg, und später zur berühmt-berüchtigtsten Frau und Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts wurde, George Sand, das war auch ... Aber lassen wir sie doch selbst zu Wort kommen in ihren Briefen, die weit mehr als ihre Memoiren Authentizität verbürgen.

Buch bestellen