Alex Capus: "13 wahre Geschichten"


Das Buch beinhaltet, wie schon der Titel vermuten lässt, 13 Geschichten, welche sich alle entweder in der Schweiz abspielen, oder aber sonst einen engen Bezug zur Eidgenossenschaft aufweisen. Jede der 13 Geschichten für sich hätte das Potenzial, einen Roman zu füllen. Umso mehr muss es dem Autor honoriert werden, dass trotz der Kürze der Erzählungen der Leser nie mit einer überladenen Handlung oder schwülstiger Schreibweise belastet wird. Vielmehr lassen sich die kurzen Episoden sehr flüssig lesen und eignen sich auch, um kurze Pausen zu überbrücken oder langweilige Fahrten im öffentlichen Verkehrsmittel kurzweilig zu gestalten.
Ein besonderes Bonbon ist sicherlich, dass alle Geschichten den Anspruch auf historische Korrektheit erheben - handelt es sich doch um "wahre" Begebenheiten. Dankenswerterweise wird dem interessierten Leser am Ende des Buches eine Auswahl der wichtigsten Quellen geboten, die den historischen Gehalt nachvollziehbar machen sollten. Darüber, inwieweit die "historischen Tatsachen" letztendlich unverfälscht wiedergegeben sind, mag an dieser Stelle nur spekuliert werden.
Viel wichtiger als der geschichtliche Hintergrund ist letztendlich, dass das Buch mit seinen 13 Episoden ein anhaltendes Lesevergnügen bereitet, welches leider allzu bald schon wieder vorbei ist. Gerne hätte man mehr dieser Geschichten gelesen.

Die Geschichten selbst sind in den Jahren 2002 bis 2004 in der "Schweizer Familie" und zum Teil auch in der "Süddeutschen Zeitung" veröffentlicht worden. Das merkt man ihnen stilistisch auch an. So verfügen alle über einen Anreißer-Absatz. Dieser nimmt teilweise das Ende der Geschichten vorweg oder soll den Leser auf andere Weise neugierig auf den Inhalt des Artikels - in diesem Falle der Geschichte - machen. Ein im Zeitungsjargon übliches Stilmittel.

Der Inhalt der Geschichten im Einzelnen:
"Ein Schweizer Rasputin in Teheran" erzählt von einem schmächtigen, wohl homosexuellen Gärtner, der dem Schah von Persien zum besten Freund wird.
"Der Spuk von Stans" behandelt das Leben einer Bäuerin um 1800, welche als Waffenschmugglerin und Gotteskriegerin bekannt wurde.
Wie ein einzelner Soldat den Zweiten Weltkrieg um einige Wochen verkürzt und dadurch unzählige Menschenleben gerettet hat, das erfährt der Leser in "Der ungehorsame Soldat Max Waibel".
Zweitausend ärmliche Eidgenossen machen sich im Frühling des Jahres 1819 auf, um "Abenteuer in Nova Friburgo" zu bestehen und sich im Dschungel Brasiliens zu behaupten.
Bis zurück ins Jahr 1499 führt den Leser "Der Verrat von Novarra". Wie kam es dazu, dass sich auf beiden Seiten im Kampf um Mailand Schweizer Söldner gegenüber standen?
Im Mai 1862 kam es zum "Goldrausch in Solothurn". Irgendwie hat sich dabei das Familienvermögen des alten Adelsgeschlechts der Tugginer in Luft aufgelöst.
Ein tollkühner Held in seiner fliegenden Kiste war zweifelsohne "Géo Chavez - Der erste Mensch über den Alpen". 1911 sollte sein Schicksalsjahr sein.
Weil der Erzpriester von Sondrio 1618 zu Tode gefoltert wurde, sollte das Städtchen Plurs "Gottes Zorn im Bündnerland" zu spüren bekommen.
"Das schnelle Leben des Louis Chevrolet" sollte mit der Arbeit als Mechaniker seines eigenen Unternehmens enden.
Wie aus einem langen Eisenbahntunnel wegen der Listigkeit des Städtchens Olten schließlich nichts wurde, erläutert "Die Wasserfallbahn".
In äußerste Bedrängnis geriet 1376 der Habsburger Herzog Leopold. "Die böse Fasnacht zu Basel" beschreibt auch die dramatischen Folgen dieser Begebenheit.
Ein Attentat verübten "Die drei Tellen" 1653 auf den Schultheißen von Luzern und mussten dafür bittere Rache der Obrigkeit über sich ergehen lassen.
Und schließlich bildet "Der Italienerkrawall in Zürich" samt dem Pogrom gegen die italienischen Mitbürger den Abschluss des Buches.

Zum Buch selbst sollte unbedingt noch angemerkt werden, dass es vorzüglich verarbeitet ist und durch sein kompaktes Format angenehm in der Hand liegt. Zudem erleichtert ein eingearbeitetes Bändchen das Finden der zuletzt gelesenen Seiten, was die Verwendung eines Lesezeichens - oder frevelhaftes Einknicken eines Eselsohrs - überflüssig macht.
Alles in allem handelt es sich um ein durchaus empfehlenswertes Werk, das sich ebenso für "Zwischendurch" wie für einen verregneten Nachmittag anbietet.

(MagMaMa; 07/2004)


Alex Capus: "13 wahre Geschichten"
Deuticke, 2004. ca. 200 Seiten.
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Alex Capus, geboren 1961 in Frankreich, studierte Geschichte und Philosophie in Basel. Zwischen 1986 und 1995 arbeitete er als Journalist bei verschiedenen Schweizer Tageszeitungen, davon vier Jahre als Inlandredakteur bei der Schweizerischen Depeschenagentur SDA in Bern. Alex Capus lebt heute als freier Schriftsteller in Olten, Schweiz.

Weitere Bücher des Autors:

"Eine Frage der Zeit"

Kraftvoll und unprätentiös erzählt Alex Capus eine ganz unglaubliche, doch wahre Geschichte, in der es um die alte Frage geht, wie man unter der Macht der Umstände ein Leben in Anstand und Würde führen kann.
Drei norddeutsche Werftarbeiter werden 1913 von Kaiser Wilhelm II. beauftragt, ein Dampfschiff in seine Einzelteile zu zerlegen und am Tanganikasee südlich des Kilimandscharo wieder zusammenzusetzen. Der Monarch will damit seine imperialen Ansprüche unterstreichen. Die drei Männer fahren nach Deutsch-Ostafrika mit der Aussicht auf guten Verdienst, lassen sich bezaubern von der exotischen Kulisse und der schönen Gouverneurin, geraten aber rasch in das gewalttätige Räderwerk des Kolonialismus, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Zur gleichen Zeit beauftragt Winston Churchill den exzentrischen, aber liebenswerten Oberleutnant Spicer Simson, zwei Kanonenboote über Land durch halb Afrika an den Tanganikasee zu schleppen. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, liegen sich Deutsche und Briten an seinen Ufern gegenüber. Keiner will, aber jeder muss Krieg führen vor der pittoresken Kulisse des tropischen Sees. Alle sind sie Gefangene der Zeit, in der sie leben, und jeder hat seine eigene Art, damit fertig zu werden. (Knaus)
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"Glaubst du, dass es Liebe war?"

Lakonisch und mit liebevoller Ironie erzählt Alex Capus die unvergesslich komische Geschichte eines geläuterten Sünders: die Geschichte des Lügners, Betrügers und Kleinstadt-Casanovas Harry Widmer junior, der vor seinen Gläubigern und der schwangeren Geliebten nach Mexiko flieht. Zwar richtet Harry es sich gemütlich ein am Pazifischen Ozean, lernt die Landessprache und setzt mit den Jahren um die Hüften Speck an; aber das süße Nichtstun wird fad, die monotone Gewalt der Tropen öde, die Unentrinnbarkeit der Erinnerungen quälend - bis es zu einer Serie von dramatisch banalen Ereignissen kommt, die ihn zur Umkehr bewegen. Alex Capus’ Zuneigung gilt aber auch seinen Nebenfiguren: Harry juniors Vater, der das ganze Leben in seiner Fahrradwerkstatt verbrachte und dem Sohn Millionen wenig benutzter Schrauben hinterließ; der kleinstädtischen Bau- und Gewerbemafia, deren Gaunereien er auch aus zehntausend Kilometer Distanz durchschaut; den mexikanischen Mädchen, die sich während der Touristensaison prostituieren, um ein paar Jahre später den Postboten zu heiraten; und natürlich Harrys thailändischer Geliebter Nancy, die freundlich-kühl mit den Fantasien europäischer Männer spielt. Ein heiteres, weises Buch über die Tatsache, dass alles Streben nach Liebe und Glück letztlich zwar vergeblich, aber doch unbedingt notwendig ist.
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"Mein Studium ferner Welten"
Es ist eine präzis gezeichnete Comédie humaine, die Alex Capus in einem Reigen raffiniert ineinander verwobener Geschichten präsentiert. Im Zentrum steht Max Mohn, der widerwillig Karriere beim Fernsehen macht. Da ist aber auch seine Ehefrau Ingrid, in die er schon als Dreizehnjähriger verliebt war und die er dennoch verlieren wird; der dauerschlafende Großvater, der sich aus Trotz und Geiz zu sterben weigert; Johnny Türler, der gescheiterte Abenteurer, der in der väterlichen Konditorei Pralinen verkauft; Kellner René, der im leeren Bahnhofrestaurant ausharrt und in einem karierten Schulheft ein Archiv menschlichen Leidens führt. Die Bühne ist eine ganz gewöhnliche Kleinstadt, in der jeder Akteur den anderen kennt, in der man sich liebt und hasst und lebenslang nicht voneinander loskommt. Da gibt es zornige Mädchen, fitnesswütige Seniorinnen, Sektierer und Anpasser, Selbstmörder, Schurken und Schwätzer, Schelme, Säufer und landlose Bauern. Alex Capus erzählt von den harmlosen und den schlimmen Querschüssen des Lebens, von den Launen und den Hakenschlägen des Glücks, mit gerechtem Zorn und ebensoviel Witz.
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"Munzinger Pascha"
Dies ist die wahre Geschichte von Werner Munzinger, der 1852 auszieht, um die Sklaverei in Afrika abzuschaffen, während sein Vater im heimatlichen Olten vom bürgerlichen Revolutionär zum Finanzminister avanciert. Als Händler und Forschungsreisender zieht Werner Munzinger nach Kairo und ans Rote Meer, macht sich auf in die unwegsamen Gebirge Abessiniens, den sagenumwobenen Nilquellen entgegen. Er heiratet und wird Bauer, verwickelt sich in Kriege und Intrigen, und gegen seinen Willen steigt er auf zu Reichtum, Macht und Ehre. Dies ist aber auch die Geschichte des Reporters Max Mohn aus Olten, der, unzufrieden mit seinem Leben in der Provinz, 150 Jahre später aufbricht, um die Spuren des Werner Munzinger Pascha im Wüstensand aufzuspüren.
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"Léon und Louise" zur Rezension ... s