Louis Begley: "Venedig"

Gelesen von Michael Degen
(Hörbuchrezension)


Die wahren Abenteuer sind im Kopf ...

Die Erzählung "Venedig" spannt einen Bogen von der romantischen Verliebtheit und dem erotischen Verlangen eines jungen Mannes bis ins Erwachsenenalter des nunmehrigen erfolgreichen politischen Beraters, der an die längst vergangenen Zeiten zurückdenkt. Freilich blieb das flammende Begehren einst unerfüllt.

Lilly, eine hübsche blonde Halbtagssekretärin im College, die studierte, Europa bereiste und jetzt vom Erbe ihres Großvaters lebt, ist eine Frau, die sich ihre Männerbekanntschaften auf Basis von Macht und Reichtum aussucht, aber von den Männern gebraucht und verbraucht wird.
Sie ist die erste große Liebe des Ich-Erzählers und er möchte nichts Anderes als mit ihr, der etwas älteren Freundin, schlafen. Sie verbietet es ihm. Dennoch darf er sie an intimen Stellen streicheln, ihr Zungenküsse geben, was sein Verlangen bis aufs Äußerste steigert.

Nach seinem Collegeabschluss mit Preisen und Auszeichnungen verabreden sich die beiden in Venedig. Die Hoffnungen des jungen Mannes, jetzt sein Ziel zu erreichen, werden auch dort enttäuscht und verwandeln sich in bloße Ernüchterung.

Jahre später, nach Ehe und Scheidung, trifft er die Dame wieder. Sie wird von ihrem gegenwärtigen Partner gerade an diesem Abend betrogen und sucht Trost beim Jugendfreund. Endlich scheinen seine Träume wahr zu werden! Jedoch auch dieses Mal: Enttäuschung; die Romantik des früheren Verlangens ist der Ernüchterung gewichen. Am Ende bleibt beiden nur die Erinnerung an die vergangene Zeit.
Die Geschichte dieses liebeshungrigen Studenten und späteren politischen Beraters ist nett und erfrischend erzählt und von Michael Degen mit sympathischer, melodiöser und facettenreicher Stimme vorgetragen.

Sie stammt aus dem Buch "Venedig unter vier Augen", das Louis Begley zusammen mit seiner Frau Anka Muhlstein 2003 herausgab.

(Ingrid; 06/2004)


Louis Begley: "Venedig"
Gelesen von Michael Degen.
Marebuch, 2004. 1 Audio-CD; Laufzeit 69 Minuten.
ISBN 3-936384-51-7.
ca. EUR 18,60.
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Louis Begley kam am 6. Oktober 1933 als Ludwik Beglejter in einer kleinen Stadt im Osten Polens (heute Ukraine) als Sohn polnischer Juden zur Welt. 1947 emigrierte die Familie in die USA. Begley studierte Jura in Harvard und arbeitete als Anwalt. 1991 erschien sein erster Roman "Lügen in Zeiten des Krieges", ein vielfach mit Preisen bedachtes bedeutendes Dokument der literarischen Erinnerung an den Holocaust.

Ergänzende Buchempfehlungen:

Louis Begley, Anka Muhlstein: "Venedig unter vier Augen"

Seit vielen Jahren sind Anka Muhlstein und Louis Begley verheiratet. Für die marebibliothek haben sie zum ersten Mal gemeinsam ein sehr persönliches Buch über ihre lebenslange Venedig-Passion geschrieben.
Zwei Autoren, wie sie auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten: die Französisch schreibende Sachbuchautorin Anka Muhlstein, der Englisch schreibende Romancier Louis Begley. Während Begley seine Romanhelden immer wieder nach einem Ausweg aus dem Albtraum Geschichte suchen lässt, muss Muhlstein mit ihren vielfach ausgezeichneten Biografien mitten hinein in die Historie gehen.
In "Venedig unter vier Augen" unternimmt Anka Muhlstein einen Streifzug durch die Serenissima, während Louis Begley dem genius loci dieses einzigartigen Orts der Weltliteratur bei Henry James, Marcel Proust und Thomas Mann nachspürt und in einer meisterhaften Erzählung von einer erotischen Initiation und dem einzigen Weg nach Venedig erzählt:
"Fährst du nach Venedig, musst du in einer Gondel ankommen, sagte Lilly, das ist das einzig Wahre. Alles andere wäre ein Sakrileg. Eine Gondelfahrt vom Bahnhof zu deinem Hotel, damit tust du der Stadt und dir Genüge, meine ich. Ich sollte dir dazu sagen, dass eine Autorität wie Thomas Mann anderer Meinung ist. Jedenfalls war er anderer Meinung, als er den 'Tod in Venedig' schrieb. Dort steht, dass auf dem Bahnhof in Venedig ankommen einen Palast durch die Hintertür betreten hieße." (Marebuch)
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Louis Begley: "Schiffbruch"
Ein Mann steht in einer Bar, irgendwo in Amerika, hat einen Drink in der Hand - da stellt sich jemand zu ihm und beginnt, ungefragt und ungebeten, eine Geschichte zu erzählen, seine Geschichte, wie rasch klar wird: Norths Story vom "Schiffbruch". North also heißt dieser andere, ein Schriftsteller aus New York. Über mangelnden Erfolg kann er sich nicht beklagen, überall in der Welt kursieren seine Bücher, und gerade arbeitet er an einem Drehbuch nach George Eliots "Daniel Deronda". Doch scheint ihn etwas zu bedrücken, was er nun - gegenüber dem Fremden, dem er sich in jener Bar, Stück für Stück, öffnet - loswerden will.
Mitten im alten Europa, in Paris, wo ein Film nach einem seiner Bücher gedreht wird, hat North eine Frau kennen gelernt, Léa, ein überirdisch sinnliches Wesen, das er, weit älter als sie, vom ersten Augenblick an begehrt. Doch was zauberhaft beginnt, wird bald zu einer gespenstisch schönen "amour fou", in der einer ohne den anderen nicht mehr kann und die beide aus ihren Bahnen zu werfen droht. North und seine junge Geliebt steuern auf eine Katastrophe zu, auf einen Schiffbruch, der entweder ihn oder sie vernichten wird. (Suhrkamp)
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"Schmidt"
In diesem Roman erzählt Louis Begley die Geschichte einer Lebenskrise und deren Überwindung durch die Liebe. Sein Held ist der frühpensionierte, vor nicht langer Zeit noch hochangesehene New Yorker Anwalt Albert Schmidt, ein Don Juan mit rigiden Prinzipien, dem der Ruhestand allmählich zum Alptraum wird: Ein halbes Jahr nach dem Tod seiner Frau eröffnet ihm seine Tochter Charlotte, dass sie heiraten werde, und zwar ausgerechnet Jon Riker - den ehrgeizigen, habgierigen Anwalt und Kanzleikollegen Schmidts, dem er nicht zuletzt die Kürzung seiner Pension zu verdanken hat. Schmidt wendet sich gegen die Eheschließung und verstärkt damit nur die Geschwindigkeit, mit der sich seine Tochter von ihm entfernt. Charlotte fordert schließlich vorab ihr Erbteil.
Schmidts Weg in die Einsamkeit und Verbitterung, auf den Louis Begley ihn in diesem von bezaubernder Leichtigkeit gekennzeichneten Buch begleitet, scheint unausweichlich vorbestimmt, gäbe es da nicht die junge puertoricanische Kellnerin Carrie, die ihn mit allen Sinnen liebt und sein Leben von Grund auf verändert. (Suhrkamp)
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"Schmidts Bewährung"
In Louis Begleys Roman taucht ein Bekannter wieder auf: der pensionierte New Yorker Anwalt Albert Schmidt, ein Don Juan mit Prinzipien. Vor der Einsamkeit durch seine Liebe mit der jungen Puertoricanerin Carrie bewahrt, führt Schmidt mit ihr ein abgeschiedenes Leben in Bridgehampton, Long Island. Das erste Mal seit dem Tod seiner Frau ist Schmidt glücklich. Nur die gemeinsame Zukunft mit Carrie bereitet ihm Sorgen, denn die Schöne weist alle seine Heiratsanträge zurück. Schmidts Befürchtungen bewahrheiten sich - Carrie verliebt sich in einen anderen Mann.
Schlimmer noch: Schmidts Tochter Charlotte, eine Frau mit Prinzipien, steht vor der Tür und fordert Geld. Sie hat ihren Ehemann, Schmidts ehemaligen Protegé und Kanzleikollegen, Jon Riker, verlassen, der dabei erwischt wurde, wie er geheime Dokumente an seine Geliebte weitergab. Nun will sie sich mit einer dubiosen Geschäftsidee selbstständig machen. In seiner Verwirrung und Ratlosigkeit findet Schmidt einen ungewöhnlichen Verbündeten: Michael Mansour, den geheimnisvollen Ägypter, der ihm ein verlockendes Angebot macht.
In "Schmidts Bewährung" erzählt Louis Begley eine staunenswert leichte Geschichte darüber, wie schwer es ist, die Entfernung von Mensch zu Mensch zu überwinden - selbst wenn man liebt. Schmidts Bewährung ist ein Roman über die Illusionen der Jugend und die Weisheit des Alters - und umgekehrt. (Suhrkamp)
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