"Der Wilde Westen"

GEO-Epoche Nr. 68


Die Geschichten hinter dem Mythos

Die Zeit, in der die Westgrenze des Siedlungsgebiets der Vereinigten Staaten von Amerika noch nicht der Ozean war und auf der anderen Seite wildes Land ohne Gesetze umfasste, ist - genau betrachtet - erstaunlich kurz, aber sie ist gleichzeitig auch eine Phase der us-amerikanischen Geschichte, die das Selbstverständnis der Bevölkerung stark beeinflusst hat und in einigen Bereichen wohl auch heute noch beeinflusst.

Trapper, Cowboys, Indianer, die US-Kavallerie, Siedlertrecks (die sogenannten Waggon-Treks), Glücksspieler, Revolverhelden und Gesetzlose, Lynchjustiz und Eisenbahnbau, der Goldrausch und der Landrun - all dies sind die Samen, auf denen der Gedanke des "Manifest Destiny" aufgekeimt ist und zusammen mit der Verklärung in sogenannten dime-novels, den damaligen Zeitungen und ab 1902 auch im Kino gut gedüngt unsere Vorstellung von dieser Zeit bestimmt hat.
Die Cowboys, speziell bestimmte Gesetzlose, wie Jesse James oder die Daltonbrüder, die Sheriffs und andere Figuren haben erzählerische Parallelen zur Artuslegende und zu Robin Hood gefunden und eine staubige, dreckige und gefährliche Zeit in den Augen vieler Menschen glorifiziert und verklärt.
Nur wenige US-Autoren haben sich dieser Zeit so kritisch angenommen wie etwa Jack London (hier besonders die Eisenbahn, die Goldsuche und das Trapperwesen) oder auch der eigentlich eher für seine Horrorgeschichten berühmte Richard Matheson.

Die vorliegende Ausgabe der "GEO Epoche" geht nach einer einleitenden Bilderserie sehr ausgiebig mit vielen Aspekten dieser Zeit ins Gericht. Von 1783 bis 1890 dauerte die Eroberung des Restkontinents, nachdem die Nachfahren der ersten europäischen Siedler und auch die neu Einreisenden in die Neue Welt zuvor doch länger gebraucht hatten, um auf einem vergleichsweise kleinen Bereich des Kontinents Fuß zu fassen.
Dabei berichtet das Magazin als Erstes über die Trapper, die auf die Jagd nach den in Europa überaus beliebten Biberfellen gingen, und darüber, wie der Handel und der Transport dieser Felle den Aufbau der Infrastruktur beschleunigte. Gleichzeitig zog dieses "weiche Gold" auch wieder viele Menschen aus Europa in die USA, und so wuchs die Begehrlichkeit nach Wohn- und Bebauungsflächen unter den neu Hinzugekommenen - sehr zum Leidwesen und Nachteil der indianischen Völker, was zunächst beispielgebend an den Cherokee gezeigt wird, um dann später im Zusammenhang mit den Komantschen, den Cree und Anderen fortgeschrieben zu werden.

Weitere Artikel beschäftigen sich mit den Siedlertrecks, die nun wirklich kein Zuckerschlecken waren; zum Beispiel auch, weil die Planwagen in der Regel, anders als in den Filmen, keine Federung besaßen, dem Goldrausch in Kalifornien, dem wirklichen Leben und Sterben der Cowboys und damit, wie schnell sich aufgrund der Eisenbahn deren Leben dann verändert hat - und später auch durch die immer stärkere Besiedlung der Zugwege der Herden. Natürlich bekommt die Eisenbahn ihren eigenen Artikel, genau wie Jesse James und einige der anderen Gesetzlose, die durch die Medienberichtserstattung der damaligen Zeit zu fragwürdiger Berühmtheit gefunden haben.

Nach einer Darstellung der aus der Fernsehserie bekannten Stadt Deadwood wird ein abschließender Artikel über die Landruns ab 1889 geboten, bevor auch diese "GEO Epoche" mit der bewährten Zeitleiste endet, die noch viele andere neuralgische Punkte der Geschichte aufgreift. Gerade auch mit den vielen zeitgenössischen Fotografien ist diese "GEO Epoche" sicherlich eines der bsilang erfreulichsten Magazine dieser Reihe.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2014)


"GEO Epoche. Der Wilde Westen"
Gruner & Jahr, 2014. 173 Seiten.
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Einige Buchtipps:

Alexander Emmerich: "Alles Mythos! 20 populäre Irrtümer über den Wilden Westen"

Der Traum von Abenteuer und Wildnis - zwischen Fakten und Fiktion.
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Wie war das wirklich? Wie viel davon ist wahr, was ist den Fantasien unserer Kindheit geschuldet, als Cowboys und Indianer sich durchs Kinderzimmer jagten, was Karl May und den Illusionen geschickter Zigarettenwerbung? Die Faszination des Wilden Westens lässt nicht nach, wenn man die Klischees hinterfragt. Flüssig und mitreißend erzählt der Autor, wie wild der Westen wirklich war, in dem Europäer und Indianer aufeinandertrafen. (Theiss)
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William Clark, Meriwether Lewis: "Der weite Weg nach Westen. Die Tagebücher der Lewis und Clark Expedition 1805-1806"
Herausgeber: Prof. Dr. Hartmut Wasser.
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