Bruno Bleckmann: "Die Germanen"

Von Ariovist bis zu den Wikingern


Konflikt und Kooperation zwischen den Römern und den nördlichen Barbaren

Die Geschicke des römischen Imperiums waren über Jahrhunderte eng mit den Aktivitäten der Germanenvölker innerhalb und vor allem jenseits seiner lange Zeit expandierenden Grenzen verflochten. Es ist interessant und für ein fundiertes Geschichtsverständnis notwendig, die Veränderungen der Beziehungen zwischen Römern und Germanen zu betrachten, sowohl hinsichtlich ihrer Intensität als auch ihrer Natur; vom Einfall der Kimbern und Teutonen bis zu den später in die römische Militärhierarchie integrierten Germanenführern und schließlich zur Machtübernahme der Goten in Westrom führt ein weiter Weg.

Der Althistoriker Bruno Bleckmann verfolgt diesen Weg in seinem Buch über die Germanen. Im einleitenden Teil untersucht er zunächst den Germanenbegriff aus unterschiedlichen Blickwinkeln, der sich bekanntlich nicht so leicht festlegen lässt. Die darauf folgenden Abschnitte sind chronologisch geordnet; der erste von ihnen setzt beim frühesten Zeitpunkt an, zu dem die Germanen "greifbar" werden, geht auf die Kimbern und Teutonen ein und endet mit den von Ariovist geprägten Auseinandersetzungen mit Rom.

Im Anschluss untersucht der Autor die Zeit, zu der Teile Germaniens römische Provinz wurden. In diese Epoche fallen die berühmte Varusschlacht und der Limesbau. Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit den massiven Umwälzungen im dritten Jahrhundert, die von immer neuen Invasionen germanischer Stämme und Kriegertrupps geprägt waren; darauf folgen Kapitel über die Epoche um Kaiser Konstantin. In dieser Phase der römischen Geschichte waren germanische Truppen längst integraler Bestandteil des römischen Militärs.

Die ersten germanischen Reichsgründungen, vor allem der Vandalen und Goten, bis hin zum Zusammenbruch Westroms bilden das Thema des nächsten Buchteils, gefolgt von der sich anschließenden Geschichte der Machtverschiebung von den Goten und Langobarden hin zu den Franken. In diesem Abschnitt werden zudem weitere germanische Aktivitäten, etwa in England, betrachtet. Er endet mit den Eroberungszügen der Wikinger. Eine Zusammenfassung schließt sich an.
Im Anhang findet der Leser unter anderem eine bei der Lektüre sehr hilfreiche Zeittafel.

Der Autor hat, wie er im Vorwort angibt, die politischen und militärischen Verflechtungen zwischen Römern und Germanen als roten Faden für sein Buch gewählt. Auf diese Weise entsteht ein chronologischer, auch für den Laien nachvollziehbarer Rahmen für eine insgesamt hochkomplexe Thematik, die heute noch manche Unsicherheit enthält und Interpretationsspielraum lässt.

Bleckmann stützt sich ebenso auf Quellen aus der Antike und dem frühen Mittelalter wie auf archäologische Funde. Dabei verwendet er vor allem die frühen römischen Quellen angemessen kritisch, die, wenn sie von Politikern (etwa Cäsar) stammen, natürlich Kalkül enthalten, und auch wenn sie zu eher "neutraler" Geschichtsschreibung gehören, nicht selten abwegige und absurde Beschreibungen enthalten, die das römische Barbarenbild stützten.

Es gelingt dem Autor, eine Fülle an sorgfältig aufbereiteten Informationen auf einer überschaubaren Seitenzahl unterzubringen, ohne dass der Leser den bereits erwähnten Faden verliert; Aufmerksamkeit bei der Lektüre ist dennoch Voraussetzung, denn das Buch bietet wesentlich mehr Anspruch als die üblichen populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Thema und lässt sich nicht "so nebenher" lesen. Auf Breite, das heißt, möglichst das gesamte Spektrum germanischer Stämme und Aktivitäten erfassen wollend, ebenso wie auf Tiefe angelegt und dennoch auf das Notwendige beschränkt, ermöglicht es dem Leser, sich einen bemerkenswert gründlichen Überblick über "die Germanen" anzueignen.

Kartenmaterial und Abbildungen von Persönlichkeiten und Kunstgegenständen ergänzen die Texte häufig.
Ein angesichts seines Gehalts erfreulich gut lesbares Buch, das die gesamte germanische Geschichte bis ins Mittelalter hinein sorgfältig abdeckt.

(Regina Károlyi; 04/2009)


Bruno Bleckmann: "Die Germanen. Von Ariovist bis zu den Wikingern"
C.H. Beck, 2009. 359 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen

Noch ein Buchtipp:

Hans Dieter Stöver: "Der Sieg über Varus. Die Germanen gegen die Weltmacht Rom"

"Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder!" soll Kaiser Augustus geklagt haben, als das römische Heer im September 9 n.Chr. eine katastrophale Niederlage gegen den ehemaligen römischen Offizier Arminius erlitten hatte. Wie war es möglich, dass die Germanen die hochgerüsteten und zahlenmäßig überlegenen Römer besiegten? Was weiß man über die Protagonisten der Ereignisse? War Varus ein Versager oder wurde er geschickt getäuscht? Wie beeinflusste der Ausgang der Schlacht die weitere historische Entwicklung? Wo hat die Schlacht überhaupt stattgefunden? Tacitus verortete sie im Teutoburger Wald. Heute gilt Kalkriese nordöstlich von Osnabrück als möglicher Schauplatz. Doch die Schlacht um diese Frage ist noch nicht geschlagen. (dtv)
Buch bei amazon.de bestellen