Peter Brock: "Es geschah in Berlin 1922. Das schöne Fräulein Li"

Kappes siebenter Fall


Als sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in China der Kommunismus langsam breit macht, sind schon viele Chinesinnen und Chinesen in andere Länder der Welt gereist, um dort entweder ihr Glück zu machen oder auch, um den Unwägbarkeiten der politischen Entwicklung im eigenen Land zu entgehen. Dabei kommen sie in Gebiete, wo die Einheimischen nichts von ihrer Sprache und Kultur wissen und wo sie sich meist auch nur innerhalb einer Enklave von Landsleuten orientieren können. Diese Enklaven gehorchen dabei oft höchst eigenen Gesetzen; viele Dinge bleiben den Behörden der Gastländer verborgen und werden "intern" abgewickelt.

Ein auf einer Brücke brutal zu Tode getretener etwas größerer Chinese ist aber kaum zu übersehen, und so wird er von einigen leicht angetrunkenen Herren der Polizei gemeldet, die so einen Grund bekommt, sich im so genannten "Gelben Viertel" von Berlin genauer umzuschauen. Galgenberg und Kappe stehen dabei wieder einmal an vorderster Front.

Zunächst wird ein Mord im vermuteten chinesischen Bandenmilieu angenommen, aber dieser Verdacht lässt sich nach kurzer Zeit nur noch auf den Titelseiten der Journaille aufrechterhalten. Denn Kappe und seine Kollegen finden sich schnell im Bereich der Händler wieder, die chinesische Waren bzw. deren Imitationen von Tür zu Tür verlaufen, und deren Chefs, die damit wirklich nicht schlecht verdienen. Was im zunehmend von nationalem Denken durchzogenen Deutschland, das noch stark von den Folgen des Ersten Weltkrieges traumatisiert ist, zum Teil heftige Reaktionen hervorruft.

Bei einem dieser Geschäftsleute trifft Herrmann Kappe auf dessen Nichte Lienhwa Li, die in Berlin studiert und deswegen bei ihrem Onkel lebt. Und er verfällt der jungen Frau, die auf seine Avancen erstaunlicherweise auch überaus bereitwillig eingeht, mit Haut und Haar, so dass Kappe bald gute Alibis benötigt, um zeitweise in seiner knapp bemessenen Freizeit von Frau und Kindern wegzukommen. All das zu einer Zeit, in der es zwischen ihm und Klara sowieso nicht gut steht.

Vor dem Hintergrund des Kapp-Putsches und anderer Unruhen in der politischen Landschaft Berlins in jener Zeit jagt Kappe schließlich hinter den Mördern von immerhin vier Chinesen her und lernt dabei ein paar Dinge über den Opium-Handel, den Menschenschmuggel und den Willen der deutschen Politik, hin und wieder bestimmte Dinge zu übersehen, um Ruhe im Land zu haben.

Fazit:
Wieder einer der interessanteren Fälle der Reihe, der zeigt, dass der Einfluss der chinesischen Wanderungsbewegung in Deutschland doch deutlich eher angekommen ist als die meisten Leute gemeinhin annehmen würden. Auch entwickelt sich die Figur Kappe in diesem Roman erkennbar weiter, was wie immer interessant anzusehen ist.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 07/2009)


Peter Brock: "Es geschah in Berlin 1922. Das schöne Fräulein Li. Kappes siebenter Fall"
Jaron Verlag, 2009. 205 Seiten.
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