(...) Der junge Raoul sprang heraus auf den weißen Sand und schüttelte einem hochgewachsenen Eingeborenen die Hand. Der Mann hatte eine mächtige Brust und gewaltige Schultern, aber der Stumpf seines rechten Armes, aus dessen Fleisch der verwitterte Knochen mehrere Zentimeter weit herausragte, zeugte von der Begegnung mit einem Hai, die seinen Tagen als Taucher ein Ende gesetzt und ihn zu einem Speichellecker gemacht hatte, der um kleine Gefälligkeiten betteln musste.
"Hast du schon gehört, Alec?" waren seine ersten Worte. "Mapuhi hat eine Perle gefunden - und was für eine Perle! Eine, wie sie nie zuvor auf Hikueru gefischt worden ist, nicht einmal in den Paumotus, in der ganzen Welt nicht. Kauf sie ihm ab. Er hat sie noch. Und denk daran, dass ich dir zuerst davon erzählt habe. Er ist ein Narr und du wirst sie billig bekommen. Hast du ein bisschen Tabak übrig?"
Raoul ging über den Strand direkt zu einer Hütte unter einem Pandanusbaum. Er war der Frachtmeister seiner Mutter, und seine Aufgabe bestand darin, die gesamten Paumotus nach dem Reichtum an Kopra, Perlmutt und Perlen abzuklappern, den sie erzeugten.
Er war noch nicht lange Frachtmeister, dies war erst seine zweite Reise in dieser Funktion, und er litt insgeheim große Sorge wegen seiner mangelnden Erfahrung im Beurteilen von Perlen. Aber als Mapuhi diese Perle vor seinen Augen enthüllte, gelang es ihm, seine Verblüffung zu verbergen und einen gleichmütigen, geschäftsmäßigen Ausdruck beizubehalten.
Denn der Anblick der Perle hatte ihn wie ein Schlag getroffen. Sie war so groß wie ein Taubenei, makellos rund und von einem Weiß, das in opalisierenden Lichtern aller Farben zu schillern schien. Sie war lebendig. Nie zuvor hatte er etwas Vergleichbares gesehen. Als Mapuhi sie in seine Hand fallen ließ, war er überrascht von ihrem Gewicht. Das zeigte, dass es eine gute Perle war. Er sah sie sich durch ein Taschenvergrößerungsglas genauer an. Sie war ohne Makel oder Fehler. Ihre Reinheit schien geradezu aus seiner Hand in die Atmosphäre auszustrahlen. Im Schatten leuchtete sie von innen heraus, schimmernd wie ein sanfter Mond. Sie war von derart durchscheinendem Weiß, dass er sie fast nicht entdecken konnte, als er sie in ein Glas Wasser fallen ließ. An der Art, wie sie geschwind und gerade zu Boden sank, erkannte er, sie war von ausgezeichnetem Gewicht.
"Nun, was willst du dafür haben?" fragte er mit gut gespielter Nonchalance.
"Ich will - " begann Mapuhi und hinter ihm, sein eigenes dunkles Gesicht einrahmend, nickten die dunklen Gesichter zweier Frauen und eines Mädchens zustimmend zu seinen Wünschen. Ihre Köpfe waren vorgereckt, erfüllt von unterdrückter Ungeduld, ihre Augen glitzerten begehrlich.
"Ich will ein Haus," fuhr Mapuhi fort. "Es muss ein Dach aus verzinktem Eisenblech haben und eine achteckige Pendeluhr. Es muss zehn Meter lang sein und rundum eine Veranda haben. In der Mitte muss es einen großen Raum haben, mit einem runden Tisch im Zentrum und der achteckigen Pendeluhr an der Wand. Es muss vier Schlafzimmer haben, zwei zu jeder Seite des großen Raums, und in jedem Schlafzimmer müssen ein eisernes Bett, zwei Stühle und ein Waschtisch stehen. Hinter dem Haus muss eine Küche sein, eine gute Küche, mit Töpfen und Pfannen und einem Herd. Und du musst das Haus auf meiner Insel errichten, auf Fakarava."
"Ist das alles?" fragte Raoul ungläubig.
"Es muss auch eine Nähmaschine dabei sein," ergriff Tefara das Wort, Mapuhis Frau.
"Nicht zu vergessen die achteckige Pendeluhr," fügte Nauri, Mapuhis Mutter hinzu.
"Ja, das ist alles," sagte Mapuhi.
Der junge Raoul lachte. Er lachte lang und herzlich. Aber während er lachte wälzte er insgeheim im Geiste arithmetische Probleme. Er hatte in seinem Leben noch kein Haus errichtet und seine Vorstellungen vom Hausbau waren nebelhaft. Während er lachte, überschlug er die Kosten der Fahrt nach Tahiti zur Materialbeschaffung, die Kosten der Baustoffe, der Rückreise nach Fakarava, der Anlandung der Fracht und des Hausbaus selbst. Es kam auf viertausend französische Dollar, einschließlich eines Sicherheitsspielraums - viertausend französische Dollar waren das Äquivalent von zwanzigtausend Francs. Unmöglich. Wie sollte er den Wert einer solchen Perle bemessen? Zwanzigtausend Francs waren eine Menge Geld - zumal vom Geld seiner Mutter.
"Mapuhi," sagte er, "du bist ein großer Narr. Nenn einen Preis in Geld."
Aber Mapuhi schüttelte den Kopf und die drei Köpfe hinter ihm verneinten im Gleichklang.
"Ich will das Haus," sagte er. "Es muss zehn Meter lang sein und rundum eine Veranda -"
"Ja, ja," unterbrach ihn Raoul. "Ich weiß Bescheid über dein Haus, aber es geht nicht. Ich gebe dir eintausend Chile-Dollar."
Die vier Köpfe verneinten im Chor.
"Und einhundert Chile-Dollar in Waren."
"Ich will das Haus," begann Mapuhi.
(...)


(aus "Die Perle" von Jack London
Originaltitel: "The House of Mapuhi"

aus dem Englischen von Peter Friedrich)