Vorbei

Kurzgeschichte von Marianne Leersch

Ich liebe dich, flüsterte ihr Mund und hauchte Wehmut in sein Ohr. Ich liebe dich, sagten seine Augen und schlossen sich, geblendet von der Tiefe. Wir lieben uns, sprachen die Körper und schmiegten sich aneinander. Wir sind eins, raunten die Hände und verschlangen die Finger ineinander.

Jeder konnte sie sehen, die Liebe. Wenn sie gingen, brachten sie ihre Schritte in einen harmonischen Gleichklang, kleiner wurden seine Schritte, größer die ihren, bis sie sich trafen in einem gleichmäßgen Summen auf dem Asphalt, der elastisch wurde unter der Größe ihrer Gefühle. Im Gehen verbanden umschlungene Glieder zwei Körper zu einem, knisternde Funken versprühend, die Vorbeigehende verweilen ließen und neidvoll erblassen. Wenn sie schliefen, verschmolzen ihre Haut und ihr Atem und wärmende Träume hüllten sie ein.

Schon der Gedanke den anderen für Stunden nicht zu sehen löste Qualen aus, die in unzähligen Küssen erstickt, einen bittersüßen Schmerz hinterließen.

Ich brauche dich, flüsterte ihr Mund und besitzergreifende Tropfen benetzten sein Ohr. Ich brauche dich, sagten seine Augen und umklammerten ihren Geist. Wir brauchen uns, sprachen die Körper und rieben sich aneinander. Wir brauchen uns, raunten die Hände und verknoteten die Finger ineinander.

Jeder konnte sehen wie sehr sie einander brauchten. Wenn sie gingen, forderten sie den Gleichschritt ihrer Beine, kleiner wurden seine Schritte, größer die ihren, bis sie sich feststampften in einem zwanghaften Hacken auf dem Asphalt, der hart wurde unter dem Druck ihrer Gefühle. Im Gehen verkrampften verschlungene Glieder zwei Körper zu einem, bedrohliche Funken versprühend, die Vorübergehende einen Bogen machen ließen und bedauernd verstummen. Wenn sie schliefen, vergruben sich ihre Haut und ihr Atem ineinander und drückende Zweifel hüllten sie ein.

Schon der Gedanke den anderen für Stunden nicht zu sehen, löste Angst aus, die durch heftiges Umklammern wuchs.

Du gehörst mir, zischte ihr Mund und beißende Tropfen benetzten sein Ohr. Du gehörst mir, forderten seine Augen und fesselten ihre Gedanken. Wir gehören uns, knirschten die Körper und zersetzten einander. Wir gehören uns, drohten die Hände und verriegelten die Finger ineinander.

Jeder konnte sehen wie sehr sie einander gehörten. Wenn sie gingen, bewachten sie den Gleichmarsch ihrer Beine. Kleiner wurden seine Schritte und größer die ihren bis sie sich beherrschten in einem gefangenen Dröhnen auf dem Asphalt, der heiß wurde unter der Bedrohlichkeit ihrer Gefühle. Im Gehen ketteten verschlungene Glieder zwei Körper zu einem, beobachtende Funken versprühend, die Vorübergehende erstarren ließen und ahnend erschauern. Wenn sie schliefen, raubten sie sich ihre Haut und ihren Atem und wachsame Träume höhlten sie aus.

Schon der Gedanke den anderen für Stunden nicht zu sehen, versetzte sie in spähende Panik, die sie lähmte. Ich gehe, zitterte ihr Mund und resignierte Tropfen verloren sich in seinem Ohr. Ich gehe, weinten seine Augen und verloren ihr Gesicht. Wir gehen, wimmerten ihre Körper und erkalteten nebeneinander. Wir gehen, klagten die Hände und lösten sich voneinander.

Jeder konnte sehen, dass sie sich verließen. Größer wurden seine Schritte und kleiner die ihren, bis sie sich verloren in einsamen Klängen auf dem Asphalt, der starr wurde unter der Kälte ihrer Gefühle. Im Gehen entfernten sich zwei Körper und nutzlose Glieder baumelten vor sich hin, leere Funken versprühend, die Vorübergehende zurückweichen ließen und Worte vereisten.

Der Gedanke den anderen nicht mehr zu sehen, ließ sie erleichtert aufatmen und die erfrorene Liebe zerbarst.