Der Misanthrop No 20

Die jungen Mütter


“Bianca ist schwanger – sowohl für Sartre als auch für die Beauvoir zweifellos das Abstoßendste und Komischste, was einem Frauenkörper zustoßen kann.“

(Bernard-Henri Lévy; aus: „Sartre“)

Wer die Mühsal seines beruflichen Alltags in einem Büro fristet, wird sie wohl zu Genüge kennen: Die jungen Mütter. Also jene überaus geselligen Zeitgenossinnen, welche aus unheiligem Entschlusse Unheil gebaren, um dann auch noch stolz darauf zu sein. Eben dieses unseligen Stolzes wegen zerren sie ihre vorerst sich als kreischende Plagegeister entpuppenden Leibesfrüchte in das Blickfeld einer bis zur Selbsterniedrigung sich begeistert gebenden Kollegenschaft. Die Bestimmung der Frau, so scheint es in diesen Momenten und so wird es ohne Unterlass inszeniert, ist das eherne Gesetz ihrer Mutterschaft. Und so vermeinten sie es und gaben sich, aus welch launiger Gemütsstimmung auch immer dazu geneigt, gegenüber der Empfängnisdrohung ungeschützt der Brunst eines Mannes hin, auf dass er einen Keim in die sich ihm darbietende Innerei einlegte. Einen Keim gar wohl, nach welchem das Leben dieser Erde nur aus Blindheit, doch nicht aus Vernunft verlangt. Denn das Leben will nicht leben, aus tiefer Einsicht in einen höheren Ethos, vielmehr verlangt es nach Untergang, Verfall und Endlichkeit, sobald es zu erhellender Selbsterkenntnis gelangt ist. Es verfängt sich in düsterer Melancholie, wird siech und abgewandt. In seiner für gewöhnlich das Bewusstsein umwitternden Gemütsverfinsterung widerfährt dem Menschenleben keine feindseligere Gunst als jene höhere Intelligenz, die es zuweilen zum Segen seiner Mitwelt hervorbringt. Sehend wird sodann jener, dem - dessen Biedersinn - jedes Augenlicht verderblich ist.

Ein tragischer Daseinsirrtum ist es, im Leben des Menschen einen biologischen Selbstzweck höherer Ordnung erkennen zu wollen, der die Existenz der Gattung rechtfertige, oder gar vielleicht – welch Irrwitz – die zweibeinige Kreatur über die Annahme eines selbstsüchtigen Gottes, der einer menschlichen Manövriermasse von Gottähnlichen eigens zum Zwecke seiner Lobpreisung und Anbetung bedürfte, für die ihrigen destruktiven Anwandlungen als legitim zu befinden. Und überhaupt, der Mensch ist der Erde schlimmster Feind; er ist ihr Aussatz, den keine Medizin zu heilen vermag. Die junge Mutter nun aber, unberührt wie ungerührt von jedweder Einwendung gegen die Natur ihres Glücks, sie fühlt sich gerechtfertigt durch den Beifall, den man ihr aus der Gedungenheit einer schlichten Gemütslage gewährt. Sie tat bloß, gehorchend einer Gebietung und dieser sich selbst darbringend, das, was es jeder Fruchtbarkeitspropaganda immer schon mit herrschaftlichem Recht von anständigen Frauen zu fordern galt - lebt also gebettet in Selbstzufriedenheit den Geist ihrer vermeintlichen Naturbestimmung und harmoniert solcherart ohne viel Fragen mit der ungesehenen Zwecklosigkeit ihres Daseinszwecks. Geboren aus dem Geist der Untertänigkeit; so ist seiner Herkunft nach jener geraten, den sie in vermeintlicher Selbstbestimmung aus freien Stücken von Herzen gern gebar. Zwar ist es selbst den dumpfesten Geistern eine längst schon obsolete Pflichtübung, zur Legitimierung von Mutterfreuden irgendwelchen antiquierten Vorstellungen von wegen Stammesdienstbarkeiten zu frönen, demnach aus Gründen der Lebensraumkonkurrenz überzähliges Jungvolk zur Selbstaufopferung allezeit bereitstehen müsse, doch gebietet sich Fortpflanzung neuerdings als wohlfahrtsstaatliche Notwendigkeit, als Gehörigkeit gegenüber einer wohlmeinenden Menschenökonomie, die fraglos vollzogen wird und selten noch mit der sarkastischen Frage konfrontiert ist, wer denn jemals den dabei anfallenden Müll wegzuräumen gedenkt. Ohne Bedacht Erdlinge in die Welt setzen, ist, obgleich altruistische Vermeintlichkeiten Gegenteiliges behaupten, tatsächlich weniger tugendhaft gehandelt, als für gemeinhin man meinen möchte, sondern vielmehr kopflos und in der Tendenz gegen jede ökologische und soziale Vernunft. Darauf auch noch stolz zu sein, mutet tollkühn an, doch ist diese Tollkühnheit im Volke der liebe, wenn nicht sogar liebste Brauch. Schämen sollte sich, wer Sinn und Zweck seiner irdischen Existenz simpel als ich-bezogene, obgleich zuweilen patriotisch verbrämte Weiterreichung seines Erbguts verkennt, dabei nie nach Höherem als dem Fleische strebend, gedankenlos nach dem Diktat einer vermeintlich ebenso biologisch gesetzten wie sozial nützlichen Logik verfährt. Eine Logik geistlosen Fleisches, deren fataler Grundzug ein blindes Wollen wider jeden Vernunftsinn ist.

Den jungen Müttern sei nun freilich alles Gute gewunschen. Doch mögen sie in einem langen und erfüllten Leben bei Zeiten ob ihres grundlegenden Irrtums zur Besinnung kommen. Denn einstmals ließen sie sich aus eitler Unachtsamkeit dazu verleiteten jenes Unglück in der Welt zu halten, das der Mensch nun einmal dieser Erde und ihren edleren Geschöpfen ist.

(Misanthrop; Sept. 2005)


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