(...) "Wenn Sie dem Hund im Esszimmer was geben", sagte eine Frauenstimme, "kriegen den keine zehn Pferde mehr von hier weg."
"Macht nichts. Der Ärmste ist ausgehungert." Der Professor reichte dem Hund mit der Gabel einen Happen, den dieser mit der Geschicklichkeit eines Trickkünstlers entgegen nahm, und warf die Gabel krachend in das Spülgefäß.
Dann stieg von den Tellern Dampf auf, der nach Krebsen duftete; der Hund saß im Schatten des Tischtuchs mit der Miene eines Postens, der das Pulvermagazin bewacht. Der Professor schon sich das Ende der steifen Serviette hinter den Kragen und predigte:
"Das Essen, Iwan Arnoldowitsch, ist eine verzwickte Sache. Man muss sich darauf verstehen, und stellen Sie sich vor, die meisten Menschen verstehen sich nicht darauf. Man muss nicht nur wissen, was man isst, sondern auch wann und wie." Der Professor schwenkte vielsagend den Löffel. "Und was man dabei spricht. Jawohl. Wenn Ihnen Ihre gute Verdauung am Herzen liegt, gebe ich Ihnen den guten Rat: Sprechen Sie bei Tisch nie vom Bolschewismus und von der Medizin. Und lesen Sie, gottbehüte, vor dem Essen nie sowjetische Zeitungen."
"Hm ... Aber andere gibt's ja nicht."
"Dann lesen Sie gar keine. Wissen Sie, ich habe in meiner Klinik dreißig Fälle beobachtet. Und was glauben Sie? Patienten, die keine Zeitung lesen, fühlen sich ausgezeichnet. Diejenigen aber, die ich gezwungen habe, die 'Prawda' zu lesen, haben abgenommen."
"Hm", brummte der Gebissene interessiert, rosig von Suppe und Wodka.
"Mehr noch. Der Kniereflex war bei ihnen vermindert, der Appetit miserabel und die Seelenverfassung niedergedrückt."
"So was ..."
"Jawohl. Aber was mache ich da? Ich rede ja selber von der Medizin. Essen wir lieber."
Der Professor lehnte sich zurück und läutete, und in der kirschroten Portiere erschein Sina. Der Hund bekam ein dickes, blasses Stück Stör, der ihm nicht schmeckte, und gleich danach eine Scheibe blutiges Roastbeef. Nachdem er es verputzt hatte, merkte er plötzlich, dass er müde war und kein Essen mehr sehen konnte. Seltsames Gefühl, dachte er und klappte die schwer gewordenen Lider zu, meine Augen möchten keine Nahrung mehr sehen. (...)


(Aus "Hundeherz" von Michail Bulgakow)

Der experimentierfreudige Chirurg Filipp Filippowitsch Preobrashenski nimmt den Straßenhund Bello bei sich auf, um ihm die Hypophyse und Samendrüsen eines Kriminellen einzupflanzen. Es entsteht ein dem Menschen ähnliches Wesen: Es geht auf den Hinterbeinen und lernt binnen einiger Tage sprechen. Allerdings entwickelt "Genosse Bellow" auch die schlechten Manieren des unfreiwilligen Spenders: Er begrapscht Frauen, trinkt, stiehlt und tötet - und er hasst Katzen! Seinem Schöpfer macht er das Leben zur Hölle, bis nur noch ein Ausweg bleibt, um dem Spuk ein Ende zu setzen ... 
Eine bitterböse Parabel auf die Zustände im Russland der 1920er Jahre, eine Groteske, die mit kritikloser Wissenschafts- und Fortschrittsgläubigkeit abrechnet, mit wunderbaren Dialogen!
"Hundeherz" entstand 1925, erschien aber erst 1987 in der Sowjetunion.
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(dtv, 1997. ca. EUR 8,-)