Ja, die Callas

Ja, die Callas. Großartig. Sie haben sie ja nicht mehr auf der Bühne erlebt. Und Aufnahmen aus der Zeit sind so selten. Da hat man noch für Menschen aus Fleisch und Blut gesungen, nicht bloß für die Platten. Oder CD's, wie das jetzt heißt. Aber die wenigen Aufnahmen, die es gibt, diese Mitschnitte, die bringen noch die Atmosphäre rüber. Den Raum, die Zuschauer. Da ist noch ein Dialog da zwischen dem Künstler und seinem Publikum. Wir sind ihr ja zu Füßen gelegen. Nachgereist sind wir ihr. Mailänder Scala 1955, dann 1959 in Hamburg, wir waren dabei. Der Eugen und ich, meine ich. Mein verstorbener Mann. Sie kennen ihn ja. Doch, Sie kennen ihn. Seine Stimme kennen Sie. Nein, direkt gesungen hat er nicht. Aber in der Traviata von Chicago, im Jahr 54 muß das gewesen sein, die Huster in der "e strano!"-Arie, die sind von ihm. Vielleicht haben Sie nicht darauf geachtet. Ist ja verständlich. Aber in dieser unsterblichen Tosca-Aufnahme von 1965, in Paris, da haben Sie ihn bestimmt gehört. Da hat sein Husten schon dieses Charakteristische, dieses Bellen. Unverkennbar. Ich hör mir so oft diese Platten an. Callas, di Stefano. Und so viele Huster von meinem lieben Eugen. Bald hab ich ihn dann ja nach Davos bringen müssen, wegen seiner Lunge. Er ist dann nicht mehr heimgekommen. Die heutigen Aufnahmen, kein Vergleich. Das ist alles so steril. Nur Studio. Und wissen Sie was, jetzt fangen die schon an, die Geräusche vom Publikum von den alten Platten runterzulöschen. Die werden einfach durch den Computer geschickt, heißt es. Da schenkt mir doch neulich meine Nichte eine CD mit dem berühmten Konzert im Covent Garden, 1965. Sie wissen schon. Das war kurz vor Davos. Ich warte auf die fünf Huster von meinem lieben Eugen in der "caro nome"-Arie. Aber die waren nicht mehr da. Gelöscht. Das kann man mit einem Publikum doch nicht machen. Eine Pietätlosigkeit. Mein armer Eugen. So großartig die Callas war, aber auf sowas kann ich verzichten.


 

(von Rupprecht Mayer)