Klaus Kinski: "Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund ....."

Klaus Kinski liest Gedichte von François Villon, Oscar Wilde, J.W. Goethe, Friedrich Schiller


„... Mir liegt nun einmal dieser Zug ins Tierbereich .....“
(François Villon aus: Das große Testament)

Klaus Kinski, unter anderem jener, der schon mal aus Wut durch geschlossene Türen sprang, kann auf dieser vorliegenden CD ganz wunderbar seiner manischen Getriebenheit nachgehen bzw. freien Lauf lassen. Die Auswahl der Gedichte ist wohl angetan dazu. Vor allem seine Interpretationen von François Villon sind mehr als gelungen – fast hat man das Gefühl, der französische Dichter des 15.Jahrhunderts hätte nicht viel besser seine Gedichte vortragen können als dies Kinski tut. Mit rollendem „R“, manischer Besessenheit, die nach triefendem Schweiß, dumpfer Lust riecht und von scheinbar kurz bevorstehendem Überschnappen kündet, läuft Kinski zur Höchstform auf. Kein Wunder, ist doch Kinski mit den Themen der Gedichte – vor allem eben jener von François Villon – Liebe, Hass, Tod, Vergänglichkeit, Laster und Ausschweifungen auch in seinem Leben wohl vertraut gewesen und kann dies dem Hörer auch authentisch nahe bringen: mal ganz leise, mal laut weidwund brüllend, vor animalischer Lust stöhnend, zieht das Gesprochene den Hörer – so er etwas mit derartigen Motiven anzufangen weiß – völlig in seinen Bann oder aber lässt den Zartbesaiteten, der beim Anhören an der eigenen Schmerzgrenze wandelt, erschaudern. Man spürt förmlich, dass Kinski viele der Passionen Villons mit ihm geteilt haben muss, dass ihm das alles wohl vertraut war. Dergestalt verliert diese Aufnahme sogar bei oftmaligem Durchhören nichts von ihrem Reiz, sondern die Wirkung scheint sich förmlich bei jedem Neudurchgang zu intensivieren. Wie viel Vergnügen bereitete es Kinski wohl, das berühmte Gedicht von den Lästerzungen vorzutragen, und an wen aller mag er dabei gedacht haben?...

Die Auswahl der Gedichte geht im großen und ganzen in Ordnung, wenn man auch sagen muss, dass einen „Faust – Monolog“ andere schon besser gegeben haben. So was entspricht nicht wirklich dem Kinski´schen Naturell, da schon eher der „Totentanz“ und der „Zauberlehrling“, wo jemand am Werk ist, dem der Aufenthalt in „Grenzbereichen“ nichts Fremdes ist – die Biografie Kinskis bezeugt dies ja.

Ein schöner Kontrast ist auch die „Zusammenarbeit“ mit Friedrich Schiller, dem großen Moralisten und Idealisten der deutschen Literaturgeschichte. Hierbei tritt offenbar die zarte, verwundbare Seite von Kinski zu Tage – zumindest aber scheint sich Kinski auch oftmals in dieser Rolle gefühlt zu haben: als jemand, der aufrecht für eine hehre Sache kämpft und – natürlich mit Undank entlohnt wird, worauf er frohen Herzens wiederum in die andere – ihm noch besser zu Gesicht stehende Rolle schlüpfen kann – indem er die Undankbaren mit seinem Groll, mit seinem manischen Hass verfolgt.
In Schillers Gedicht vom „Handschuh“ beispielsweise geht es darum, dass ein Burgfräulein testen will, wie es um die Liebe des Ritters zu ihr bestellt ist, indem sie ihren Handschuh in den Reigen wilder Bestien wirft, und es nur ein Ritter wagt, zu den Raubtieren in den Zwinger zu steigen, um den Handschuh aufzulesen, und es – ganz Schiller – hernach mit der Liebe natürlich vorbei ist.
Die besondere Ausstrahlung Klaus Kinskis dürfte wohl ebenso darin begründet sein, dass er gewissermaßen sowohl etwas von jenen Bestien wie aber auch vom strahlenden Heros besitzt und diesen „tragischen“ Widerspruch – wenn er ihn schon nicht in sich einigermaßen friedlich nebeneinander leben lassen konnte und er somit ein weiterer Grund für seine innere Getriebenheit war, ihn jedoch zumindest famos darzustellen verstand. So schaffte es Klaus Kinski erstaunlicherweise dennoch, in seiner immensen Morbidität höchst lebendig zu sein.
Conclusio: Diese CD – vor allem die Villondarstellung – ist absolut empfehlenswert.

(Jakob Kreutzfeldt)


Klaus Kinski: "Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund....."
Amadeo (Universal Vertrieb)
ca. EUR 12,99. CD bestellen

... hier ein Bildband mit Gedichten und Fotografien von Klaus Kinski