Rüdiger Janczyk: "Wagners Tränen"
Historischer Kriminalroman
Gegen
Ende des Zweiten Weltkrieges wankt ein ältlicher Komponist
namens Strauss durch das zerbombte München und bejammert die
verlorene deutsche Kultur sowie die vernichtete Staatsoper, wo er seine
größten Triumphe gefeiert hatte. Dann bereitet er
sich mit seinem Adlatus darauf vor, die Stadt zu verlassen. Zuvor
bekommt er allerdings noch Besuch von einem Juden namens
Grünspan, dem es bisher gelungen war, der Gestapo zu
entkommen. Dieser überreicht Strauss ein Büchlein,
das einen Teil der Lebensgeschichte einer jungen Frau enthält,
die in den Jahren 1848/1849 in
Dresden die Wirren der Revolution erlebt
hatte und dabei unter anderem auch auf Richard Wagner getroffen war.
Soweit die Rahmenhandlung.
Es ist das Jahr 1848, und in den deutschen Ländern - wie auch
sonst in der Welt - ist allerlei los. Im Zuge der Schrecken der
Französischen Revolution und des Ratterns der Guillotine lebt
der Adel in Angst und Schrecken und hat sich oft mit schwer bewaffneten
Soldaten umgeben, um sich vor dem Bürgertum zu
schützen oder hat - wie der Herrscher von Sachsen, der von
seinen Untertanen meist der Geliebte genannt wird - den
revolutionären Kräften einige Zugeständnisse
gemacht. Diese speisen sich nicht nur aus der republikanischen Idee aus
Frankreich, sondern werden genauso von den Schriften
Hegels und Marx'
beeinflusst.
Einer der derart Beeinflussten ist der Hofkappellmeister und
Hofkompositeur Richard Wagner, der mit seiner Frau Minna nach einem
kurzen Parisaufenthalt wieder in die ungeliebte Dresdener Heimat
zurückgekommen ist. Auch hier hat er sich innerhalb
kürzester Zeit durch seinen Lebensstil - und besonders durch
seine Mätresse Claudette - bis über beide Ohren
verschuldet und schreibt neben seiner Arbeit für den Hof immer
wieder revolutionäre Texte, die bei seinem primären
Arbeitgeber nicht sonderlich gern gesehen werden. Auch sein
ständiger Umgang mit Anarchisten und Republikanern macht ihn
der Staatsmacht sehr verdächtig, was er allerdings in erster
Linie für einen typischen Auswuchs der Reaktion hält.
Zur gleichen Zeit soll neben allen politischen Kräften auch
ein Teufel in Dresden umgehen, was sich Richard in unangenehmer Weise
zeigt, als dieser ausgerechnet während eines
Schäferstündchens mit Claudette an deren Fenster
erscheint und er bei der Verfolgung erst auf eine große
Blutlache und dann auf den blutverschmierten russischen Exilanarchisten
Bakunin trifft. Die beiden Kampfgefährten machen sich auf die
Suche nach dem Teufel, der deutlich keine Ähnlichkeit mit
Bakunin hatte, sind aber zunächst erfolglos. Doch bei einem
Besuch bei einer anderen Dame begegnet Richard dem Teufel und zweien
seiner Gehilfen wieder und jagt ihn zusammen mit Claudette und dem
hinzukommenden Verleger und Politiker Röckel. Doch die
"Höllengeburten" können entkommen.
Eingefasst in die persönlichen und politischen Wirren der
Jahre 1848/1849 gehen die Verschworenen auf Mörderjagd in
einem Deutschland im Umbruch, in dem die Weichen gestellt werden
für die Entwicklungen, die zu den Umständen der
Rahmenhandlung und noch weiter führen sollen.
Häufig werden die Darstellung der Umgebung und der Zeit durch
musikalische Metaphern und Vergleiche unterlegt, besonders wenn Richard
die Bezugsperson des Lesers ist. Dies wirkt nicht immer ganz
schlüssig, geht aber im Gesamttext weitestgehend unter. Neben
den genannten Figuren trifft man noch viele andere
Persönlichkeiten der damaligen Zeit und hat hier so eher einen
- ziemlich gut recherchierten - historischen Roman als einen Krimi
vorliegen, dessen Anschaffung sich jedoch auf jeden Fall lohnt. Nach "Vincents
Methode" eine weitere überzeugende Darstellung des
Autors.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 06/2007)
Rüdiger
Janczyk: "Wagners Tränen"
Emons Verlag, 2007. 335 Seiten.
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