(...)
        An der Tafel des Bischofs wurden als erstes Gericht aufgetragen zwei
        junge gemästete und im eigenen Saft gedünstete Kapaune. Von diesen blieb
        nichts übrig, weil sie schmackhaft waren und weil sie als erstes Gericht
        gierig von den Mahlgenossen verzehrt wurden, welche wegen der Reise und
        der etwas verspäteten Speisestunde schon mit dem
      Hunger kämpften. Als zweiter Gang folgten Forellen
        und Äschen, ähnlich gesotten, in breiten Pfannen aufgetragen, ohne
        Suppe; von einigen wurden sie mit Kräuteressig genossen, obwohl der vom
        Schweiße durchnässte Fischer
        sie kurz vorher gebracht hatte. Den dritten Gang bildete Fleisch von
        Vögeln, die schneller fliegen, und Tieren, die rascher springen.
        Rebhühner und Braten von jungen Gemsen. Dabei kann ich die Überraschung
        berichten, dass alle Mahlgenossen doch mit Messer und Zähnen dem Fluge
        der Rebhühner in der Schüssel nachgingen, obwohl sie selbst besser
        sprangen als flogen. Dann wurde aufgetragen ein Gericht, das sie
        Gepfeffertes nennen, bestehend aus viel Gemsfleisch, von dem nahmen nur
        mehr wenige. Es kamen hierauf Äschen und Forellen, länger als die
        früheren, schwimmend in einer durch Gewürze buntgefärbten Brühe. Wir
        fischten sie sofort heraus, ließen die Brühe dem Gastgeber und dem Koch.
        Die Reihe setzten fort andere Rebhühner, in Wasser gesotten, mit
        Waldhühnern, die in den wilden Gebirgen der Gegend erbeutet werden. Die
        in einer grünen Kräutersoße eingemachten haben wir leicht gegessen. Der
        Bischof selbst und seine Begleiter glaubten, dass nach diesen vielen
        Gängen das Essen beendet wäre, und schon hatten wir uns an den mit uns
        schmausenden Gastgeber gewendet, um uns für die große Ehre und den
        ausgesuchten und üppigen Aufwand vielmals zu bedanken, da gebot der
        Gastgeber mit der Hand Schweigen. Und sieh` da, sofort brachte einer von
        den Dienern eine breite Schüssel, sie auf erhobenen Händen tragend, mit
        Kraut über einem Stücke Speck.Von dem enthielt sich Santonino, weil es
        für seinen schwachen und wenig aufnahmsfähigen Magen zu schwer war, und,
        um die Wahrheit zu gestehen, bei diesem Gerichte schienen fast alle
        dasselbe Magenleiden zu haben. Nichtsdestoweniger entfachte den durch
        das aufgetischte Kraut verlorenen Appetit die Ankunft von kleinen, von
        ihnen Pastillen genannten Krapfen, die mit Honig übergossen waren, und die der
        sauren Milch. Den Beschluss aber machten Birnen verschiedener Art,
        manche von staunenswerter Größe, ebenso Äpfel von bestem Geschmacke und
        schön gefärbt. (...)
(aus dem Reisetagebuch von Paolo Santonino,
          bei einer Reise, welche er im Jahre 1485 anno Domini als Begleitung
          des Ehw. Vaters Herrn Pietro, Bischof von Caorle, ins deutsche Gebiet
          unternommen)
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