Fussreise

Am frischgeschnittnen Wanderstab
Wenn ich in der Fruehe
So durch Waelder ziehe,
Huegel auf und ab:
Dann, wie's Voegelein im Laube
Singet und sich ruehrt,
Oder wie die goldne Traube
Wonnegeister spuert
In der ersten Morgensonne:
So fuehlt auch mein alter, lieber
Adam Herbst- und Fruehlingsfieber,
Gottbeherzte,
Nie verscherzte
Erstlings-Paradieseswonne.

Also bist du nicht so schlimm, o alter
Adam, wie die strengen Lehrer sagen;
Liebst und lobst du immer doch,
Singst und preisest immer noch,
Wie an ewig neuen Schoepfungstagen,
Deinen lieben Schoepfer und Erhalter.

Moecht es dieser geben,
Und mein ganzes Leben
Waer im leichten Wanderschweisse
Eine solche Morgenreise!


(von Eduard Mörike)
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