Meine wilde Falbkatze
Ich war eine Zeitlang im Besitz einer
Falbkatze, habe mich aber vergeblich bemüht, ihr nur einigermaßen die Wildheit
abzugewöhnen, die sie zeigte. Das Tier war in den Steppen Ostsudans alt gefangen
worden und wurde mir in einem Käfig gebracht, der schon durch seine außerordentliche
Festigkeit zeigte, daß man ein bedenkliches Raubtier in ihm verwahre. Ich habe
die Katze niemals aus diesem Käfig nehmen dürfen, weil sie überhaupt nicht gestattete,
daß man ihr irgendwie sich näherte. Sobald man an sie herankam, fauchte und
tobte sie wie unsinnig und bemühte sich nach Kräften, Unheil anzurichten. Strafen
fruchteten nichts. In unseren Tiergärten habe ich die Falbkatze nur ein einziges
Mal gesehen, und zwar
in London. Die beiden
Tiere, die man dort geraume Zeit hielt, stammten aus Palästina und mochten wohl
jung aus dem Lager genommen worden sein, weil sie so gesittet und ruhig sich
betrugen, wie man dies von einer Wildkatze überhaupt erwarten kann. Außerordentlich
wichtig zur Begründung der Ansicht, daß die Falbkatze die Stammutter unserer
Hauskatze ist, sind Beobachtungen, die Schweinfurth im Lande der Njamnjam machte.
Nach mündlichen Mitteilungen des berühmten Reisenden kommt die Falbkatze hier
häufiger vor als in irgendeinem bis jetzt bekannten Teil Afrikas, so daß man
also das tiefe Innere des Erdteils als das eigentliche Vaterland oder den Kernpunkt
des Verbreitungskreises unseres Tieres ansehen muß. Die Njamnjam nun besitzen
die Hauskatze im eigentlichen Sinn des Wortes nicht, wohl aber dienen ihnen
zu gleichem Zweck wie letztere halb- oder ganzgezähmte Falbkatzen, die die Knaben
einfangen, in der Nähe der Hütten anbinden und binnen kurzer Zeit so weit zähmen,
daß sie an die Wohnung sich gewöhnen und in der Nähe derselben dem Fang der
überaus zahlreichen Mäuse mit Eifer obliegen.
Die Mumien und Abbildungen auf den Denkmälern in Theben und in anderen ägyptischen
Ruinen stimmen mit den Falbkatzen am meisten überein und scheinen zu beweisen,
daß sie es war, die bei den alten Ägyptern als Haustier gehalten wurde. Vielleicht
brachten die Priester das heilige Tier von Meroë in Südnubien
nach
Ägypten; von hier aus könnte sie nach Arabien und Syrien und später über
Griechenland oder Italien nach dem westlichen und nördlichen Europa verbreitet
worden sein und in neuerer Zeit durch die wandernden Europäer eine noch größere
Verbreitung erlangt haben. Für mich erhalten diese Mutmaßungen besonders Gewicht
durch Beobachtungen, die ich auf meinem letzten Jagdausflug nach Habesch machte.
Die Hauskatzen der Jemeniten und der Araber an der Westküste des Roten Meeres
zeigen nicht nur eine ganz ähnliche Färbung wie die Falbkatze, sondern auch
dieselbe Schlankheit und Schmächtigkeit, die diese vor ihren Verwandten auszeichnet.
Allerdings hat dort die Hauskatze nicht dasselbe Los wie bei uns, ihre Herrschaft
kümmert sich kaum um sie und überläßt es auch ihr selbst, sich zu ernähren.
Dies dürfte aber schwerlich als Grund ihres schlechten Aussehens anzunehmen
sein, denn an Nahrung fehlt es einem Raubtier in dortiger Gegend nicht. Ich
glaube, daß die Katze Nordostafrikas am treuesten sich ihre ursprüngliche Gestalt
erhalten hat. Die gewöhnliche Färbung der afrikanischen Hauskatze kommt der
ihrer wahrscheinlichen Stammutter am nächsten, doch findet man auch hier schon
ausgeartete, nämlich weiße, schwarze, rotgelbe und sogenannte dreifarbige Hauskatzen.
(von Alfred Edmund Brehm; 1829-1884)