(...)
In die Lichtung setzte plötzlich mit einem Galoppsprung der Bischof von Bremen, der sich auf der Jagd befand, bei ihm ein Knecht. Ehe er wußte, wie ihm geschah, war er von den Friesen eingeschlossen. Schweigend standen sie um ihn herum, die Äxte, Sensen, Messer funkelten in ihren Händen.
Herunter vom Pferd! schrie Störtebecker.
Der Bischof gehorchte.
Störtebecker gab dem Pferd einen Schlag mit der Hand. Es lief ein paar Schritte und begann ruhig zu äsen.
Ihr seid der Bischof Ortleb von Bremen?
Ich bin's, der Bischof neigte das Haupt.
Ihr habt Euch als Inquisitor des Papstes in Rom bestellen lassen?
Der Bischof nickte schweigend mit dem Kopf.
Durch die Friesen ging ein Murren.
Ihr laßt von den Bauern durch Eure Pfaffen den Zehnten eintreiben. Wer gab Euch ein Recht dazu?
Das Gesetz. Ich gab den Bauern das Land, sie haben mir dafür zu zahlen und zu steuern.
Ei, sieh da: Ihr gabt den Bauern das Land? Warum? Weil Ihr dazumal Kriegsknechte brauchtet. Habt Ihr auch das Land gesehen, das Ihr den Bauern gabt? Sand, öder Sand war das Land, auf dem nur die Stranddistel wucherte. Die See kam alle Augenblicke und schluckte ein, was monatelange Arbeit dem Boden abgerungen. Jahrzehntelang haben die Friesen geschuftet und gewerkt, haben Dünen gebaut und Straßen gebaut, von denen auch Ihr Nutzen habt. Und nun, da die Arbeit ihre Früchte zu tragen beginnt: nun seid Ihr plötzlich zur Stelle, neidisch und hoffärtig, und wollt ernten, wo sie gesät haben.
Der Bischof schwieg.
Nie werdet Ihr von uns auch nur einen Pfennig erhalten.
Die Friesen schrien: Nie! nie! nie!
Der Bischof erhob seine Stimme. Er sprach sehr leise, aber er knirschte mit den Zähnen. Ich werde die Reichsexekution gegen euch beantragen.
Die Woge ging hoch. Störtebecker hatte Mühe, sie zu besänftigen.
Herr Bischof: Ist es wahr, was uns berichtet wurde: daß Ihr unserem Bruder Hinrichsen das Bußhemd angezogen, daß Ihr ihn mit dem Strauchbesen habt geißeln lassen, daß Ihr ihn bei lebendigem Leibe habt die Gedärme aus dem Leibe wringen und winden lassen - als einen Ketzer und widerspenstigen Rebellen?
Der Bischof war leichenblaß geworden. Er schwieg.
Es ist wahr, schrie Störtebecker, denn - und seine Stimme schlug über, und Tränen traten ihm in die Augen - ich habe es mit eigenen Augen ansehen müssen. Ihr seid des gleichen Schicksals tausend- und abertausendmal schuldig.
Schuldig, schuldig, schuldig, gab das Echo der Friesen.
Der Bischof fiel winselnd in die Knie. Er jaulte wie ein junger Hund.
Schont meines Lebens!
Ihr werdet uns sogleich einen Ablaß erteilen von dreihundertfünfundsechzig Tagen und Ablaß von allem, was wir euch noch antun werden. Segne uns mit dem kirchlichen Segen, oder wir tun dir das an, was du so vielen angetan.
Der Inquisitor wimmerte. Er breitete die dürren Arme: Ich segne euch!
Tritt an diesen Stein. Es ist der Opferstein Wodans, bete zu Wodan! Du bist ein Friese aus dem Geschlecht der Stadinger! Du hast deinen friesischen Gott verraten um den römischen Gott. Knie nieder. Bete zu Wodan!
Der Bischof blieb stehen. Er rührte sich nicht.
Da sprangen von hinten einige und stießen ihn, daß er mit dem Kopf auf den Stein schlug. Andere schichteten aus Reisig und kleinen Holzstämmen einen Scheiterhaufen. Sie banden den Ohnmächtigen an einen jungen Birkenstamm, die Arme gebreitet, daß er stand wie der Gekreuzigte. Dann zündeten sie die Flamme an. Es war Dämmerung geworden. Die Flamme schlug in die Nacht. Sie standen, Hand in Hand verschlungen, im Kreis um den Scheiterhaufen und sangen:

Flamme empor!
Frei ist der Friese geboren!
Mensch ist zum Menschen erkoren.
Sünder in Sünde verloren,
Segne uns, Thor!

(...)


(aus dem "Störtebecker" von Klabund)
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