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Sie essen alle weiter und sind zärtlich miteinander.

Jedermann hebt sich angstvoll
Nun aber sag um Gott, mein Lieb,
Was brennen die Lichter also trüb?
Und wer kommt hinter mir heran?
Auf Erden schreitet so kein Mann.

Der Tod steht da in einiger Entfernung. Alle Gäste auf.

Tod Ei Jedermann! ist so fröhlich dein Mut? Hast deinen Schöpfer ganz vergessen?

Jedermann Was fragst um das zu dieser Stund?
Bekümmerts dich? wer bist? was solls?

Tod Von deines Schöpfers Majestät
Bin ich nach dir ausgesandt
Und das in Eil: drum steh ich da.

Buhlschaft ist von Jedermann weggeglitten.

Jedermann Wie, ausgesandt nach mir?

Greift nach seinem Herzen. Alle stehen ohne Atem.

Dem möchte wohl so sein. Ei ja.

Tod Denn ob du ihm gibst wenig Ehr
In der himmlischen Sphär
Denkt er dein,
In welcher Weis, das soll dir gleich gemeldet sein.

Jedermann die Augen gesenkt tritt hinter sich
Was will mein Gott von mir?

Tod Das will ich dich weisen.
Abrechnung will er halten mit dir. Unverweilt!

Jedermann mit einem jähen Trotz
Ganz und gar bin ich unbereit
Für solch ein Rechnung legen.
Müßt ich das tun, da käm ich in Not
Auch kenn ich dich nit, was bist du für ein Bot?

Lautloses Flüchten: Die Spielleut.

Buhlschaft ihre Kleider hebend.

Tod Ich bin der Tod, ich scheu keinen Mann
Tret jeglichen an und verschone keinen.

Es flüchten viele.

Jedermann Bist du derselbig, hör mich an.
Ich bin ein mächtig reicher Mann.
Die Sach soll aufgeschoben sein.
Nur dies tu! Willst's nit? Tust's nit?

Tod Nein.
Mein Brauch ist gradaus umgekehrt.
Wird dir kein Aufschub nit gewährt.
Du kommst mit mir und zögerst nit.

Jedermann Was? keine Frist willst du mir geben
Und überfällst eins ungewarnt
Gar mitten drin im besten Leben
Gotts Blut! das ist kein ehrlich Spiel
Damit erwirbst dir Ruhm nit viel
Denn daß ichs nur sag, bin nit bereit,
Mein Schuldbuch auch ist nit so weit
Hätt ich für mich so zehn, zwölf Jahre Zeit,
Ich wollt es in der Ordnung han
Daß keine Furcht mich gienget an
Das wollt ich so steh Gott mir bei.
Drum aus Gotts Gnaden laß mich hier
Daß ich das Ding in Ordnung führ.

Tod Hie hilft kein Weinen und kein Beten
Die Reis mußt alsbald antreten.

Jedermann O Gott der Gnaden auf himmlischem Thron
Erbarm dich meiner schweren Not!
Wird mir zum Gefährten für diesen Weg
Kein anderer als du bestellt?
Soll ich aus dieser Erdenwelt
Hinaus und kein Geleite haben?
Und war doch hier niemals allein,
Mußt allerwegen gesellig sein.

Tod sieht sich um
Nun ist Geselligkeit am End
Ring nit vergebner Weis die Händ
Schleun dich, jetzt gehts vor Gottes Thron
Dort empfängest deinen Lohn.

Tut einen Schritt auf ihn zu. Stärkeres Flüchten.

Wie, hat dich Narren wollen bedünken
Das Erdengut und dies dein Leben
Wäre dir alles zu Eigen gegeben?

Jedermann So war ich vermeinend, wahrhaftig und ja.

Tod Nichts da, war alls dir nur geliehen.
Bist du dahin erbts einen andern
Und über eine Weil schlägt dem sein Stund
Und er muß alles hier lassen und wandern.
Ich komm halt schnell.

Jedermann Nur einen Tag!
Nur diese Nacht bis Sonnaufgehn
Daß ich mit Reu mög in mich gehn
Und hören auf des Priesters Lehr
Und bessern mich nach deinem Begehr.

Tod Dergleichen wird von mir nit erbeten,
Wo ich einen Mann tu antreten
Den schlag ich auf sein Herz mit Macht
Wird vorher kein Anzeig beigebracht.

Jedermann O weh! Nun ist wohl Weinens Zeit!
Nun steh ich da hab kein Geleit.

Tod Mit Weinen wird nur Zeit vertan.

Jedermann Weh über mich was heb ich an!
Hätt ich ein ledig Stündlein Zeit
Mir zu gewinnen ein Geleit.
Daß ich nicht mutterkindallein
Vor meinem Richter müßte sein.

Tod Meinst du, daß solches dir gewinnst?
Ich sag sie weigern dir den Dienst.

Jedermann Nur nit allein vor das Gericht!
Nur Redens und Ratens ein Stündlein Zeit
Um Christi Gotts Barmherzigkeit!

Tod Meinshalb, ich tret dir aus dem Gesicht,
Nur merk vertu nit diese Frist
Und nütz sie klüglich als ein Christ.

Geht hinauf, wird unsichtbar (.....)


(aus "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal; 1874-1929)
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