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Nach einigen Erkundigungen glaubte Quina das Vorgefallene zu verstehen: die Verführung des armen Mädchens durch den jungen Mann wie auch den Zorn des Vaters, der es lauthals mit Verstoßung bedrohte. Er war ein armer Kerl mit einer Heerschar kleiner Kinder, und seine Wut ließ sich in Brotscheiben und Tabakunzen umrechnen. Seine Tochter, die einen weiteren kleinen Fresser im Bauch trug, wirkte auf ihn wie eine Distel unter dem Packsattel eines Esels. Quina ließ ihn zu sich rufen.
"Sehen Sie mal", sagte sie zu ihm, "den Mann unter Anklage stellen bringt Ihnen doch nichts. Er zahlt Ihnen nichts, weil er nichts hat, sein Laden ist verpfändet, er ist überhaupt bis über beide Ohren verpfändet, und sein vater will von alledem nicht wissen. Ziehen Sie Ihre Klage zurück, geben Sie eine schriftliche Erklärung ab und versichern Sie, daß der junge Mann Ihrer Tochter nichts schuldig ist. Dann können Sie mit einer Mitgift für das Mädchen rechnen."
"Das kann nicht sein ... Die Sache geht vor Gericht", schimpfte der arme Hund. Aus der Westentasche zog er eine speichelfeuchte Zigarettenkippe, zündete sie an und sog an ihr wie ein Rasender.
"Was sagen Sie denn, wenn ich Ihnen Geld für ein Paar Ochsen gebe?"
"Ja, das Geld für ein Paar Ochsen ... Das ist ein Elend, wissen Sie? Wenn das Kind kommt ..."
"Dann bleibt sich das gleich. Wenn sie eine Mitgift hat, kann sie heiraten und unter die Haube kommen, dann will sie bestimmt einer haben. Immerhin reicht das Geld für zwei Ochsen", beharrte Quina.
Länger als eine Stunde wiederholte sie die Anspielung auf den Preis für ein Gespann, mit dem der Mann zum Pächter eines kleinen Gehöfts aufsteigen und so einen Ehrgeiz stillen konnte, der ihm im Blut lag. Sie verhandelte ausgiebig, plante alle einzelnen Schritte und überzeugte schließlich; der Konflikt wurde an Ort und Stelle begraben und vergessen. Der Mann ging fort, ohne seine Zigarette richtig zum Brennen zu bringen, während ihn Quina mit Ablehnung betrachtete, weil das Schauspiel eines Lasters sie reizte und ihr mehr Schmerz bereitete als ein Unglück oder Tod.
"Gut ... Es bleibt also bei dem Geld für ein Paar Ochsen", wiederholte der Mann, als er sich entfernte. Er blieb stehen, nahm den Tabak aus dem zerfetzten Papier und verwahrte ihn abermals in der Westentasche, indem er die Fasern eine nach der anderen von seiner Handfläche fischte. Quina spürte heftige Unzufriedenheit, als sie über den Handel und das Mädchen nachdachte, mit dessen Unglück der Vater sein gemacht hatte. Aber ist überhaupt jemand an etwas schuld? Schilfrohr im Wind, treibende Blätter, zerdrückte Blumen, stiebender Sand ... Man wird besiegt, man weint, man stirbt, man gibt auf, und schrecklich ist es, Sieger zu sein. Quina setzte sich in den Schaukelstuhl des Wohnzimmers, saß reglos da und starrte auf die Tür, wie sie es seit einiger zeit tat; reglos, ohne Gebete und ohne Frieden, betrachtete sie die Tür, als erwarte sie, durch sie hindurch jemanden eintreten zu sehen, denn sie stets erwartet hatte, den sie selbst dann erwartet hatte, als ihre Augen stolz und herausfordernd blickten, selbst als ihre kurzen Kreisbewegungen mit der Hand Ironie und Selbstzufriedenheit ausdrückten.
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(aus "Die Sibylle" von Agustina Bessa Luís;
Suhrkamp Verlag)